Kleine Lichtblicke im Gesamtpaket zur Neuen Gentechnik: Wahlfreiheit durch Lebensmittelkennzeichnung!
Gestern hat das EU-Parlament seine Position zur Neuregelung Neuer Gentechnik abgestimmt. Der Gesetzesvorschlag ist höchst umstritten und wurde maßgeblich von der konservativen Fraktion vorangetrieben. Bei der Plenarabstimmung gab es jetzt aber bei zwei zentralen Elementen des Gesetzes - Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit - überraschend einen Punktgewinn für die von der grünen Fraktion und den Sozialisten vorgebrachten Änderungsanträge. Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der grünen Fraktion und Verhandlungsführer im Umwelt- und Gesundheitsausschuss für die Neue Gentechnik, kommentiert:
„Die Menschen wollen wissen, was sie essen! Und sie wollen keine Gentechnik in ihrem Essen, das belegen Umfragen*. Nicht ohne Grund hat die Agroindustrie für die jetzt verhandelte Neue Gentechnik, wie CrisprCas, massiv darauf gedrungen, dass gerade die Kennzeichnungspflicht entfällt.
Die Wahlfreiheit für Verbraucher:innen ist durch das gestrige Abstimmungsergebnis jetzt wieder in greifbare Nähe gerückt: Die Mehrheit der Abgeordneten stimmte für die Kennzeichnung von Produkten!
Was eigentlich selbstverständlich sein sollte, kam doch überraschend, denn der von den Konservativen und Liberalen gepuschte Vorschlag, hatte lediglich die Kennzeichnung der Saatgutsäcke vorgesehen. Die aus diesem Saatgut gewachsenen Pflanzen, sowie alle Lebens- und Futtermittel, die aus ihnen hergestellt werden oder die diese enthalten, sollten aber keinerlei Information mehr darüber enthalten, dass ihr Ursprung in der Gentechnik liegt. Für Lebensmittel herstellende Betriebe, die bewusst gentechnikfreie Ware produzieren wollen, wäre das ein absolutes Fiasko.
Der konservative Abgeordnete Norbert Lins (CDU), seines Zeichens Vorsitzender des Agrarausschusses, brachte sogar einen Antrag in die Abstimmung ein, nach dem es verboten sein sollte, gentechnikfreie Lebensmittel als solche zu kennzeichnen. Er zeigt damit eine Haltung völliger Ignoranz gegenüber dem Verbraucherwillen.
Ein weiterer Sieg ist die von den Grünen eingebrachte Forderung, Gentechnikprodukte rückverfolgbar zu machen, durch Dokumente und eindeutige Codes.
Damit können verarbeitende Lebensmittelunternehmen sie bewusst vermeiden und sie können, wenn Probleme auftauchen, zurückgezogen werden. Sie erhielt ebenfalls eine Mehrheit der Stimmen. Obwohl auch dies eigentlich die unverhandelbare Einhaltung des Vorsorgeprinzips darstellt, hatte es zuvor heftigen Gegenwind von Konservativen, Liberalen und Rechten dagegen gegeben. Das ist ein Angriff auf die Europäischen Verträge.
Das finale Abstimmungsergebnis ‚Für oder gegen die Deregulierung der Neuen Gentechnik‘ zeigt auf, dass das Bewusstsein zu den Risiken einer extremen Deregulierung steigt: Zwar bekam der Gesetzesvorschlag die Mehrheit der Stimmen (307), aber 263 Abgeordnete stimmten gegen ihn, 41 Abgeordnete enthielten sich und 91 Abgeordnete nahmen an der Abstimmung nicht teil.
Im Rat gibt es bislang keine Einigung auf eine Verhandlungsposition. Dass die Verhandlungen zwischen EU-Kommission, Rat und Europaparlament noch in dieser Legislatur starten können, wird deshalb immer unwahrscheinlicher. Nach dem im Eiltempo durchgepeitschten Verhandlungen im Europaparlament wäre es der Sache mehr als dienlich, der Thematik die Zeit zu widmen, die sie verdient.“
* https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20230821_OTS0007/neue-gentechnik-umfrage-konsumentinnen-klar-fuer-transparenz-kontrolle-und-kennzeichnung
https://taz.de/Grosse-Mehrheit-in-Umfrage/!5959664/