Grüne Europagruppe Grüne EFA

Quelle: https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/milliardenschwere-einigung-wie-die-eu-agrarreform-zu-mehr-biolandbau-fuehren-soll/26295840.html

Autor*in: Markus Grabitz und Heike Jahberg im Tagesspiegel von 21. Okt 2020

 

Die EU-Agrarminister einigen sich auf neue Förderregeln. Bauern sollen künftig mehr für die Umwelt tun. Doch nicht jeder ist mit dem Ergebnis zufrieden.

 

Zumindest in einem Punkt hat Julia Klöckner Geschichte geschrieben: Die Agrarministerin landete am Mittwoch morgen um neun Uhr am Berliner Großflughafen BER. Damit nahm die CDU-Politikerin als erstes Regierungsmitglied das Regierungsterminal am neuen Airport in Betrieb. Klöckner kam aus Luxemburg, wo sie bis zum frühen Morgen mit ihren 26 Amtskollegen und -kolleginnen um einen Durchbruch in den Verhandlungen über die künftige europäische Agrarpolitik gerungen hatte.

Glaubt man der Ministerin, hat die deutsche Ratspräsidentschaft aber auch in Sachen Agrarförderung Geschichte geschrieben. Es werde „keinen Euro“ an Subventionen mehr geben, der nicht an höheren Umweltleistungen hänge. „Keine Leistung mehr ohne Gegenleistung“, sagte Klöckner nach ihrer Rückkehr in Berlin.

Umweltverbände und die Opposition sehen das anders: Sie hätten sich noch deutlich höhere Auflagen für Tier-, Klima- und Naturschutz gewünscht. „Noch immer wird der größte Teil der Agrarmilliarden aus Brüssel weitgehend wirkungslos mit der Gießkanne über Europas Äckern und Wiesen verteilt“, kritisierte der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). Auch nach Meinung der SPD-Bundestagsfraktion greifen die Beschlüsse zu kurz, die Grünen fordern eine „Gemeinwohlprämie“, mit der Bauern für gesellschaftliche Leistungen belohnt werden.

Der Beschluss der Minister

Die neue Landwirtschaftspolitik der EU nimmt Gestalt an, nachdem sich nicht nur die 27 EU-Mitgliedstaaten geeinigt haben, sondern auch ein Kompromiss im Europaparlament absehbar ist: Die Bauern werden künftig mehr für Klima- und Umweltschutz tun, um die Fördergelder der EU zu bekommen.

Die Summen, um die es geht

Zur Verfügung stehen 387 Milliarden Euro für die Jahre 2021 bis 2027. Das ist etwas mehr als in der letzten Förderperiode 2014 bis 2020. Agrar ist immer noch einer der größten Posten im EU-Haushalt. Für die deutschen Bauern wird es aber vermutlich etwas weniger Geld geben, weil die Landwirte aus den neuen Mitgliedstaaten, die bisher bei den Direktzahlungen schlechter gestellt sind, einen wachsenden Anteil bekommen sollen.

Deutschland kann für die neue Sieben-Jahres-Periode mit 44 Milliarden Euro aus Brüssel rechnen, das ist ein leichter Rückgang um 0,7 Prozent. Die Gelder verteilen sich auf zwei Säulen: die Direktzahlungen, die für viele Landwirte die wichtigste Einnahmequelle sind, und die zweite Säule, mit der die Entwicklung des ländlichen Raums gefördert wird.

Grünere Agrarpolitik

Die Bauern müssen nun umweltschonender arbeiten. Direktzahlungen soll es nur noch geben, wenn die Bauern auch etwas für die Umwelt tun. Das betrifft etwa Fruchtfolgen, mit denen Böden entlastet werden sollen, Hecken, die Tieren Zuflucht bieten, oder mehr Abstand von Feldern zu Gewässern.

