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Waldecksche Landeszeitung 16.01.2015 - Transatlantisches Freihandelsabkommen mit Auswirkungen bis nach Waldeck-Frankenberg
Vier Buchstaben, die es in sich haben: TTIP. Selten war ein internationaler Vertrag so umstritten wie das geplante Freihandelsabkommen zwischen EU und USA. Der Vertrag könnte sich als Rammbock für genmanipulierte Lebensmittel und Hormonfleisch in Europa erweisen. Von Marianne DäMMer

 Waldeck-Frankenberg.
Bislang haben Verbraucher in Europa die Möglichkeit zu wählen, ob sie genmanipulierte Lebensmittel kaufen möchten oder nicht. Wird das Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten verabschiedet, dürfte es mit der Wahlfreiheit ein Ende haben. Das jedenfalls fürchtet Fritz Schäfer aus Basdorf. „Die Bedeutung regionaler Produkte wird verloren gehen und der Verbraucher wird nicht mehr wählen können. Das ist Ziel des Abkommens“, sagt der Kreislandwirt und Dezernent für Verbraucherschutz und Direktvermarktung in Waldeck-Frankenberg auf Nachfrage der WLZFZ. Er steht mit diesen Bedenken nicht allein.
 TTIP heißt die Kurzform des Vertrags, der umstritten ist wie kaum ein anderer. Hinter diesen Buchstaben verbirgt sich die Transatlantic Trade and Investment Partnership, auf Deutsch: Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft. Seit 2013 verhandeln die US-Regierung und die Generaldirektion Handel der EU-Kommission das Abkommen, das einen riesigen transatlantischen Markt schaffen soll, auf dem Waren und Dienstleistungen leichter verkauft werden können. So soll die Vorherrschaft von USA und Europa als „Global Player“ festgezurrt werden. Seit fünf Jahren wird zwischen der EU-Kommission und Kanada ein ähnliches Abkommen verhandelt: Ceta (siehe Stichwort) gilt als Prototyp für TTIP.

 Angleichung von Standards
 Die Verhandlungspartner argumentieren, dass durch TTIP mehr Wirtschaftskraft und mehr Arbeitsplätze geschaffen würden. Erreicht werden soll das durch den Wegfall von Zöllen, vor allem aber einem Abbau von Bürokratie, von „nicht tarifären Handelshemmnissen“ und der „Harmonisierung von Regulierungsstandards“.
 Genau in dieser „Harmonisierung von Standards“ sehen Kritiker ein großes Problem. Verbraucherschützer schlagen Alarm, seit einige der verhandelten Punkte ans Licht der Öffentlichkeit kamen. Die Verhandlungen zwischen den beiden Parteien fanden bislang stets hinter verschlossenen Türen statt. Auch die Vorgespräche seit 2011 liefen geheim.
 Erst nachdem durchsickerte, dass die Unterhändler bei den Vorgesprächen 119 Mal Lobbyisten von Großkonzernen und nur elf Mal Verbraucherverbände konsultiert hatten, und immer mehr Kritik über die Intransparenz laut wurde, entschied die EU-Kommission sich für mehr Öffentlichkeitsarbeit: Vor einer Woche, am 7. Januar 2015, veröffentlichte sie erstmals konkrete Textvorschläge für das TTIP-Abkommen.
 Die Vorschläge in technisch kompliziertem Englisch sind im Internet zugänglich (Stichwort). Dazu veröffentlichte die EU auch einige leichter lesbare Positionspapiere zu verschiedenen Themen, darunter auch dem besonders umstrittenen Thema Investorenschutz und internationalen Schiedsgerichte (siehe Bericht unten). Nicht veröffentlicht wurden allerdings die Verhandlungstexte. Auch die amerikanischen Forderungen bleiben nach wie vor geheim.

