aus Bioland-Zeitung: Agrarpolitik - Ein Gentechnikverbot wäre möglich, aber...
Bioland - In Deutschland wachsen keine gentechnisch veränderten Pflanzen auf den Äckern. Das heißt aber nicht, dass Gentechnik auf dem Feld dauerhaft verboten bleibt. Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt könnte das nun ändern.
Von Magdalena Fröhlich
In Deutschland wachsen seit 2012 keine gentechnisch veränderten Pflanzen mehr. Warum also geben Umweltschützer trotzdem keine Ruhe? Die Antwort ist so einfach wie unverständlich: Obwohl keine Gentech-Pflanzen angebaut werden und drei Viertel der Bürger Gentechnik im Essen ablehnen, gibt es kein Verbot, das den Anbau auch in Zukunft ausschließen würde. So ein Verbot ist bislang ziemlich kompliziert und juristisch heikel. In Frankreich etwa, hat es drei Anläufe gebraucht, um der Gentech-Maissorte MON-810 eine rechtsgültige Abfuhr zu erteilen.
Will ein EU-Land eine gentechnisch veränderte (GV) Sorte nicht auf dem Acker haben, muss es das gut begründen, etwa mit Gefahren für die Umwelt. Ein einfaches "Nein" genügt nicht - die EU-Länder müssen aktuelle wissenschaftliche Daten liefern, die die Risiken einer Zulassung der gentechnisch veränderten Pflanze belegen. All das ist ziemlich aufwändig - und muss für jede Sorte einzeln geregelt werden. Das soll sich nun ändern.
Verbote für Gentechnik auf dem Acker sollen leichter werden
Die EU räumt allen Mitgliedsstaaten die Möglichkeit eines sogenannten "Opt out" ein, also die Option, Gentechnik auf dem Acker zu verbieten. Jedes EU-Land kann nun ein nationales Anbauverbot erlassen. Neu ist außerdem: Diese Verbote müssen sich nicht länger wie bisher auf eine einzelne Sorte beziehen, sondern können viel umfassender sein: Sie können sowohl auf eine ganze Kultur als auch auf eine Pflanzeneigenschaft umfassen. Denn bislang lautete die Frage beispielsweise: MON-810 - ja oder nein. Die Antwort bezog sich nur auf diesen einen bestimmten GV-Mais. Jetzt können die Länder festlegen, ob sie generell Gen-Mais wollen oder nicht. Sie können auch sagen: Alle gentechnisch veränderten Pflanzen mit der Eigenschaft "Herbizidresistenz" kommen bei uns nicht auf den Acker. Die neue EU-Regelung bedeutet also: Selbst wenn nun in der EU eine neue Sorte zugelassen wird - und derzeit stehen mehr als ein Dutzend Sorten in der Warteschleife - müssen die Länder ihre Verbote nicht ständig neu begründen. Mit dem Opt-out ist die Verbotsmöglichkeit nun viel breiter. Das schafft mehr Verbindlichkeit und Rechtssicherheit.
Neuer EU-Vorstoß zu Importverbot
Am 23. April hat EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker einen Vorschlag gemacht, dass auch Importe von GVOs national geregelt werden können. So soll künftig jeder EU-Staat darüber entscheiden können, ob er gentechnisch veränderte Pflanzen, etwa als Futtermittel, einführen will oder nicht. Umweltverbände empfinden das als absurd: Bei einem gemeinsamen Binnenmarkt mit offenen Grenzen könne man das kaum kontrollieren. Der einzige Weg, Gentechnikfreiheit sicherzustellen, sei ein komplettes, EU-weites Verbot- sowohl vom Anbau als auch vom Import.
Was nach Bürokratieabbau und einen Erfolg für Gentechnik-Gegner klingt, hat aber auch seine Tücken: Denn einerseits ist es nun einfacher, der Agro-Gentechnik auf dem Feld eine Absage zu erteilen, andererseits befürchten Umwelt- und Bio-Verbände, dass die EU-Länder neuen Zulassungen von gentechnisch veränderten Pflanzen auf europäischer Ebene leichter zustimmen werden. Auch darauf weisen die Gentechnik-Gegener hin: Ein Anbauverbot ist noch lange kein Vermarktungsverbot. Auch wenn eine GV-Pflanze nicht angebaut werden darf, könnte man sie ja immer noch importieren und etwa als Futtermittel verkaufen.
