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Badische Zeitung - BRÜSSEL. Die Öko-Branche ist entnervt. Noch ist die letzte große Reform der EU-Öko-Verordnung von 2007 in den Mitgliedsstaaten nicht vollständig umgesetzt, da will die EU-Kommission schon wieder alles völlig neu regeln. Am Montag diskutierten die Landwirtschaftsminister über die Vorschläge, und dabei zeigte sich: Es gibt auch von dieser Seite viel Kritik am neuen Konzept.

Seit 1991 regelt eine EU-Verordnung, wie Lebensmittel erzeugt und verarbeitet werden müssen, damit sie sich "biologisch" nennen dürfen und wie die Regeln überwacht werden. Die Nachfrage nach Bioprodukten steigt stetig – seit der letzten Reform 2007 hat sich der Absatz vervierfacht. Deshalb hielt die EU-Kommission eine Runderneuerung des Gesetzes für nötig. Nach Ansicht des BÖLW, des Dachverbands der deutschen Bioproduzenten, würde die neue Verordnung in der jetzt geplanten Form mit zahlreichen angehängten Durchführungsbestimmungen die Mitsprachemöglichkeiten des EU-Parlaments aber stark einschränken. Alles würde zentral von Brüssel aus geregelt – auch die Landwirtschaftsminister hätten dann keine Möglichkeit mehr, wie bisher regional unterschiedlichen Anbaubedingungen Rechnung zu tragen und Grenzwerte und Vorschriften entsprechend anzupassen.

Aufgeschreckt hat die Branche, dass laut Kommissionsentwurf Bio-Lebensmittel künftig deutlich strengere Schwellenwerte für Rückstände und Verunreinigungen einhalten müssen als herkömmliche Produkte. Richtschnur sollen die Grenzwerte sein, die für Babykost gelten. Das wäre das Aus für den Öko-Landbau, glaubt Martin Häusling, selbst Biobauer und grüner Europaabgeordneter.

"Wenn wir Grenzwerte aus gesundheitlichen Gründen haben, dann müssen sie für alle gelten. Sonst würde man die ökologischen Landwirte mit verantwortlich machen für die Pestizide der Nachbarbetriebe", sagte er der Badischen Zeitung. Da Biobauern Feld an Feld mit konventionellen Erzeugern produzieren, die großzügig Kunstdünger und Pestizide über ihre Felder streuen dürfen, sind auch in hundert Prozent organisch hergestellten Lebensmitteln entsprechende Rückstände unvermeidbar.

Für unrealistisch hält er auch die Forderung, dass Biobauern nur noch ökologisch erzeugtes Saatgut und Tiere aus ökologischer Haltung verwenden dürfen. "Das ist gut gemeint, aber nicht praktikabel. Wir haben in Westeuropa zwanzig Jahre gebraucht, um die Produktion von ökologischem Saatgut aufzubauen. Unsere Nachbarn in Osteuropa sind einfach noch nicht so weit."

Wie der Dachverband BÖLW sieht auch Häusling Nachbesserungsbedarf an der Verordnung von 2007. So müsse zum Beispiel die Kontrolle verbessert und vereinheitlicht werden. Heute gebe es in den 28 Mitgliedsstaaten 62 Kontrollstellen, die nach ganz unterschiedlichen Maßstäben arbeiteten. Letzten Sommer flog in Italien ein Fälscherring auf, der über mehrere Jahre Futtermittel, Getreide und Sonnenblumenkernen aus Osteuropa und Indien mit gefälschten Biozertifikaten in die EU eingeführt hatte. Die Produkte waren mit genveränderten Organismen verunreinigt und hätten nicht einmal als konventionelle Ware in der EU verkauft werden dürfen.

Die EU-Kommission schlägt im neuen Gesetz vor, die Kontrolle der Bioprodukte nicht mehr im Rahmen der Ökoverordnung, sondern in der normalen Lebensmittelkontrolle zu regeln. Häusling findet die entsprechenden neuen Vorschriften unklar und schwammig. Und die Sprecherin des Dachverbands BÖLW fragt: "Warum macht die Kommission das? Der Entwurf stammt ja noch aus der Feder des letzten Landwirtschaftskommissars Ciolos. Sein Nachfolger Phil Hogan hätte die Chance gehabt, das Projekt zurückzuziehen. Doch statt auf Bewährtes aufzubauen, will er einen völlig neuen Look für das Gesetz. Der Diskussionsprozess kostet alle Beteiligten viel Energie und schafft große Unsicherheit bei den Bioerzeugern."

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