Grüne Europagruppe Grüne EFA

Autor*innen: Mareike Scheffer und Stefanie Pionke

Quelle: https://www.fleischwirtschaft.de/politik/nachrichten/Urteil-Kuekentoeten-bleibt-vorerst-erlaubt-39515?crefresh=1 vom 13. Jun 2019

 

LEIPZIG Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat das massenhafte Töten männlicher Küken in der Legehennenzucht vorerst noch als rechtmäßig bestätigt. Die Kritik an dem Urteil ist groß. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) sieht die Wirtschaft in der Pflicht, die umstrittene Praxis schnell zu beenden.

Die wirtschaftlichen Interessen der Brütereien allein seien zwar kein vernünftiger Grund im Sinne des Tierschutzgesetzes. Bis Alternativen zur Verfügung stehen, sei die Fortsetzung der Praxis allerdings noch rechtmäßig. So lautet das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts Leipzig.

Das Bundesgericht bestätigte im Ergebnis die Entscheidungen mehrerer Vorinstanzen, die das Töten der neugeborenen männlichen Küken für zulässig halten. Bis zur Einführung alternativer Verfahren zur Geschlechtsbestimmung im Hühnerei dürfen Brutbetriebe an der umstrittenen Praxis festhalten.

Erlass aus NRW im Jahr 2013

Das Land Nordrhein-Westfalen hatte das Kükentöten im Jahr 2013 per Erlass stoppen wollen. Dagegen klagen seither die Brütereien, da die dort ausgebrüteten Eier aus Zuchtlinien stammen, die auf eine hohe Legeleistung ausgerichtet sind. Für die Mast seien Tiere aus diesen Zuchtlinien wenig geeignet, lautete die Argumentation. Männliche Küken würden daher kurz nach dem Schlüpfen getötet. Das betraf laut Angaben des Gerichts in Deutschland im Jahr 2012 etwa 45 Millionen Küken.

Gericht will "doppelte Umstellung" vermeiden

Ohne eine Übergangszeit wären die Brutbetriebe gezwungen, zunächst mit hohem Aufwand eine Aufzucht der männlichen Küken zu ermöglichen, um voraussichtlich wenig später ein Verfahren zur Geschlechtsbestimmung im Ei einzurichten oder ihren Betrieb auf das Ausbrüten von Eiern aus verbesserten Zweinutzungslinien umzustellen, begründet das Gericht sein Urteil. Die Vermeidung einer solchen doppelten Umstellung sei in Anbetracht der besonderen Umstände ein vernünftiger Grund für die vorübergehende Fortsetzung der bisherigen Praxis.

Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) sprach sich erneut gegen das massenhafte Töten von männlichen Küken aus: "Das Kükentöten ist ethisch nicht vertretbar und muss so schnell wie möglich beendet werden", teilte Klöckner am Donnerstag mit. Sie betonte, dass der Verbraucher bereits heute die Wahl habe: Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) fördere die Aufzucht und Haltung männlicher Küken aus Legelinien; das Fleisch dieser "Bruderhähne" sei bereits auf dem Markt erhältlich.

Als "Durchbruch" wertet Klöckner das bereits unter ihrem Amtsvorgänger Christian Schmidt geförderte Forschungsprojekt "Seleggt" zur Geschlechtsbestimmung im Ei , bei dem weibliche Küken ausgebrütet würden und männliche nicht. Diese Methode werde bereits angewendet, sei auf dem Weg zur Serienreife und werde den Brütereien "bald flächendeckend zur Verfügung stehen", zeigte sich die Ministerin überzeugt. Alternativen zum Kükentöten stünden also bereit und müssten angewendet werden. Klöckner sieht Unternehmen und Verbände in der Pflicht, "bald tätig zu werden". Sie kündigte an, Wirtschaftsvertreter und Wissenschaftler "zeitnah" an einen Runden Tisch zusammenzubringen.

Deutlich kritischer werten die Tierschutzbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion, Susanne Mittag, und der agrarpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rainer Spiering, den Beitrag des BMEL zur Lösung des Problems: "Die Frage, die das Gericht zu klären hatte, war im Grunde, ob es bereits praxistaugliche Alternativen zur Kükentötung gibt. Offenbar sah das Gericht den aktuellen Stand als noch nicht ausreichend an", verkündeten Spiering und Mittag in einer gemeinsamen Pressemitteilung. "Das ist ein Armutszeugnis für die bisherigen Bemühungen des Bundeslandwirtschaftsministeriums, entsprechende Verfahren auf den Weg zu bringen, zumal selbstgesetzte Fristen immer wieder verschoben wurden", betonen die beiden Sozialdemokraten.

Tierschützer fordern sofortigen Stopp des Tötens

Heftige Kritik an dem Urteil aus Leipzig kommt von Martin Häusling, dem agrarpolitischen Sprecher der Grünen im Europaparlament: "Ich bedaure, dass das Gericht die wirtschaftlichen Interessen der Massentierhaltung über das Staatsziel Tierschutz stellt. Tiere sind keine Massenwaren, die nach Bedarf weggeworfen werden können", so Häusling. Auch Tierschutzverbände kritisieren das Urteil scharf: Die Organisation Vier Pfoten etwa fordert einen "sofortigen Stopp der massenhaften Kükentötungen".

Video

Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

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