Allerdings sind diese Vorgaben nicht sehr ehrgeizig. Weitere 20 Prozent der Direktzahlungen sollen dagegen künftig an besondere Umweltleistungen geknüpft werden. Das Europaparlament will sogar, dass 30 Prozent für solche Öko-Maßnahmen ausgegeben werden.
Diese Öko-Maßnahmen sind denkbar

Mit diesen Umweltauflagen könnten etwa der Biolandbau, das Anpflanzen von Wäldern auf Feldern, der Aufbau von Humus, die Erhaltung von Mooren oder eine digital gesteuerte Präzisionslandwirtschaft gefördert werden, die weniger Pestizide oder Dünger braucht. Allerdings können die Mitgliedstaaten selbst festlegen, welche Maßnahmen sie als „Eco-Schemes“ einschätzen. Um Umweltdumping zu verhindern, müssen die EU-Staaten ihre Strategiepläne jedoch von Brüssel genehmigen lassen.

Die Regierungen bekommen zudem eine zweijährige „Lernphase“, während der sie die für Umweltprogramme reservierten Mittel auch anderweitig einsetzen dürfen. Dieser Kompromiss, so heißt es im Bundesagrarministerium, sei nötig gewesen, um die nötige Mehrheit der EU-Minister zu bekommen. Widerstand hatte es vor allem in den östlichen Mitgliedstaaten gegeben. Trotz des Entgegenkommens hatte Litauen am Ende mit Nein gestimmt, Lettland, Bulgarien und Rumänien hatten sich enthalten.

Kritik an der Einigung

Die Grünen, die den Kompromiss im Europaparlament nicht mittragen, sowie die Umweltverbände hätten sich viel mehr gewünscht. Sie wollen, dass Landwirte künftig nur noch dann Fördergelder bekommen, wenn sie ihre Felder umweltfreundlich bewirtschaften.

„Statt Hunderttausenden Agrarbetrieben bei der Umstellung auf eine klima- und naturverträgliche Zukunft zu helfen, zementieren die Landwirtschaftsminister mit Steuergeldern von morgen ein schädliches Subventionssystem von vorgestern“, kritisierte etwa Nabu-Bundesgeschäftsführer Leif Miller. Grünen-Chef Robert Habeck sagte, die Beschlüsse reichten „hinten und vorne nicht, um die selbstgesteckten Ziele der EU zu erreichen und den Bäuerinnen und Bauern Sicherheit zu geben“.

Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) forderte, dass nun auf nationaler Ebene die „dringend notwendige Ausrichtung der Agrarförderung an Umwelt-, Naturschutz- und Tierschutzstandards“ stattfinden müsse. Dagegen begrüßte der Deutsche Bauernverband die Beschlüsse als tragfähigen Kompromiss. Klöckner habe „sehr gute Arbeit geleistet“, lobte Präsident Joachim Rukwied.

Die Folgen für die deutschen Bauern

Etwa eine Milliarde Euro zusätzlich werden allein an deutsche Bauern für die verpflichtenden Ökomaßnahmen bis 2027 ausgezahlt. Der Deutsche Bauernverband hält sogar eine Größenordnung von rund 1,8 Milliarden Euro für möglich. Bereits heute bekommen in Deutschland kleine bäuerliche Familienbetriebe überproportional mehr Geld als die großen Agrarunternehmen.

Künftig sollen Zahlungen noch stärker gekappt werden können. Ab 60.000 Euro im Jahr soll eine Degression möglich sein, Zahlungen über 100.000 Euro im Jahr sollen gekappt werden können. Ob das so kommt, liegt jedoch im Belieben der Mitgliedstaaten.
Was sind die nächsten Schritte?

Wie bei allen EU-Gesetzen müssen das Europaparlament, die EU-Kommission und die Minister der Mitgliedstaaten eine Einigung finden. Das europäische Parlament beschäftigt sich in dieser Woche mit der Agrarreform und will dazu am Freitag verbindliche Beschlüsse fällen.

Video

Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

Pressemitteilungen