Landwirtschaft soll ökologischer werden
14.03.13 Badische Zeitung - Die EU-Agrarreform ist umstritten – kein Wunder, es geht um viel Geld. Knapp 40 Prozent des EU-Haushalts fließt an die Bauern. Nun hat das Europaparlament zu den Plänen Stellung bezogen.
Fazit: Die Landwirtschaft soll ökologischer werden. Allerdings mit Maßen. Ein dramatisches Ende fand gestern das Votum, mit dem die EU-Abgeordneten ihre Position in den Verhandlungen zur Agrarreform abstecken wollten.
Nachdem mehr als zwei Stunden lang über 500 teilweise widersprüchliche Änderungsanträge abgestimmt worden war, erlitt Sitzungsleiter Georgios Papastamkos einen Schwächeanfall und musste ins Krankenhaus gebracht werden. Zuvor hatten Volksvertreter mehrfach vergeblich um eine Pause in der Marathonsitzung gebeten, in der auch das Mandat für die Haushaltsverhandlungen beschlossen wurde.
Der Vorfall zeigt, dass das EU-Parlament weder in seinen Entscheidungsstrukturen noch personell auf die neue Rolle als Mitgesetzgeber vorbereitet ist. Mehrere Abgeordnete beklagten, sie fühlten sich nur noch als Abstimmungsmaschinen und hätten keine Übersicht, was genau sich hinter den Unterpunkten der Änderungsanträge verberge. Auch die Experten hatten Mühe, nach dem Votum aus dem Papierwust herauszufiltern, welche Position die Mehrheit zu Direktbeihilfen, Quoten und ökologischen Auflagen bezieht. Agrarkommissar Ciolos sagte, das Parlament habe viele seiner Anregungen aufgegriffen. Er erinnerte auch daran, dass die eigentlichen Verhandlungen mit Kommission und Rat nun erst begännen. Er hoffe auf eine politische Einigung bis zur Sommerpause.
Das scheint realistisch, denn die Mehrheit im Parlament orientierte sich an den Vorgaben des bauernfreundlichen Agrarausschusses und steht damit der um Besitzstandswahrung bemühten Position der EU-Mitgliedsstaaten deutlich näher als der reformorientierten Haltung der EU-Kommission. So sollen Direktbeihilfen von 150 000 Euro an reduziert und erst von 300 000 Euro pro Jahr an gekappt werden. Genossenschaften sollen von dieser Regelung ausgenommen werden. Damit wären nur die Riesen der Branche betroffen – der grüne Abgeordnete José Bové hat ausgerechnet, dass nur 0,12 Prozent der Höfe in Europa Abstriche hinnehmen müssten.
Umweltauflagen sollen nach dem Willen der Mehrheit der EU-Parlamentarier nur für Höfe mit mehr als zehn Hektar gelten. Damit wäre nur die Hälfte der Betriebe künftig verpflichtet, ökologische Standards zu erhöhen, um die volle Direktzahlung zu erhalten. Da gerade die größeren Betriebe oft nicht so stark auf die Hilfe aus Brüssel angewiesen sind, fürchtet der grüne Abgeordnete Martin Häusling, dass viele Bauern lieber den vorgesehenen Abschlag von 30 Prozent Direktbeihilfe in Kauf nehmen werden, als die geforderten Umweltmaßnahmen umzusetzen. Vom Tisch ist auch die grüne Forderung, einen Fruchtfolgewechsel verbindlich vorzuschreiben und die Flächen, auf denen keine Chemie verwendet werden darf, auf sieben Prozent zu erhöhen. Die Mehrheit des Parlaments will nur fünf Prozent Vorrangfläche vorschreiben.
SPD-Landwirtschaftssprecherin Ulrike Rodust hatte ähnlich wie die EU-Kommission und die grüne Fraktion gefordert, die Zahlungen an die Betriebe stärker als bisher mit Umweltauflagen und Qualitätsanforderungen an die Lebensmittel zu verbinden. Nur so lasse sich dem Steuerzahler gegenüber begründen, dass die EU noch immer 40 Prozent ihres Budgets für Agrarbeihilfen ausgebe. Das Ergebnis der gestrigen Abstimmung wertete sie als "Beleg für eine rückwärtsgewandte Agrarpolitik, die im 21. Jahrhundert so nichts mehr zu suchen hat".
von: Daniela Weingärtner und dpa