Grüne Europagruppe Grüne EFA

04.09.21 Stuttgarter Nachrichten - von Bernhard Walker
 
Die EU-Kommission will den Einsatz von Antibiotika in der Tiermast lediglich reduzieren. Vielen geht der Vorschlag nicht weit genug.
Brüssel Seit Jahren machen sich die Weltgesundheitsorganisation (WHO), die Ärzteschaft und die Bundesregierung dafür stark, Antibiotika nur noch gezielt in der Human- und Tiermedizin einzusetzen. So soll verhindert werden, dass sich Resistenzen bilden und die Medikamente nicht mehr wirken.
Die EU-Kommission will den Einsatz von Antibiotika in der Tiermast mindern. Dem Europaparlament geht der Kommissionsvorschlag nicht weit genug. Wie ausgeprägt das Problem inzwischen ist, zeigen Daten des europäischen Netzwerks zur Überwachung von Resistenzen. Danach sterben in der EU jährlich etwa 33 000 Menschen, weil ihre Erkrankung nicht mit Antibiotika behandelt werden kann. Zuletzt gab es in Europa beim Menschen einen Jahresverbrauch von 4122 Tonnen, bei Nutztieren waren es 6558 Tonnen. Zwar setzen deutsche Tierärzte weniger dieser Mittel ein. Waren es 2011 noch 1706 Tonnen, ergab sich 2019 ein Wert von 670 Tonnen. Der Rückgang sieht aber besser aus, als er tatsächlich ist. Denn je Kilogramm Fleisch beträgt er nach Angaben der Europäischen Medizinagentur (Ema) 88 Milligramm, während es beispielsweise in Dänemark 38 Milligramm sind.
Lesen Sie aus unserem Angebot: Ist den Tieren noch zu helfen?
Ein Rückgang zeigt sich im landwirtschaftlichen Sektor bei den Reserveantibiotika – also bei Arzneien, die aus Sicht der WHO „höchste Priorität beim Menschen“ haben sollten und die Ärzte nur dann einsetzen, wenn kein anderes antibakterielles Mittel mehr hilft. Allerdings entfallen europaweit 14 Prozent der Antibiotika, die Tierärzte einsetzen, auf die Reservemedikamente. Und um vier dieser Mittel dreht sich nun der Streit zwischen der Kommission und dem Umweltausschuss des Parlaments.
Was die Kommission vorschlage, um weniger Reservemittel bei Geflügel oder Schweinen einzusetzen, sei zu schwach und nicht konkret genug, sagt der Grünen-Abgeordnete Martin Häusling. Der Plan unterscheide nicht zwischen Haustieren und Nutztieren und auch nicht danach, ob ein Tierarzt die Mittel zur Behandlung eines einzelnen kranken Tiers oder einer ganzen Gruppe einsetze.
Diese sogenannte Metaphylaxe ist ein gängiges Verfahren in Ställen, in denen die Tiere dicht gedrängt leben und Krankheitserreger leichtes Spiel haben: Sind nur wenige Tiere erkrankt, wird die ganze Gruppe behandelt – also auch gesunde Tiere. Und dieser breite, ungezielte Einsatz erhöht die Gefahr, dass sich Resistenzen bilden. Trotzdem sind Reserveantibiotika als Metaphylaxe ganz und gäbe. Das Mittel Colistin zum Beispiel wird zu 99 Prozent in dieser Form eingesetzt, zeigt eine Studie der Deutschen Umwelthilfe und der Gesellschaft für Ganzheitliche Tiermedizin.
Der Ausschuss schlägt vor, die Reservemittel aus dem Stall zu verbannen – und sie nur in Ausnahmefällen zur Behandlung eines einzelnen Tiers zuzulassen. Häusling betont, dass es nicht darum gehe, die Behandlung von Katzen oder Hunden unmöglich zu machen – eine Sorge des Bundesverbands praktizierender Tierärzte. Er hat eine Kampagne gegen den Beschluss des Ausschusses gestartet. Vielmehr gehe es um Fortschritte in der Nutztierhaltung. „Heute bekommt jede Pute einmal in ihrem kurzen Leben Antibiotika. Und das geht nicht“, sagt Häusling.
So sieht es auch der Tierarzt Andreas Striezel. Deutschland müsse von anderen Staaten lernen: „In Skandinavien und den Niederlanden gibt es kaum noch Reserveantibiotika in der Tiermast.“ Änderungen am Konzept der Kommission verlangt auch Frank Ulrich Montgomery, der Präsident des Weltärztebunds: „Die Kommission verpasst gerade eine riesige Chance – die Chance, Menschenleben zu retten und das Tierwohl zu verbessern.“

Schlagwörter:

Video

Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

Pressemitteilungen