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Deuschtlandfunk Deuschtlandfunk - Von Annette Riedel (direkt zum Radiobeitrag)

Die EU-Staaten dürfen den Anbau von genmanipulierten Pflanzen künftig leichter als bisher verbieten - das hat das Europaparlament beschlossen. Länder dürfen nun auf ihrem Territorium Anbauverbote auch gegen EU-weit zugelassene Pflanzen erlassen. Kritiker fürchten allerdings, dass diese Regelung unter dem Strich für mehr Genpflanzen sorgen könnte.

Mit der neuen Richtlinie zum Anbau von genveränderten Organismen - kurz GVO -  bekommen die EU-Länder mehr Entscheidungsfreiheit. Sie können nach Inkrafttreten der neuen Richtlinie national entscheiden, den Anbau einzelner genmanipulierter Pflanzen oder auch Gruppen solcher Pflanzen - wie Mais, Soja, Baumwolle zum Beispiel - auf ihrem Hoheitsgebiet aus bestimmten Gründen zu verbieten, selbst wenn diese EU-weit von der zuständigen Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit als risikolos eingestuft und zugelassen sind oder noch zugelassen werden. "Bestimmte Gründe" können sein: dass eine Gefährdung anderer Pflanzenarten durch die genveränderten Pflanzen gesehen wird, aber auch mangelnde gesellschaftliche Akzeptanz für Genpflanzen.
Gentechnik-freie Inseln in Europa

Die ist beispielsweise in Deutschland sehr eindeutig mangelnd: 84 Prozent wollen nicht, dass gentechnisch verändertes Saatgut auf die Felder kommt. Ähnlich ist es in Österreich. Die österreichische christdemokratische Abgeordnete Elisabeth Köstinger sieht die neue Richtlinie so:

"Aus Sicht der EVP sehr positiv, weil wir sehr hart daran gearbeitet haben, wirklich eine Rechtssicherheit für diejenigen Staaten zu bekommen, die Gen-Technik auf ihren Feldern nicht anbauen wollen. Ich stamme ja aus Österreich und Österreich ist grundsätzlich gentechnikfrei; wir wollen keine Gentechnik, auch nicht in den einzelnen Regionen. Deswegen war's natürlich ein riesengroßer Erfolg, dass wir das geschafft haben."

EU-weit werden derzeit nur eine Sorte Genmais und eine Kartoffelsorte angebaut - beides nicht für den Verzehr gedacht. 2014 wurde in lediglich 5 von 28 Ländern, vor allem in Spanien, genmanipuliertes Saatgut in die Erde gebracht, auf nur 0,1 Prozent der Ackerflächen. Kritiker der neuen Richtlinie, wie der grüne Europaabgeordnete Martin Häusling, befürchten, dass jetzt durch die Hintertür letztlich mehr Genpflanzen auf europäischen Feldern wachsen könnten.

"Dann werden die Mitgliedsstaaten am Ende sagen: Dann stimmen wir den Zulassungen in Brüssel zu - wir wissen ja, dass wir den Anbau dann zuhause verbieten können. Und es stehen noch etliche Pflanzen auf der Liste der Zulassungen."

Pflanzen, die in der EU leichter zugelassen werden könnten, weil den bis dato ziemlich erfolgreichen Gentechnik-Gegnern in Brüssel der Wind aus den Segeln genommen sein dürfte, wenn die letzte Entscheidung ja auf nationaler Ebene gefällt werden wird.
Ein europäischer Flickenteppich

Zudem bemängeln die Grünen, die gegen die neue Richtlinie im EU-Parlament stimmen, dass es beim Anbau oder Nicht-Anbau von genveränderten Organismen in Europa zu einem unübersichtlichen und letztlich unkontrollierbaren Flickenteppich kommen wird.

"Die Situation von Deutschland wird dann so sein, dass vielleicht Tschechien dann anbaut, die Holländer anbauen, die Spanier noch mehr und die Portugiesen - das sind die Länder, die sich auf jeden Fall positiv gestellt haben zur Gentechnik. Dann ist die Frage, wie wir Kontrolle gewährleisten wollen, in einem Binnenmarkt, der ja keine Grenzen mehr kennt und wie wir sicherstellen, dass dann keine Ware über die Grenzen kommt, die gentechnisch belastet ist."

Das EU-Parlament hätte außerdem gern eine Haftung für die Unternehmen im Falle von Beeinträchtigungen "normaler" Pflanzen durch gentechnisch veränderte in die Richtlinie hineingeschrieben, konnte sich damit aber letztlich nicht durchsetzen.

"Wir haben uns darauf geeinigt, dass es eine Berichtspflicht der Staaten gibt, die Gentechnik anbauen und die Kommission wird das evaluieren."

Unberührt von der neuen Gesetzgebung bleiben die Importe von rund 50 Pflanzenarten, die genmanipuliert sind, aus dem Ausland in die EU.

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Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

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