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Frankfurter Rundschau Online  https://www.fr.de/wirtschaft/oekologische-landwirtschaft-wie-sinnvoll-25-prozent-bio-tbl-zr-92471373.html

Timo Landenberger, Lukas Scheid
20 August 2023

Mit dem Aktionsplan Ökologische Landwirtschaft verfolgt die EU-Kommission das Ziel, den Bio-Anteil an der Lebensmittelproduktion bis 2030 von derzeit unter zehn auf 25 Prozent zu steigern.

Bereits vor über zwei Jahren stellte die EU-Kommission ihren Aktionsplan für die Entwicklung ökologischer Erzeugung vor. Das Ziel: Produktion und Konsum von Bioprodukten steigern und bis 2030 mindestens 25 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche ökologisch bewirtschaften. Mehr Biodiversität, Tierschutz und höhere Einkommen für Landwirtinnen und Landwirte versprach sich die Kommission seinerzeit von ihren Plänen.

Die Kommission hielt das 25-Prozent-Ziel ausdrücklich für machbar. Im März 2021 betrug der Anteil der Biolandwirtschaft in der EU laut Kommission zwar nur rund 9 Prozent. Manche Mitgliedstaaten wiesen demnach aber schon 2021 einen Anteil von über 25 Prozent auf, andere jedoch nur 0,5 Prozent.

Ziele schon jetzt fast außer Reichweite

Durch Informationskampagnen, Umfragen und Datenerhebungen will die Kommission den Konsum von Bioprodukten ankurbeln, durch Forschung und Innovation soll die Produktion gesteigert werden. Ob das reicht, um das 25-Prozent-Ziel zu erreichen, ist fraglich. Mit der aktuellen jährlichen Steigerungsrate der biologisch bewirtschafteten Agrarfläche würde 2030 EU-weit gerade einmal ein Anteil von etwa 16 Prozent erreicht werden. Das bedeutet, um das EU-Ziel zu erreichen, müsste sich die jährliche Umstellungsrate fast verdoppeln und die ökologisch bestellte Fläche im Vergleich zu heute nahezu verdreifachen.

Angesichts stagnierender Absatzzahlen von Bioprodukten durch die Inflation und gestiegene Lebensmittelpreise erscheint ein solches Wachstum unrealistisch. Bei Umfragen geben viele EU-Bürger zwar ein hohes Interesse an Bioprodukten an. Das Kaufverhalten spricht aber eine andere Sprache, immerhin sind Bioprodukte in der Regel deutlich teurer.

Noch deutlicher wird das hohe Ambitionsniveau der europäischen Ökolandbauziele am Beispiel von Deutschland. Die Bundesregierung hat sich noch höhere Ziele gesteckt und will bis 2030 sogar 30 Prozent Ökolandbau erreichen. 11,2 Prozent der Landwirtschaftsfläche Deutschlands werden aktuell ökologisch bewirtschaftet. Die jährliche Umstellungsrate liegt derzeit bei 3,7 Prozent, sie müsste jedoch über zwölf Prozent liegen, um das im Koalitionsvertrag vereinbarte Ziel zu erreichen.

Welche Rolle spielt die GAP?

Die bisherigen Bemühungen scheinen also nicht ausreichend. Und die meisten nationalen Strategiepläne zur Umsetzung der Gemeinsamen EU-Agrarpolitik (GAP) sind ebenfalls nicht auf das Ziel ausgerichtet. Dabei hatte die Kommission die Mitgliedstaaten dazu aufgerufen, die Entwicklung nationaler Ökolandbau-Aktionspläne in ihre GAP-Strategiepläne zu integrieren. Auch der deutsche GAP-Strategieplan sieht lediglich vor, neue durch die Öko-Regelungen der GAP entstandene finanzielle Spielräume auch für den Ausbau des ökologischen Landbaus zu nutzen.

