Grüne Europagruppe Grüne EFA

Das Europäische Parlament hat sich heute mehrheitlich für die von der EU-Kommission konzipierte Liste der Reserveantibiotika ausgesprochen. Auf dieser Liste sollten zukünftig all diejenigen Antibiotika stehen, die für die Humanmedizin reserviert bleiben, also nicht für die Behandlung von Tieren genutzt werden dürfen.
Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen und Mitglied im Umwelt- und Gesundheitsausschuss hat den heute vom Europäischen Parlament abgestimmten Einspruch initiiert und bedauert das heutige Ergebnis zutiefst:

„269 dafür – 280 dagegen, bei 46 Enthaltungen. Eine knappe Mehrheit der Parlamentarier:innen hat sich für den von der Europäischen Kommission angepeilten Weg zur Regelung der Reserveantibiotika ausgesprochen. Sie votierten damit für einen extrem schwachen Regelungsvorschlag, der nichts dazu beitragen wird, der weiteren Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen Herr zu werden. Gewonnen haben damit die Agrar- und Pharmalobby, die es mit ihrer zwielichtigen Kampagne geschafft haben, Stimmung zu machen.
Mit der falschen Behauptung, Hunde, Katzen und andere Haustiere würden zukünftig nicht mehr behandelt werden können, wenn die Liste strenger konzipiert würde, haben sie Emotionen entfacht und Lobbydruck der übelsten Sorte ausgeübt.
Tatsache ist, dass es nicht die Haustiere sind, die in nennenswerten Mengen Antibiotika verabreicht bekommen. Ihr Beitrag zur Resistenzbildung ist dementsprechend gering. Der Löwenanteil der Antibiotika wird in der Tiermast der industrialisierten Landwirtschaft verwendet: weltweit werden 66% aller Antibiotika für landwirtschaftliche Nutztiere verwendet. Fast 90% dieser Antibiotika werden an Tiergruppen verabreicht. Im Regelfall über das Futter- oder Tränkesystem, so dass kranke und gesunde Tiere gleichermaßen mit dem Antibiotikum versorgt werden. Der Resistenzbildung ist damit Tür und Tor geöffnet.
Jetzt liegt eine Liste auf dem Tisch, die keinerlei Wert hat und die das von der EU-Kommission unterstützte Ziel der Unterbindung der Resistenzbildung nicht erreichen kann. Die Liste zementiert den Status Quo. Sie enthält kein einziges derjenigen Antibiotika, die die Weltgesundheitsorganisation WHO als für Menschen am allerwichtigsten einstuft (‚highest critically important antimicrobials for human use‘). Alle aktuell erlaubten Antibiotika bleiben also weiterhin für Tiere erlaubt. Tritt diese Liste in Kraft, so werden wir es nicht schaffen, Antibiotikaresistenzen zu reduzieren und damit Leben zu retten.
Statt dieser nutzlosen Liste wäre es wesentlich besser, eine Liste zu haben, die die für die Humanmedizin wichtigsten Antibiotika umfasst - diese aber in begründeten Einzelfällen frei gibt für die Behandlung von Tieren. Geradezu fahrlässig ist es, dass selbst Colistin nicht auf die Liste der für die Humanmedizin reservierten Antibiotika genommen wurde. Schließlich ist bekannt, dass auf den Einsatz von Colistin in der Tierhaltung sehr wohl verzichtet werden kann, wenn ein Mix aus Impfungen, Hygiene- und Managementmaßnahmen zielgenau eingesetzt wird. Einzelne EU-Länder wie Dänemark sehen inzwischen komplett von der Anwendung von Colistin ab, ebenso die Biolandwirtschaft. Es geht also ohne!
Schon jetzt sterben in der EU jedes Jahr 33.000 Menschen, weil bei ihnen keines der verfügbaren Antibiotika mehr wirkt. Hochrechnungen ergeben, dass die Todesfälle aufgrund von Antibiotikaresistenzen 2050 weltweit bei mehr als 10 Millionen Menschen liegen können, wenn der Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen nicht Einhalt geboten wird.
Da viele Antibiotika sowohl bei Menschen als auch bei Tieren eingesetzt werden, ist ein koordiniertes Vorgehen bei der Eindämmung von Antibiotikaresistenzen unabdingbar.
Das letzte Wort haben jetzt die Mitglieder des Ständigen Ausschusses der Europäischen Kommission, der aus Expertinnen und Experten der EU-Länder zusammengesetzt ist. Voraussichtlich Anfang Juli wird dieser über den Kommissionsvorschlag abstimmen. Ich appelliere an die Ausschussmitglieder, dem aktuellen Vorschlag nicht zuzustimmen und sich stattdessen für eine Liste der Reserveantibiotika gemäß der WHO-Kriterien einzusetzen.“

 

Weitere Infos:
Entschließungsantrag zur Liste der Reserveantibiotika: https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/B-9-2022-0327_DE.html
Weitere Veröffentlichungen von Martin Häusling zu Reserveantibiotika:
https://martin-haeusling.eu/suche.html?searchword=Reserveantibiotika&searchphrase=all

 

 

Schlagwörter:

Video

Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

Pressemitteilungen