Martin Häusling, Abgeordneter im Europäischen Parlament (Grüne) sagt deshalb: "Das wäre absurd - wenn wir zwar ein Anbauverbot für Gentechnik hätten, das dann aber trotzdem zu mehr Gentechnik führt. Zwar nicht auf dem Feld, dann aber im Supermarkt." Der Grünen-Politiker fordert deshalb eine generelle Absage der deutschen Regierung und aller anderen EU-Länder in puncto Gentechnik.
Alle wollen ein Verbot - nur nicht der Bundesminister
Bis Herbst hat nun jeder EU-Staat Zeit, ein nationales Gesetz vorzulegen, wie dort mit Gentechnik umgegangen wird. In Deutschland sind nicht nur die meisten Bürger - laut einer Umfrage des Bundesamtes für Naturschutz 84 Prozent - gegen Gentechnik in der Landwirtschaft. Auch die Agrarminister der Bundesländer sind sich einig und lehnen Gentech-Pflanzen auf dem Acker ab. Der einzige, der sich gegen ein nationales Anbauverbot ausspricht, ist Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU).
Statt einmal für alle "Nein" zu sagen, will er die Entscheidung in die Hände der Bundesländer legen. Er will, dass jedes Land selbst darüber bestimmt, ob dort gentechnisch veränderte Pflanzen wachsen dürfen oder nicht. Das würde bedeuten: 16 mal die gleiche Arbeit. Der Bundesminister begründet seine Haltung mit Rechtssicherheit.
Doch damit könnte künftig ein unüberschaubarer Flickenteppich von Verboten und Zulassungen entstehen - also das Gegenteil von Rechtssicherheit. Dazu kommt: Gentechnik macht nicht am Randstreifen eines Ackers halt. Jüngst hat eine Studie von Forschern aus Bremen und Bonn ergeben: Mais-Pollen kann einige Kilometer weit fliegen und nicht nur rund 30 Meter, wie bislang angenommen.
Das Szenario eines Gentechnik-Ja-Nein-Durcheinanders in Deutschland hätte nicht nur für Bio-Bauern, sondern auch für konventionelle, die mit Gentechnikfreiheit in ihren Produkten werben, Konsequenzen. "Das sieht man ja schon in Kanada - da gibt es keinen konventionellen Raps mehr ohne Gentechnik, geschweige denn Bio-Raps, weil dort hauptsächlich gentechnisch veränderter angebaut wird", sagt Bioland-Bauer Reinhard Fiegenbaum. "Und über den Wind, Vögel und Insekten landet das Saatgut dann auch auf Feldern von Bauern, die Gentechnik ablehnen. Die haben dann ein Problem: Findet man Rückstände von Gentechnik in Bio-Waren, darf man diese nicht mehr als Bio deklarieren. Deswegen wehren wir uns dagegen, dass auch in Deutschland Gentechnik Einzug halten soll. Für uns Biobauern wäre das katastrophal. Wenn neben meinen Flächen Gentech-Pflanzen angebaut werden würden, müsste ich wohl aufgeben."
Diese Befürchtung ist berechtigt. In Tschechien und Spanien mussten bereits viele Bio-Bauern aus diesem Grund zumindest mit den Bio-Mais-Anbau aufhören. Denn in beiden Ländern wird gentechnisch veränderter Mais angebaut. Informationen des gen-ethischen Netzwerks zufolge schrumpfte 2007 die Anbaufläche von Bio-Mais in der spanischen Region Aragón von 102 Hektar binnen eines Jahres auf 42 Hektar.
Nebeneinander von Gentechnik und Bio ist nicht möglich
Es ist auch ziemlich teuer, darauf zu achten, dass es keine Verunreinigung mit Gentechnik gibt. 2000 Euro kostet beispielsweise die Reinigung eines Mähdreschers, der auf einem Gentech-Feld im Einsatz war und nun von einem Bio-Bauern ausgeliehen werden soll. Wie hoch der finanzielle Schaden durch Gentechnik ist, hat das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FIbL) ausgerechnet. In einer Pressemitteilung heißt es: "Geht man von der Annahme aus, dass ein Anteil von 50 Prozent des in der Bundesrepublik angebauten Körnermaises gentechnisch verändert wäre, entstünden Mehrkosten von 212 Millionen Euro." Und dabei seien noch nicht einmal Ertragssteigerungen zu erwarten. Weltweit seien schon Schäden in Höhe von 5,4 Milliarden US-Dollar entstanden, weil man Gentechnik in Produkten gefunden hat, wo sie nicht sein sollte. "Aber diesen ganzen Aufwand könnte man sich sparen", findet Biobauer Fiegenbaum, "indem man Agro-Gentechnik einfach verbietet."