Grünen-Agrarpolitiker und EU-Abgeordneter Martin Häusling begrüßt die anvisierte Ökologisierung der Landwirtschaft zwar, bezeichnet die Kommissionspläne, die sogenannten Eco-Schemes der GAP zur Unterstützung des Ökolandbaus zu benutzen, jedoch als „Trickkiste“. Der Biolandbau dürfe durch die allgemeine Bioförderung an vielen Programmen der GAP gar nicht teilnehmen, sagt er. Die Kommission beteuert, die Direktzahlungen durch die Eco-Schemes der GAP würden Umstellung und Beibehaltung von Ökolandbau unterstützen. Häusling hat da Zweifel, da die Mindestanforderungen für die Eco-Schemes und den Ökolandbau nicht vergleichbar seien. „Ein bisschen weniger Pestizid- und Mineraldüngereinsatz sind absolut nicht gleichzusetzen mit dem Boden- und Ökosystem-fördernden Ansatz des Ökolandbaus.“

Biolandbau vs. Selbstversorgung

Die nächste Frage lautet: Macht das Ziel von 25 Prozent Biolandwirtschaft aus Sicht der Ernährungssicherheit Sinn? Die Ertragsunterschiede zwischen ökologischer und konventioneller Landwirtschaft sind teils immens. Und die EU strebt einen möglichst hohen Selbstversorgungsgrad durch europäische Agrarprodukte an, was durch 25 Prozent Bio und den geringeren Ertrag erschwert werden könnte. Deshalb warnt Bernhard Krüsken, Generalsekretär des Deutschen Bauernverbands (DBV): „Bei einer großflächigen Umstellung ist davon auszugehen, dass der Import von preisgünstigen Lebensmitteln aus dem nicht-europäischen Ausland noch weiter zunehmen würde.“ Das gelte auch für Öko-Produkte, so Krüsken.

Norbert Lins (CDU), Vorsitzende des Agrarausschusses im EU-Parlament, geht ebenfalls davon aus, dass eine vollständige Umstellung auf Bio negative Auswirkungen auf den Selbstversorgungsgrad hätte. „Wir müssen weg von der Debatte Bio oder Nicht-Bio und hin zu einer realistischeren und an den jeweiligen Standort noch besser angepassten Landwirtschaft.“

Grünen-Politiker Häusling hält das für eine „Erzählung der Industrie“. „Die intensive konventionelle Landwirtschaft bringt zwar kurzfristig höhere Erträge, führt aber aufgrund von Bodenverarmung und Übernutzung von Ökosystem langfristig zu schwindenden Ernten und hohen sozialen Kosten.“ Zwar liege die Ertragsdifferenz zwischen der biologischen und konventionellen Bewirtschaftung durchschnittlich über alle Kulturen hinweg bei etwa 16 Prozent. Doch Häusling plädiert für eine weitreichende Änderung der Flächennutzung sowie des Umgangs mit Lebensmitteln: weniger Getreide in den Futtertrog, mehr für die menschliche Ernährung, weniger Fläche für die Produktion von Agrotreibstoffen und weniger Lebensmittelabfälle.

Wer soll so viel Bio kaufen?

Es stellt sich zudem die Frage, ob größere Mengen an Bioprodukten überhaupt gekauft würden. Für Krüsken vom DBV ist klar: Das entscheidet der Markt. „Sollten die Verbraucher im entsprechenden Maß zu Öko-Produkten greifen, werden sich die Landwirte dem Verbraucherverhalten anpassen.“ Derzeit sehe man allerdings eher den gegenteiligen Trend – wie bei allen Produkten, die sich über Regionalität oder höhere Standards definierten, sagt Krüsken. „Die Inflationsdebatte treibt die Preisorientierung der Verbraucher.“

CDU-Mann Lins argumentiert ähnlich: „Eine Umstellung auf Bio ohne den entsprechenden Markt und Kunden, die bereit sind, dafür tiefer in die Tasche zu greifen, bringt weder dem Landwirt etwas noch bringt es uns dem 25-Prozent-Ziel näher.“ Häusling sieht dagegen insbesondere die Kommission in der Verantwortung. Es fehle noch immer an Aufklärungskampagnen sowie an Geldern für die Forschung. Von den 48 Millionen Euro an EU-Forschungsgeldern für nachhaltige Landwirtschaft im Jahr 2023 würden nur rund 28 Millionen in die Forschung des Ökolandbaus gehen. „Und bei der Gießkannenvergabe von 290 Milliarden Euro allein für GAP-Direktzahlungen, größtenteils gekoppelt an die Anzahl der Hektare, sehe ich die EU deutlich in der Pflicht zum Umsteuern.“

 

Video

Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

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