Grüne Europagruppe Grüne EFA

Quelle: https://www.zeit.de/2020/08/landwirtschaft-agrarpolitik-klimaschutz-klimapolitik-co2

Autorin: Christiane Grefe vom 12. Feb 2020 auf www.zweit.de

 

Landwirte arbeiten in der Natur, ihre Tätigkeit hat Folgen für Böden, Gewässer, Pflanzen, Tiere und auch für das Klima. Wie sie arbeiten, wird maßgeblich von der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik gesteuert. Diese "GAP" ist ökologisch kurzsichtig, doch an dem Versuch, Subventionen von jährlich rund 58 Milliarden Euro grün zu erden, scheitern Brüsseler Agrarkommissare seit mehr als einem Vierteljahrhundert.

"Zwischen den Nachhaltigkeits-Narrativen der Politik und der Wirklichkeit klafft eine riesige Lücke", sagt der Agrarökonom Sebastian Lakner dazu. Die Frage ist: Warum kriecht der Fortschritt bei der GAP so langsam voran?

Ein "Ja, aber", das dafür verantwortlich ist, lautet: Wir brauchen in jedem Fall höhere Erträge! Dieses Produktionsdenken ist in den Köpfen vieler EU-Politiker verankert, was mit der Nachkriegszeit zu tut hat: Damals ging es um eine sichere Versorgung mit Lebensmitteln, und Politiker verteilten Prämien für Mais, Weizen oder Milch. Später sollten Einkommensstützen den Bauern Zeit verschaffen, um sich für die Preiskämpfe auf den Weltmärkten zu rüsten. Wachse oder weiche, hieß es, und das wurde teuer erkauft: mit Höfesterben, Monokulturen und qualvollen Haltungsbedingungen in einer intensiven Viehwirtschaft.

Immerhin rüttelte der EU-Agrarkommissar Franz Fischler seit Mitte der Neunzigerjahre am Gießkannenprinzip der Agrarhilfen. Gegen den Widerstand von Bauernverbänden, Industrie und Mitgliedsstaaten erreichte der Österreicher allerdings kaum mehr als eine Selbstverständlichkeit: dass Überweisungen aus Brüssel an die Einhaltung des EU-Umweltrechts gebunden werden.

Umso entschlossener drängte der spätere Agrarkommissar Dacian Ciolos 2010 auf ökologische Gegenleistungen für einen Großteil der Hektarprämien, aber die wurden kaum erbracht. Vergebens war seine Hoffnung, das EU-Parlament, das erstmals mitentscheiden durfte, werde ihm den Rücken stärken. Was nationale Regierungen an den Umweltauflagen noch nicht verwässert hatten, erledigte der konservative Agrarausschuss im Schulterschluss mit den Bauernverbänden. Auch die kennen sich mit Ausreden aus: Ihre Mitglieder seien doch von Natur aus Umweltschützer, sagen sie oft.

Tatsächlich sind Zitronenfalter und Wildbienen, Kiebitze und Ackerrittersporn, all die durch ausgeräumte Landschaften gefährdeten Lebewesen, bei der Agrarlobby erst ein Thema, seit sie ganz zu verschwinden drohen. Allzu lange wurde die Klimaschutzverantwortung der Landwirtschaft verdrängt.

Ein weiteres Aber, das oft kommt: Kleinere Höfe brauchen die Hektarprämien! Dabei kriegen gerade sie am wenigsten ab. 80 Prozent der Subventionen gehen an 20 Prozent der Betriebe. Meist profitieren die größeren Höfe, denn Hektarprämien begünstigen Landbesitzer. Außerdem erhöht der sichere Geldfluss aus Brüssel die Pachtpreise, worunter Kleinbauern besonders leiden.

Die Bundesregierung sucht die Schuld dafür, dass sie mit dem Umweltschutz wartet, gern woanders: Die anderen EU-Länder zögen nicht mit! Gewiss sind die Anbaubedingungen in Siebenbürgen und im Rheintal grundverschieden, dazu halten osteuropäische Regierungen auch wenig von grünen Auflagen. Doch gescheitert sind die Ökoreformen vor allem an den stärksten Agrarproduzenten und größten Nettozahlern in der EU – und dazu gehört Deutschland. Bremser waren Gerhard Schröder und Jacques Chirac, Angela Merkel und Tony Blair.

2020 muss die EU nun die neue, siebenjährige Förderperiode der GAP planen. Alles sieht danach aus, als blieben die Hektarprämien weitgehend unangetastet. Über weitergehende Ökoregeln sollen künftig die Mitgliedsstaaten selbst entscheiden, bislang ohne gemeinsame Ziele oder Sanktionen. So will es ein Vorschlag des früheren Agrarkommissars, sein polnischer Nachfolger Janusz Wojciechowski hält daran fest. Derzeit positionieren sich die nationalen Regierungen und das EU-Parlament dazu. Der Europäische Rechnungshof hat das bereits getan. Er könne "keinen gesteigerten Ehrgeiz beim Umwelt- und Klimaschutz" erkennen, so das Urteil.

Enttäuschte Umweltschützer setzen nun ihre Hoffnung auf die neue Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und ihren für Klimaschutz zuständigen Vize Frans Timmermans. "Mit ihrem Green Deal müssen die beiden auch in der Landwirtschaft Ernst machen", fordert etwa der grüne EU-Parlamentarier Martin Häusling.

Tatsächlich plant von der Leyen sogar eine eigene Nachhaltigkeitsstrategie für die Lebensmittelindustrie. Ob sie der GAP-Schnecke endlich Beine macht, ist unklar.

 

Als Folge all der Ausflüchte stagnierten die Mittel für Agrarumweltprogramme seit 20 Jahren bei maximal sechs Prozent, rechnet der Agrarökonom Lakner vor, und auch die Umweltauflagen hätten die Bilanz kaum verbessert. Dabei kritisieren Expertengremien die bedingungslosen Direktzahlungen immer wieder als wirkungslos und überholt – etwa die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina, der Europäische Rechnungshof, zwei wissenschaftliche Beiräte der Bundesregierung und das Europäische Forschungsnetzwerk für Wirtschafts- und Steuerpolitik EconPol.

Video

Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

Pressemitteilungen