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Die Fraktion der Grünen im Europäischen Parlament hat heute eine Studie herausgegeben, die die Verflechtung von Wissenschaft und Industrie in der Gentechnikforschung und -lobbyarbeit analysiert. Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen und Mitglied im Umwelt- und Gesundheitsausschuss des Europäischen Parlaments, kommentiert:

„Zu Recht werden politische Entscheidungen auch auf Basis neuster wissenschaftlicher Erkenntnisse getroffen. Was aber, wenn die WissenschaftlerInnen, nach deren wissenschaftlicher Empfehlung gehandelt wird, Eigeninteressen mit ihren Empfehlungen verfolgen, diese aber nicht explizit offenlegen? Beispiele für solche Eigeninteressen könnten Beteiligungen an Firmen oder Karrierechancen in diesen sein. Oder auch schlicht die Möglichkeit, später selbst von Gesetzesänderungen ökonomisch zu profitieren. Was ist neutrale und unabhängige Wissenschaft? In jedem Fall, so zeigt die Studie, braucht es dafür mehr Transparenz.

In der Studie werden wirtschaftliche Verbindungen zwischen WissenschaftlerInnen, die auch die drei wichtigsten Wissenschaftsorganisationen der EU zu Gentechnik beraten, und der Saatgutindustrie aufgezeigt: zahlreiche der vermeintlich unabhängigen WissenschaftlerInnen haben starke ökonomische Verbindungen zur Saatgutindustrie: Sie halten beispielsweise Patente oder Patentanmeldungen für Gentechnikprodukte. Diese Verflechtung von wissenschaftlicher Beratung und eigenem ökonomischen Interesse wird aber in den meisten Fällen nicht offen kommuniziert und wird auch nicht bei der Bewertung der Beratungsleistung und den daraus folgenden Empfehlungen berücksichtigt.

Die Einschätzung der Wissenschaft ist fundamental bei der Ausgestaltung der gesetzlichen Rahmenbedingungen.

Die Ergebnisse der Stude sind daher auch in Hinblick auf die fürs Frühjahr 2023 angekündigte Revision der EU-Gentechnikgesetzgebung brisant. Dabei steht viel auf dem Spiel. Je nach Bewertung ihres Risikos, könnten gewisse gentechnische Verfahren wie CrisprCas aus der bisherigen Gentechnikregulierung herausgenommen werden. Die Konsequenz wäre dann, dass die Pflanzen, die mit diesen Verfahren entwickelt worden sind, ohne Risikoprüfung und ohne Kennzeichnung auf den Markt kämen.

Deshalb ist es besonders perfide, wenn sich GentechnikforscherInnen, mit ökonomischen Interessen an Patenten zur neuen Gentechnik zu FürsprecherInnen für die Deregulierung machen. Die landwirtschaftliche Biotechnologie-Industrie, einschließlich großer Investoren in die neue Gentechnik - wie Corteva, Bayer und BASF - können so in der zweiten Reihe bleiben und ‚die Wissenschaft‘ in den Lobbykampagnen zur Deregulierung für sich sprechen lassen.

Befangene WissenschaftlerInnen sind keine guten RatgeberInnenn, wenn sie ihre materiellen Eigeninteressen nicht offenlegen. Wir brauchen dringend mehr Transparenz und unabhängige Forschung im Bereich der neuen Gentechnik.

Es kann nicht sein, dass wir von vielen WissenschaftlerInnen eher Werbebotschaften zur Anwendung der neuen Gentechnik hören und lesen, wir brauchen dringend neutrale Informationen zu Risiken und Nachweisverfahren. Die EU-Kommission muss um die Befangenheit vieler ForschungsvertreterInnen wissen und diese auch bei der Einbeziehung ihrer Stellungnahmen berücksichtigen, so wie es in anderen EU-Expertengremien ja auch üblich ist. Zudem müssen dringend nachweislich unabhängige WissenschaftlerInnen zum Zuge kommen können bei der Vergabe von öffentlichen und privaten Forschungsprojekten.“

Weitere Informationen:

Link zur Studie: http://extranet.greens-efa.eu/public/media/file/1/7922

Link zur Fraktionsseite zum Thema mit weiterem Hintergrundmaterial: https://www.greens-efa.eu/en/article/document/behind-the-smokescreen

Pressemitteilung von Martin Häusling zu Forschungsbedarf zu Risiken und Nachweisverfahren: https://martin-haeusling.eu/presse-medien/pressemitteilungen/2814-neue-gentechnik-mehr-forschung-in-risiken-und-nachweisverfahren-investieren.html

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