Grüne Europagruppe Grüne EFA

Quelle: https://www.handelsblatt.com/politik/international/designierter-eu-agrarminister-ursula-von-der-leyen-droht-dritten-kommissarsanwaerter-zu-verlieren/25076834.html

Autorin: Eva Fischer im Handelsblatt vom 1. Okt 2019

 

Der Pole Janusz Wojciechowski ist als EU-Agrarkommissar vorgesehen. Bei der Anhörung aber konnte er die Parlamentarier nicht überzeugen.

Brüssel Der Mann, der zukünftig die Hoheit über den größten Etat des EU-Haushalts haben soll, ist zwar die Untersuchungen der europäischen Antibetrugsbehörde los, muss aber weiterhin um seinen Kommissionsposten fürchten. Janusz Wojciechowski fiel bei seiner mehr als zweistündigen Anhörung vor dem Agrarausschuss des Europaparlaments durch. Er soll nun ein zweites Mal vor die Parlamentarier treten, um ihnen diesmal detaillierte Antworten zu geben.

Der Pole ist einer von Ursula von der Leyens sechs Wackelkandidaten für einen Kommissionsposten. Die Rumänin Rovana Plumb, die eigentlich das Verkehrsportfolio bekommen sollte, sowie der Ungar László Trócsányi, der als EU-Erweiterungskommissar vorgesehen war, wurden vom Rechtsausschuss bereits gestoppt.

Nachdem die europäischen Betrugsbekämpfer ihre Untersuchungen gegen Wojciechowski aufgrund von fehlerhaften Spesenabrechnungen in seiner Zeit als EU-Abgeordneter einstellten und keine strafrechtlichen Schritte empfahlen – der Politiker hatte bereits rund 11.000 Euro zurückgezahlt – , sollte es für ihn nun eigentlich grünes Licht geben. Doch die Parlamentarier bemängelten am Dienstagabend seinen „schwachen“ sowie „inhaltsleeren“ Auftritt.

Dabei ist Wojciechowski vom Fach: Er war selbst zwölf Jahre lang Mitglied des Agrarausschusses des Europaparlaments und hatte während all dieser Zeit ebenfalls den Vizeposten inne. Auch als Mitglied des Europäischen Rechnungshofes war er für die Agrarpolitik zuständig. Ihm eile fachlich kein schlechter Ruf voraus, hatte Sven Giegold, Sprecher der deutschen Grünen im Europaparlament, bereits vor der Anhörung gesagt.

Die EU-Agrarpolitik ist eines der bedeutsamsten EU-Politikfelder – von 2021 bis 2027 soll der Politiker der nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) über 365 Milliarden walten. Zudem kommt der Landwirtschaft eine entscheidende Rolle beim Erreichen der EU-Klimaziele zugute sowie der neuen Klimastrategie, die die kommende Kommission ausarbeiten wird.

„Ich werde alles tun, was in meiner Macht steht, dass die gemeinsame Agrarpolitik umweltfreundlicher – und damit auch klimafreundlicher wird“, sagte der 64-Jährige vor dem Ausschuss. Womit der polnische Kommissionskandidat um die Gunst der Mitglieder des Agrarausschusses warb: Er wolle beispielsweise Höfe unterstützen, die erzeugereigene Futtermittel verwenden, anstelle von importiertem Soja.

Generell wolle er kleinere und mittlere Betriebe stärker fördern sowie die lokale Kreislaufwirtschaft, um Importe zu vermeiden. Allgemein wolle er die Landwirte vor Globalisierungsnachteilen bewahren. Er versprach, sich für das Tierwohl einzusetzen, beispielsweise durch höhere Standards bei der Haltung, wie Sommerweiden für Kühe oder Strohställe für Schweine.

Außerdem stehe der Schutz der Artenvielfalt auf seinem Plan. Bei all dem wolle er aber die Gestaltungsfreiheit der Bauern nicht zu sehr einschränken. „Die Landwirte sind natürlich unsere allerersten Umweltschützer. Wir sollten sie unterstützen, nicht bekämpfen“, erklärte der Politiker.

Dem Ausschuss war dies zu unkonkret. „Sie geben überhaupt keine Antworten, wie Sie 40 Prozent der Treibhausgase in der Landwirtschaft einsparen wollen“, warf der Grünen-Politiker Martin Häusling dem designierten Agrarkommissar bereits während der Anhörung vor. „Und auf biologische Landwirtschaft sind Sie auch nicht eingegangen.“

Auch auf die Frage, ob er eine Vision für die gemeinsame Agrarpolitik habe, antwortete Wojciechowski lediglich: „Selbstverständlich habe ich die Absicht, eine solche Vision zu entwickeln.“

Peter Liese, gesundheitspolitischer Sprecher der EVP-Fraktion, der die CDU/CSU-Gruppe angehört, sagte nach der Anhörung: „Ich hätte mir konkrete Ideen gewünscht, wie zum Beispiel das Einkommen der Landwirte auch zukünftig gesichert werden kann und wie die gemeinsame Agrarpolitik aussehen soll, insbesondere vor den steigenden Ansprüchen der Menschen was Tierhaltung und Klimaschutz angeht. Wir haben davon jedoch nichts gehört, trotz mehr mehrfacher Nachfragen und der Bitte nach möglichst konkreten Aussagen.“

Er könne sich nicht vorstellen, dass eine Mehrheit des Parlaments ihn wählen werde. Nun muss Wojciechowski weitere Fragen schriftlich beantworten, bevor es eine weitere Anhörung geben soll. Sollte er auch dann wieder abgelehnt werden, müsste Ursula von der Leyen einen neuen Kandidaten für das Amt des Agrarkommissars vorschlagen. Die Zeit drängt: Ende Oktober stimmen die Abgeordneten über das komplette Personalpaket ab.

 

Video

Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

Pressemitteilungen