Grüne Europagruppe Grüne EFA

24.10.13 TAZ
Deutschland hat EU-weit fast die höchsten Nitratwerte im Grundwasser. Ursache sind vor allem Massentierhaltung und der Maisanbau für Biogas.

BERLIN taz | Das Grundwasser ist in Deutschland stärker mit Nitrat belastet als in fast allen anderen EU-Ländern: An rund 50 Prozent der Messstationen überschritt der Nitratgehalt den geltenden Grenzwert von 50 Milligramm pro Liter – nur der Inselstaat Malta hat noch schlechtere Werte. Das zeigt der jüngste Bericht der EU-Kommission zur Umsetzung der sogenannten Nitratrichtlinie. Mit der 1991 verabschiedeten Richtlinie sollen europäische Gewässer vor Nitratverunreinigungen aus der Landwirtschaft geschützt werden.


 Wenn Nitrate über das Grundwasser ins Trinkwasser gelangen, kann das gesundheitliche Folgen haben. Bei Säuglingen kann eine zu hohe Nitrataufnahme zu Blausucht und zum Ersticken führen. Bei Erwachsenen können Nitrate das Krebsrisiko erhöhen. Zudem ist Nitrat neben Phosphat hauptverantwortlich für die Überdüngung von Gewässern, die zu exzessivem Unkraut- und Algenwuchs führt, etwa in Nord- und Ostsee.
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 Nach Angaben des Bundesumweltministeriums wird der Nitratgehalt allerdings vor allem an stark belasteten Standorten ermittelt. Das Ministerium geht davon aus, dass insgesamt rund 90 Prozent des Grundwassers und 95 Prozent des Trinkwassers in Deutschland den Grenzwert von 50 Milligramm Nitrat pro Liter einhalten.

 Bereits seit Anfang der 80er Jahre untersucht der Verein VSR-Gewässerschutz, ein Zusammenschluss verschiedener Bürgerinitiativen, Brunnen im Bundesgebiet auf ihren Nitratgehalt und stellt immer wieder Überschreitungen fest, wie etwa im Sommer im Raum Bernau. Dort wiesen die Aktivisten in einem privat genutzten Brunnen einen Nitratgehalt von 181 Milligramm pro Liter Wasser nach.
Zunahme an jeder zweiten Messstelle

 Verursacht werden die hohen Konzentrationen durch Überschüsse an Stickstoff aus Dünger, Gülle und Gärresten von Biogasanlagen. Was der Boden nicht mehr aufnehmen kann, gelangt als Nitrat und Phosphat in Flüsse, Seen und Grundwasser. So registrierte in Regionen mit intensiver landwirtschaftlicher Bodennutzung knapp jede zweite Messstelle eine Zunahme der Nitratwerte, heißt es im aktuellen Nitratbericht des Bundesministeriums für Umwelt und für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV).

 Umweltschützer fordern Konsequenzen aus dem Bericht. „Die unheilige Allianz aus Maisanbau, Biogasanlagen und intensiver Tierhaltung hat das Fass zum Überlaufen gebracht“, sagt Florian Schöne, Agrarreferent der Umweltorganisation Nabu. Der agrarpolitische Sprecher der Grünen im Europaparlament, Martin Häusling, meint: „Es ist erschreckend, wie in Deutschland die exportorientierte Fleischproduktion die Ressourcen künftiger Generationen verschmutzt.“ Deutschland müsse „weg von der Idee, die Welt mit Fleisch ernähren zu wollen“.

 Um den Nitratgehalt im Wasser zu verringern, wollte Deutschland bis 2010 den Stickstoffüberschuss auf 80 Kilogramm Stickstoff pro Jahr und Hektar landwirtschaftlich genutzte Fläche verringern. Im Zeitraum 2009 bis 2011 lag er jedoch noch immer bei 97 Kilogramm. Die Einhaltung sei „noch lange nicht in Sicht“, heißt es in einer Stellungnahme der Wissenschaftlichen Beiräte für Agrarpolitik und Düngungsfragen sowie des Sachverständigenrats für Umweltfragen.

 „Wir brauchen dringend einen Paradigmenwechsel“, sagt Nabu-Experte Schöne, „und eine klare Botschaft, wie wir Nährstoffüberschüsse wirksam begrenzen können.“ Er fordert, Bauern zu verpflichten, nur so viel Stickstoff auf die Flächen zu bringen, wie der Boden aufnehmen kann, etwa durch kleinere Biogasanlagen, weniger Dünger, Gülle oder Gärreste.

 Außerdem dürften nicht mehr als zwei Kühe pro Hektar gehalten werden statt wie bisher bis zu sechs. Schöne fordert zudem, Grünlandumbruch – die Umnutzung von Weiden und Wiesen zu Ackerland – zu verbieten. Die Düngeverordnung will er verschärft sehen, Lagerkapazitäten für Gülle und Abstände zu Gewässern sollten vergrößert werden.

 Tatsächlich arbeitet das Bundeslandwirtschaftsministerium nach eigenen Angaben derzeit an der Düngeverordnung. „Die Novelle soll so schnell wie möglich beschlossen werden“, sagte Sprecherin Christine Bauer.

[Wir dokumentieren den Artikel im Wortlaut]

Video

Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

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