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Euractiv - Immer mehr Europäer wollen Bioerzeugnisse. Doch während die Nachfrage nach nachhaltig erzeugten Lebensmitteln und Tierprodukten aus artgerechter Haltung wächst, hinkt das Angebot hinterher. Eine Gesetzesnovelle der EU könnte diese Kluft zukünftig noch vergrößern, warnen zahlreiche Kritiker.

Ökoprodukte boomen. Nicht nur in Deutschland, dem Pionier in Sachen Bio-Anbau, wächst seit Jahren die Nachfrage nach ökologisch erzeugten Lebensmitteln. Auch im Rest Europas vervierfachte sich der Markt in den vergangenen zehn Jahren.

Laut Zahlen der EU werden EU-weit mittlerweile immerhin rund 5,5 Prozent der gesamten Landwirtschaftsflächen für Ökolandbau genutzt. Das Angebot an Öko-Produkten aber kommt der Nachfrage seit Jahren nicht mehr hinterher. Denn Ökobetriebe haben viel mehr Aufwand als konventionelle Produzenten. Gleichzeitig sind die Erträge geringer und schwanken stärker.

Dieses Paradoxon könnte sich nun noch verstärken, warnen Kritiker. Einige sagen gar einen Rückwärtstrend beim Ökolandbau durch zu strenge EU-Regulierungen voraus. Denn kaum hatte die neue Kommission von Jean-Claude Juncker in Brüssel übernommen, kündigte der neue Agrarkommissar Phil Hogan an, die EU-Öko-Verordnung zu überarbeiten.

Mittlerweile hat die Kommission  die Novelle vorgelegt. Das Regelwerk, das voraussichtlich 2017 in Kraft treten soll, sieht strengere Regeln für die Produktion und Einfuhr von Bio-Produkten vor - und könnte damit die Umstellung von Bauern auf Ökolandbau erschweren oder sogar zu einer Rückkehr vieler Produzenten in die konventionelle Landwirtschaft führen.

Mehr Forschung statt stärkerer Regulierung

In Deutschland ist der Unwille darum groß. Bereits im Oktober des vergangenen Jahres hatten sich im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft des Bundestages alle Fraktionen klar gegen eine Totalrevision der EU-Öko-Verordnung ausgesprochen. Der Ökolandbau gehe europaweit ohnehin schon zu langsam voran, beklagen die Kritiker. Die Entwicklungschancen dürften nicht noch durch überzogene rechtliche Hürden behindert werden.

Noch aber ist nicht das letzte Wort gesprochen, denn EU-Rat und -Parlament müssen sich erst zu der Novelle äußern. "Der EU-Rat hat bereits Änderungsvorschäge vorgelegt", beruhigt Felix Bloch von der Generaldirektion Landwirtschaft in der EU-Kommission. Und auch Hogan habe unterdessen eingesehen, dass einige Forderungen der Kommission zu hoch gegriffen waren.

Der neue Vorschlag verspricht, die Vorschriften für die Bioproduktion klarer zu gestalten - durch die Aufhebung verschiedener Sonderregelungen und Ausnahmen, das Verbot des Nebeneinander von ökologischer und herkömmlicher Landwirtschaft am gleichen Ort und stärkere Kontrollen von importierten Bioerzeugnissen. So sollen die durch Betrugsskandale und die Flut von Bio-Siegeln verunsicherten Verbraucher ihr Vertrauen in Öko zurückgewinnen.

"Es herrscht ein wahrer Wettstreit zwischen immer neuen Öko-Labels und Nachhaltigkeits-Kennzeichungen", sagt Urs Niggli vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau. Gleichzeitig, so warnt er, sei bald eine Stagnation beim Ökolandbau zu erwarten. Um das Ertragsniveau, das bei 50 bis 90 Prozent vom konventionellen Anbau liege, zu erhöhen, seien wesentlich mehr Innovationen bei Düngung und Züchtung von widerstandsfähigen Arten nötig.

Kaum Investitionen in ein ehrgeiziges Ziel

Nach Angaben des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) wurden 2013 in Deutschland 6,4 Prozent der gesamten landwirtschaftlich genutzten Fläche nach den Prinzipien des Ökologischen Landbaus bewirtschaftet. Die Bundesregierung strebt jedoch ein wesentlich größeres, noch von der früheren Landwirtschaftsministerin Renate Künast formuliertes Ziel an: 20 Prozent der gesamten landwirtschaftlich genutzten Fläche sollten ökologisch bebaut werden.

Spürbar ist das Ziel kaum. Weniger als ein Prozent der Wissenschaftsmittel investiere Deutschland in die Forschung für Lösungen im Bio-Anbau, sagt Niggli. Ebenso hatte bereits der Bundestag kritisiert, die Bundesregierung habe zwar öffentlich bekundet, den Ökolandbau unterstützen zu wollen. Allerdingssehe der Haushalt für das Jahr 2015 keinerlei zusätzliche Maßnahmen zur Stärkung des Ökolandbaus vor.

"Das Ziel von 20 Prozent kann niemals in absehbarer Zeit erreicht werden, wenn unklar bleibt, wie die EU-Novelle aussieht", beklagt Clemens Neumann vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Die Bauern, fordert er, bräuchten Planungssicherheit und mehr Prämien für die Umstellung in Ökolandbau.

Ökoprodukte sollen keine Premium-Waren sein

Auch Martin Häusling, Agrarpolitiker der Grünen-Fraktion im EU-Parlament und federführend bei der bis März angesetzten Überarbeitung der Öko-Novelle durch das Parlament, warnt: "Der Vorschlag der Kommission würde den Ökolandbau zu einem Edelprojekt machen. Dabei ist die entscheidende Frage, wie die Bio-Branche raus aus der Nische kommt." Stattdessen, so Häusling, würden Bio-Produkte von weither eingeführt, deren Biogüte nur schwer überprüfbar sei.

Dennoch sollte eine genaue Kontrolle sowohl deutscher Betriebe als auch importierter Produkte aufrecht erhalten bleiben, rät Häusling. Die immer wieder geäußerten Forderungen nach einer Brüsseler Agentur zur Untersuchung von Betrugsfällen betrachtet er trotzdem vorsichtig. "Dafür müsste Brüssel ein eigenes Ökokontroll-Kompetenzteam haben. Ohne echte Experten könnten es sonst nur zur Kontrolle der Kontrolle kommen."

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Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

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