Grüne Europagruppe Grüne EFA

in der Stuttgarter Zeitung von Christopher Ziedler, 12.02.2014

Brüssel - Für die Kritiker ist es ein großer Erfolg: Bis heute haben eine Viertelmillion Menschen über das Kampagnenportal Campact einen Aufruf gegen die geplante EU-Saatgutverordnung unterzeichnet. „Alte und regionale Obst- und Gemüsesorten hätten kaum noch eine Chance – ganz im Gegensatz zu Industriesorten von Monsanto, Syngenta & Co.“, heißt es darin. Mit ihrem Vorschlag, der zwölf bestehende Richtlinien auf diesem Gebiet zu einer unmittelbar geltenden Verordnung zusammenfasst, wolle die EU-Kommission dem „Einheitssaatgut weiter den Weg ebnen“.

Aufwendige Registrierung

Ursache hierfür sei vor allem die aufwendige Registrierungspflicht für die auf dem Binnenmarkt zugelassenen Sorten, die große Konzerne weitaus einfacher erfüllen können als kleine Züchter.Die Argumente haben nun Gehör gefunden. Am Dienstag lehnte der Agrarausschuss die Gesetzesinitiative der Brüsseler Behörde ab. Deren Begründung klingt dabei ganz danach, als habe man die wütenden Protestaufrufe genau gelesen. „Wir teilen die Befürchtung, dass mit der neuen Verordnung alte Saatgutarten nicht mehr zugelassen werden könnten und unsere bäuerliche Landwirtschaft sie nicht mehr nutzen kann“, hieß es aus der CDU-Gruppe im Europaparlament. Die SPD-Abgeordnete Ulrike Rodust nannte die ursprüngliche Intention des Gesetzes, den Wust an Regelungen zusammenzuführen, „in Ordnung“, doch herausgesprungen seien im Ergebnis „nur Vorteile für große Konzerne“. Sie nennt jedoch auch einige formale Gründe für die Zurückweisung. So wolle die EU-Kommission viele Details erst später über sogenannte delegierte Rechtsakte klären, für die es nur der Zustimmung der Experten in den nationalen Regierungen bedarf, nicht aber der des Europaparlaments. „Das ist eine Blackbox“, sagt Rodust, „das ist uns zu riskant.“

Die EU-Kommission hat nun drei Möglichkeiten. Sie kann den Vorschlag ganz zurückziehen, was allerdings nur sehr selten vorkommt. Sie kann ihn auch unverändert auf dem Tisch lassen und auf eine neue Position eines neu zusammengesetzten Parlaments hoffen. Oder sie legt einen abgeänderten Gesetzentwurf vor.

Darauf setzt der Grüne Martin Häusling – alles andere „wäre eine Provokation“. In einer Resolution, die am Dienstag ebenfalls abgestimmt wurde, werden der EU-Kommission für die Überarbeitung Vorgaben gemacht. So soll die auch im aktuellen Text bereits enthaltene Nischenregelung für kleine Züchter und alte Sorten deutlich ausgeweitet werden. „Die Erhaltungszucht und die ökologische Saatzucht müssen anders behandelt werden.“

Schlechte Chancen für neuen Vorstoß

Die Bundesregierung wiederum glaubt nicht, dass nach dem Votum des EU-Parlaments noch einmal Schwung in die Sache kommt. „Es könnte sein“, sagt ein EU-Diplomat, „dass die Saatgutverordnung sich nun versendet und gesetzgeberisch in der Sackgasse landet.“ Einzig Andreas Riekeberg von der „Kampagne für Saatgut-Souveränität“ mag dem Frieden nicht recht trauen. Er nennt das Nein des Parlaments zwar einen „Befreiungsschlag“, befürchtet aber, dass nach der Europawahl ein neuer Vorschlag mit minimalen Änderungen auf dem Tisch liegen könnte. Dann müssten die Gegner wohl von Neuem mobilmachen.

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Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

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