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EurActiv.de  von Maria Simon; 9 November 2023

Ein Vorschlag, die Regeln für neue Gentechniken (NGT) noch weiter zu lockern, als die Kommission ursprünglich beabsichtigt hatte, wurde von den Mitte-Links-Parteien im EU-Parlament stark kritisiert. Hauptstreitpunkt ist die Kennzeichnungspflicht der neuen Technologie.

Während einer Debatte im Umweltausschuss des Europäischen Parlaments (ENVI) am Dienstag (7. November) diskutierten die Abgeordneten den Berichtsentwurf, der kürzlich von der EVP-Abgeordneten Jessica Polfjärd, der federführenden Verhandlungsführerin des Parlaments zum Thema NGT, vorgelegt wurde.

Die Kommission schlug vor, die Regeln für bestimmte NGT, also neue Gentechniken, zu lockern. Dabei handelt es sich um eine Reihe neuer wissenschaftlicher Methoden zur Veränderung von Genomen, mit dem Ziel, bestimmte Eigenschaften in Pflanzen gentechnisch zu verändern.

Der Vorschlag wurde von den Grünen und anderen linken Abgeordneten heftig kritisiert, da sie der Meinung sind, dass er bei der Deregulierung von genmanipulierten Pflanzen zu weit geht. Der Entwurf von Polfjärd begrüßt nicht nur große Teile des Standpunkts der Kommission, sondern schlägt sogar vor, bei der Lockerung bestimmter Aspekte noch weiter zu gehen.

Die vorgeschlagenen Änderungen betreffen einige der umstrittensten Punkte des Gesetzes, insbesondere die Kennzeichnung von gentechnisch veränderten Pflanzen und ihre Koexistenz mit dem ökologischen Landbau.

Stehen die Grundsätze des ökologischen Landbaus auf dem Spiel?

Konkret schlägt Polfjärd vor, NGT-Pflanzen nicht nur in der konventionellen, sondern auch in der ökologischen Landwirtschaft zuzulassen – etwas, das im Kommissionsvorschlag nicht vorgesehen war.

Die Beziehung zwischen Gentechnik und ökologischem Landbau ist nicht unumstritten: Während viele Biobauern befürchten, dass eine Deregulierung der NGT-Vorschriften dazu führen könnte, dass sie nicht mehr sicherstellen können, dass ihre Produktion frei von Gentechnik ist, sind andere – wie Polfjärd – der Meinung, dass das Problem dadurch gelöst werden sollte, dass NGTs auch im Öko-Landbau einfach zugelassen werden.

Die Berichterstatterin möchte „faire Wettbewerbsbedingungen“ sicherstellen, bei denen „alle Marktteilnehmer ohne Diskriminierung die Techniken nutzen können“, heißt es in dem Entwurf.

Dieser Vorstoß stieß jedoch bei Abgeordneten mehrerer anderer Fraktionen auf wenig Begeisterung.

„Die Berichterstatterin hat die Grundprinzipien der Biobauern nicht verstanden“, sagte die Abgeordnete der Linken im Europäischen Parlament Anja Hazekamp.

Andere Abgeordnete äußerten sich besorgt über Kreuzkontaminationen, also über die Gefahr, dass NGT-Produkte aus benachbarten Betrieben die Produkte von Biobauern „kontaminieren“ könnten. „Woher wissen Sie, was Ihr Nachbar anbaut?“, fragte der grüne Europaabgeordnete Martin Häusling.

Sozialdemokrat Christophe Clergeau warnte, dass NGT bei der Bio-Ernte „einen Imageverlust [und] Wertverlust“ und einen „erheblichen Einfluss“ auf traditionelle landwirtschaftliche Praktiken bedeuten könnten.

Nichts zu verbergen

Ein weiterer Streitpunkt war Polfjärds Vorschlag, die Kennzeichnungsanforderungen für NGT weiter zu reduzieren als von der Kommission vorgesehen.

Nach dem Vorschlag der Kommission sollen Pflanzen auf Basis von NGT, die von Pflanzen aus konventioneller Züchtung nicht zu unterscheiden sind (Kategorie 1), wie ihre konventionellen Gegenstücke behandelt werden. Für Pflanzen mit „komplexeren Veränderungen“ (Kategorie 2) würden dagegen strengere Anforderungen gelten.

Für beide Arten von Pflanzen sollten jedoch weiterhin bestimmte Kennzeichnungs- und Rückverfolgbarkeitsanforderungen gelten.

Polfjärd argumentiert hingegen, dass konventionell-ähnliche Pflanzen der Kategorie 1 nicht gekennzeichnet und zurückverfolgt werden sollten, da dies „diskriminierend“ wäre.

„Konventionell-ähnliche Pflanzen sollten konventionell behandelt werden“, sagte der Europaabgeordnete Radan Kanev, der im Namen von Polfjärd sprach. „Diese zusätzliche Anforderung schafft eine ungerechtfertigte Unterscheidung und einen unangemessenen Verwaltungsaufwand“, fügte er hinzu.

Die Grünen hingegen bezeichneten den Schritt als „naiv“ und „arrogant“, und die Linke warf der Berichterstatterin vor, „Transparenz und Rückverfolgbarkeit“ zu behindern.

Der Renew-Europaabgeordnete Martin Hojsik argumentierte unterdessen, dass es kein Problem sei, NGT-basierte Pflanzen zu kennzeichnen. „Wenn man glaubt, dass [NGTs] gut sind“, so Hojsik, gebe es „keinen Grund, warum man sie verstecken sollte.“

Hojsik sagte auch, dass die Frage der Patente ein „entscheidender fehlender Bestandteil“ in der Debatte sei. „Wir wollen keine Patente auf Pflanzensorten“, fügte sein Fraktionskollege Jan Huitema hinzu.

Der Vorschlag der Kommission enthalte keine Rechte an geistigem Eigentum (IP), was bedeuten könnte, dass NGT im Rahmen der GVO-Vorschriften patentiert würden.

[Bearbeitet von Julia Dahm/Nathalie Weatherald/Kjeld Neubert]

 

Video

Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

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