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euractiv - Anstatt die Verhandlungen zum transatlantischen Freihandelsabkommen zu torpedieren, sollten sich die Gegner lieber aktiv daran beteiligen, meint Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel.

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel warnt Linke und Globalisierungskritiker davor, das geplante transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP) von vorneherein zu bekämpfen. Wer sich Verhandlungen mit den USA verweigere, der werde keinen Einfluss auf den Fortgang der Globalisierung ausüben können, erklärt der Minister am Montagvormittag (5. Mai) bei einer Veranstaltung im Bundeswirtschaftsministerium. Stattdessen sollten die Zivilgesellschaft, NGOs und auch die nationalen Parlamente ihre Positionen aktiv in den Dialog einbringen und das Abkommen mitprägen.

Ebenfalls zu Gast beim "Dialogforum zur Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft" waren US-Chefunterhändler Michael Froman und EU-Handelskommissar Karel De Gucht. An Gabriels Seite warben sie für TTIP und betonten die Chancen, die das Abkommen ihrer Meinung nach für Unternehmen, Arbeitnehmer und Verbraucher bieten werde. Bereits heute hingen mehr als 13 Millionen Jobs vom transatlantischen Handel ab. Von gemeinsamen Standards profitierten insbesondere Kleine und Mittlere Unternehmen (KMUs) – auch in Deutschland. TTIP sei deshalb "simply nescessary", so Froman.

Bedenken gegenüber dem Freihandelsabkommen trat Gabriel entgegen: Die Verhandlungen fänden nicht im Luftleeren Raum statt, sondern im  "Kontext der Spielregeln der Weltwirtschaft". TTIP böte die einmalige Gelegenheit, gemeinsam mit den USA international hohe Standards in allen Bereichen zu setzen. Die USA seien das "Mutterland des Kapitalismus" – was die EU gemeinsam mit ihnen aushandele, könnte weltweit zum Standard werden. Kommissar De Gucht teilt diese Einschätzung: Zwar gebe die Welthandelsorganisation (WTO) bereits heute internationale Standards für den Handel vor, deren Weiterentwicklung im Konsens der 160 Mitglieder sei jedoch langwierig und mühselig. Wenn die USA und die EU gemeinsam höhere Standards vereinbarten, würden sie damit Fakten schaffen und könnten ihre Interessen danach auch im Rahmen der WTO einfacher durchsetzen. Bereits im Vorfeld sprach Froman vom "riesigen Potenzial", welches TTIP böte. "Mit einem Freihandelsabkommen könnten wir Standards setzen, gegenüber Drittländern und der ganzen Welt: bei Arbeitnehmerrechten, Umweltstandards oder dem Schutz des geistigen Eigentums. Bei all dem geht es um die Schaffung von Arbeitsplätzen, die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit, das Voranbringen von Innovationen."

Kritiker wie der Europaabgeordnete der Grünen Martin Häusling halten diese Argumentation dagegen für blauäugig und einen "gefährlichen Irrglauben". Denn die Konzerne wollten die Gunst der Stunde nutzen, um im Windschatten der Verhandlungen wichtige Umwelt- und Verbraucherstandards herabzusetzen, so Häusling bereits vor dem Treffen. Es sei "zynisch", angesichts der eindeutigen Interessenslagen von Chancen durch TTIP zu sprechen. Die Sozialdemokraten gingen den Argumenten der US-Handelsvertreter auf den Leim, denen es nicht um die in Europa gewohnten hohen Standards ginge, sondern um die Angleichungen der hiesigen Standards an den jeweiligen US-Level.

Besonders misstrauisch sind die TTIP-Gegner gegenüber zusätzlichen Investitionsschutzabkommen. Sie fürchten, dass dadurch einmal festgeschriebene Verbraucher- und Umweltschutzstandards perpetuiert würden. Beschlössen die EU oder einzelne Mitgliedsstaaten dann im Nachhinein strengere Standards, könnten US-amerikanische Unternehmen gegen sie klagen, so die Befürchtung. Bundesminister Gabriel beteuerte deshalb, es werde keine zusätzlichen Investitionsschutzabkommen geben. Diese seien zwischen zwei "vollentwickelten Demokratien"  ohnehin völlig überflüssig.

Bisher fanden insgesamt vier TTIP-Verhandlungsrunden statt. Die Tatsache, dass die Gespräche unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden, sorgte in der Vergangenheit für heftige Kritik. Im März sorgten die Grünen für Aufregung, als sie ein geheimes Verhandlungsdokument veröffentlichten. Die Teilnehmer des heutigen Diskussionsforums beteuerten deshalb, für mehr Transparenz bei den Verhandlungen sorgen zu wollen. "In Demokratien kann und darf es keine Geheimverhandlungen geben", sagte Gabriel. De Gucht ist überzeugt, das Endergebnis der Verhandlungen werde "voll demokratisch" sein. Außerdem gelte nach wie vor das demokratische Grundprinzip der "Reversibilität von Entscheidungen", erinnerte Gabriel, und diese dürften durch kein Abkommen außer Kraft gesetzt werden.

EU-Parlamentspräsident Martin Schulz hält das geplante Freihandelsabkommen ebenfalls für "sinnvoll". Sollte er nach der Europawahl zum nächsten EU-Kommissionspräsident erkoren werden, wolle er TTIP zur Chefsache machen, erklärte er zuvor bei einer Pressekonferenz an der Seite Gabriels. "TTIP darf Sozialstandards, Datenschutzregeln und Umweltschutz nicht unterminieren", so Schulz. Unter seiner Leitung soll der nächsten Kommission eine Beratergruppe bestehend aus relevanten zivilgesellschaftlichen Gruppen, Experten und Gewerkschaften zur Seite stehen. "Wer vertrauen gewinnen will, muss die Inhalte der Verhandlungen öffentlich machen."

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Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

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