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Rechte Kräfte im EU-Parlament attackieren den Green Deal und damit das Ziel der Klimaneutralität.

Gastbeitrag in der Frankfurter Rundschau von Martin Häusling

Rien ne va plus. Nichts geht mehr! Diese Ansage des Croupiers beim Roulette könnte sinnbildlich für das ablaufende Jahr der Agrar- und Umweltpolitik im EU-Parlament gelten. Denn die Umwelt verlor bei diesem Spiel, das von den rechten Parlamentariern der EVP (Christdemokraten) gemeinsam mit extremen Rechten, aber auch Mitgliedern der Liberalen im Parlament betrieben wurde.

Was auf dem Spiel steht? Nichts weniger als das zukunftsweisende Konzept des europäischen Green Deal, vor allem seiner zentralen Strategien zu Farm-to-Fork und Biodiversität. Zur Erinnerung: Dieser Deal wurde von der christdemokratischen Kommissionspräsidentin als zentraler Baustein ihrer Politik entwickelt, und nun sieht sie tatenlos, fast absichtsvoll zu, wie ihre eigenen Gefolgsleute dieses Paket über Jahre kampagnenartig sabotieren.

Die EVP schreckte nicht vor Leugnung wissenschaftlicher Fakten und Stimmungsmache zurück, um Abstimmungen im Parlament und in den vorbereitenden Ausschüssen für Landwirtschaft und Umwelt negativ zu beeinflussen. Auf der Strecke bleiben dabei das europäische Vorsorgeprinzip, die Sorgen und Wünsche von Millionen Bürgerinnen und Bürgern, die Alarmrufe und Appelle Tausender Wissenschaftler. Und ganz nebenbei auch die Reputation der Kommissionspräsidentin, Ursula von der Leyen, die damit von ihren EVP-Parteikollegen bloßgestellt wird – und schweigt.

Dabei sind eine schadstofffreie Umwelt, der Erhalt und die Wiederherstellung gesunder Ökosysteme entscheidende Herausforderungen unserer Zeit – und zentrale Bausteine des Green Deal. Nur vier Jahre später liegen diese Bausteine in Trümmern. Aber angesichts welcher Lage?!

Felder und Wiesen, aber auch unsere Moore und Wälder sind kaum noch Lebensraum und Rückzugsort einer bunten Vielfalt des Lebens. Das Übermaß von Stickstoff und Pestiziden als enorme Belastung der Ökosysteme, ein Kahlschlag der Landschaft, auch an Strukturen, der Umgang mit unseren Böden und eine weitere Intensivierung durch die industrielle Landwirtschaft und die Agrarchemie tragen wesentlich zum Aderlass bei.

In unseren Wäldern ist nur noch jeder fünfte Baum gesund und selbst in unseren Schutzgebieten sieht es schlecht aus für die biologische Vielfalt. Wir stehen mitten im sechsten Massenaussterben der Erdgeschichte – dieser Biodiversitätsverlust ist menschengemacht und womöglich schlimmer als die Klimakrise.

Infolge unseres Umgangs mit der Natur haben wir allein in Europa in nur 40 Jahren 800 Millionen Singvögel und Abermilliarden Insekten verloren. Die Roten Listen werden länger, und bis 2030 droht der Verlust von mehr als 200 000 Hektar landwirtschaftlicher Fläche allein für Siedlung und Verkehr.

Gerade deshalb gilt: Die Gesetze zur Wiederherstellung der Natur und zur Reduzierung von Pestiziden sind Meilensteine für eine gesunde Umwelt und die zukünftige Ernährungssicherheit. Doch Ersteres wurde im parlamentarischen Verfahren massiv geschwächt, Letzteres ließ man komplett scheitern. Unverantwortlich, sind doch Pestizide einer der Hauptverursacher für den Rückgang der Artenvielfalt.

Auch deshalb forderten eine Million Bürgerinnen und Bürger in Europa die Reduzierung von Pestiziden und vier von fünf Befragten zeigten sich besorgt über die Umweltfolgen des Pestizideinsatzes. All das wurde ignoriert, genauso wie die dringenden Appelle von rund 6000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die sich für beide Gesetze ausgesprochen hatten.

Eine weitere Folge der massiven Lobbyarbeit: Mit der im Dezember erneuerten Zulassung von Glyphosat ignorierte die EU-Kommission erhebliche wissenschaftliche Bedenken und führt damit auch die eigene EU-Biodiversitätsstrategie als eine Säule des Green Deal ad absurdum. Auch das Chemikalienrecht, der Tierschutz und ein Gesetz für nachhaltige Lebensmittelsysteme zählen zu den Verlierern der torpedierten Politik.

Und zum Beginn des neuen Jahres kommt es noch mal dicke in Sachen neue Gentechnik: Der Deregulierungsvorschlag zur Abschaffung der Kennzeichnungsvorschriften, der Sicherheitsprüfungen und jeglicher Art von Haftungsverfahren für neue Gentechnik steht auf der Tagesordnung. Dieser Vorschlag will auch die Transparenz opfern. Darüber, ob die Saaten, Pflanzen und Lebensmittel, die wir anbauen, kaufen und essen, neue Gentechnik enthalten oder nicht. Das kam zwar am 11. Dezember nicht durch, aber aktuell werden die EU-Staaten massiv bearbeitet, und eine erneute Abstimmung wird dann im kommenden Jahr unter belgischer Ratspräsidentschaft stattfinden.

Nichts geht mehr. Das ist kaum noch Roulette, sondern ein Vabanquespiel – höchst riskant für Natur und Mensch.

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Dem Wald geht es schlecht und schlechter, gut sichtbar auch bei uns in Hessen. Er leidet unter dem Klimawandel, dem Borkenkäfer oder schädlichen Pilzen, wurde nun sogar selbst vom Klimaretter zum Klimaschädling, weil er mehr Kohlendioxid abgibt, als er aufnimmt. So lautet die amtliche Diagnose des aktuellen Waldschadensberichtes, den manche als Konkursbericht des Waldes bezeichnen. Und damit steht mehr auf dem Spiel, als manche wissen. Anlass für den Grünen Europa-Abgeordneten Martin Häusling, erneut zur nunmehr dritten Waldtagung ins Kurhaus nach Bad Zwesten einzuladen und nach Lösungen zu suchen, die den Wald wieder gesund machen und diesem Lebensraum, seinen Tieren und Pflanzen und damit auch uns Menschen nutzen. Fast 200 Wissenschaftler, Praktiker und Waldbesitzer und Gäste aus ganz Deutschland folgten seinem Ruf und diskutierten am Freitag im vollbesetzten Kurhaus, was zur Rettung des Waldes getan werden kann und muss.