 Streitpunkte übrig
 Nun helfen auch die veröffentlichten Texte zu Themen wie Wettbewerb, Nahrungsmittelsicherheit, Tier- und Pflanzenschutz, Zollfragen, technischen Handelshemmnissen und Schlichtungsverfahren nicht weiter: Oft nur auf einer Seite wird jeweils der Überblick über die Themen des Abkommens gegeben. Darauf werden „Bedenken“ erwähnt und dann auch gleich die Antwort der EU-Unterhändler dazu gegeben. Und ihre Antwort auf die Bedenken? Die EU werde sich nicht auf eine Verminderung von Sicherheitsstandards einlassen, heißt es da schlicht. Oder: Im Moment sehen wir in dieser Frage kein sensibles Problem. Oder: Dieser Punkt wird nicht Teil der Verhandlungen sein. Oder: TTIP werde keinen Effekt auf bestehende EU-Gesetze haben.
 Doch das ist nicht plausibel: Denn alles, was zwischen der EU und der US-Regierung für einen fließenden Handel ohne große Widerstände verhandelt werden konnte, ist längst in früheren Abkommen geregelt worden. Was bleibt, sind die strittigen Fragen – sie sollen in TTIP verhandelt werden.
 Angesichts der spärlichen Informationen über den Stand der Verhandlungen bleibt nur, die bestehenden Standards in Amerika und Europa zu vergleichen, um annähernd absehen zu können, was sich für die Europäer durch das Freihandelsabkommen ändern könnte. Denn Ziel des Abkommens ist es, Regeln und Standards anzugleichen, und es ist zu befürchten, dass diese Angleichung zu Lasten der teilweise höheren EU-Standards geht: „Bei solchen Verträgen sind noch nie die Standards erhöht worden. Es war immer ein Run nach unten“, erklärt Martin Häusling auf Anfrage der WLZFZ. Der Agrartechniker aus Oberurff bei Bad Zwesten gehört seit 2009 der Fraktion Grüne/ EFA im Europäischen Parlament an, ist agrarpolitischer Sprecher und setzt sich rund um TTIP für mehr Transparenz und politische Diskussion ein.
 Allein bei der Zulassung neuer chemischer Stoffe (siehe „Umkehr der Beweispflicht“) und in der Landwirtschaft sind die Standards in der Europäischen Union zum Teil deutlich höher als in Amerika. So ist es in den USA gängige Praxis, Nutztiere wie Rinder zur Masthilfe mit Wachstumshormonen zu behandeln. Außerdem wird dort Schlachtgeflügel mit Chlor desinfiziert. Beides ist in Deutschland verboten. Und schließlich sind laut US-Wirtschaftsmagazin „Forbes“ in den USA mehr als 90 Prozent der Mais-, Soja-, Baumwoll- und Zuckerrübenernte genmanipuliert.
 Zwar werden genmanipulierter Mais oder Soja als Futtermittel längst in die EU eingeführt, aber sie landen kaum direkt auf deutschen Tellern. Dann müssten die Hersteller auf den Verpackungen darauf hinweisen, dass sie genmanipulierte Inhaltsstoffe verwenden – die sind aber vor allem deutschen Verbrauchern kaum zu verkaufen.
 Diese Kennzeichnungspflicht ist der US-Regierung, die sich für ihre Landwirtschaftsprodukte einen großen Absatzmarkt in Europa erhofft, ein Dorn im Auge. Häusling erklärt: „Die Zurückhaltung der Verbraucher vor gentechnisch veränderten Lebensmitteln ist nur durch fehlende Kennzeichnung zu zerstören. Darauf werden die Amerikaner bestehen – sonst werden sie ihre Produkte nicht los. Kennzeichnung – auch die Kennzeichnung regionaler Produkte – sehen die Amerikaner daher als Handelshemmnis und als einen Akt, die Produkte der USA zu diskreditieren – nicht als Verbraucherschutz.“

 Klagen und Verlierer
 Würde die EU nach Abschluss des Freihandelsvertrags dennoch eine Kennzeichnungspflicht auf Lebensmittel schaffen, die genmanipuliert sind, bestünde das Risiko, von den USA verklagt zu werden, spricht Häusling einen weiteren kritischen Teil des Abkommens an: den Investorenschutz (siehe Artikel unten). Für Häusling ist klar, dass die Chancen der europäischen Landwirtschaft, mit der großtechnischen US-Landwirtschaft zu konkurrieren, schlecht sind und die Verhandlungen zurück in den politischen Diskurs müssen. Es sei „ein Skandal, dass die Abgeordneten an der Diskussion nicht teilhaben dürfen“.
 Christdemokrat Fritz Schäfer fürchtet, „durch die Gentechnik werden wir ein Riesenproblem in unseren Dörfern bekommen zwischen Landwirten, die konventionell und biologisch anbauen. Es wird Ärger mit den Bienenzüchtern geben. Ich lehne das radikal ab. Für die Landwirte und Verbraucher bringt das Abkommen mehr Nachteile – wir sind nicht die Gewinn.

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Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

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