Grüne Europagruppe Grüne EFA

Quelle: https://taz.de/Handelsabkommen-mit-Mercosur-Staaten/!5620280/

Autor: Jost Maurin - taz-DieTageszeitung vom 29. Aug 2019

 

Wenn zum Beispiel Brasilien illegale Regenwald-Rodungen zulässt, könnte die Europäische Union nicht einfach Zollvergünstigungen aufheben. Das räumte die EU-Kommission nun ein

Das Neue

Das EU-Freihandelsabkommen mit Brasilien und den anderen Mitgliedern der Mercosur-Gruppe sieht bei Verstößen gegen Umweltschutzverpflichtungen keine Sanktionen vor. Der Streitschlichtungsmechanismus des Vertrags führe „nicht in letzter Konsequenz zu Wirtschaftssanktionen“, sagte Sabine Weyand, Generaldirektorin für Handelspolitik der Europäischen Kommission, am Mittwoch in Berlin. Stattdessen würde nach erfolglosen Konsultationen ein Ausschuss („Panel“) aus Experten eingesetzt, der die Vorwürfe untersucht. „Und die Berichte dieses Panels sind öffentlich“, erklärte Weyand. Die Empfehlungen dieser Fachleute sind laut dem Nachhaltigkeitskapitel des Abkommens aber unverbindlich.

Der Kontext

Das Ende Juni vereinbarte Abkommen mit der Mercosur-Gruppe aus Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay soll der EU Zugang zu einem bisher stark abgeschotteten Markt mit 260 Millionen Bürgern verschaffen. Die meisten Zölle auf EU-Importe wie Autos sollen abgeschafft werden, was der Wirtschaft jährlich 4 Milliarden Euro sparen würde. Im Gegenzug will die EU ihre Einfuhrsteuern auf Industrieprodukte aus den Mercosur-Staaten senken und ihren Markt für Agrarprodukte weiter öffnen. In dem Vertrag verpflichten sich beide Seiten auch, das Pariser Übereinkommen zum Klimaschutz umzusetzen, gegen illegale Rodungen vorzugehen und Arbeitnehmerrechte zu wahren. Angesichts der aktuellen Waldbrände in Brasilien mehren sich Rufe, den Mercosur-Vertrag nicht zu ratifizieren. Präsident Jair Bolsonaro befürworte Rodungen sogar, so Kritiker. Wegen des Abkommens werde noch mehr Fleisch aus Brasilien in die EU kommen, sodass noch mehr Wälder in dem südamerikanischen Land für die Landwirtschaft gerodet würden. Die Bundesregierung will den Vertrag aber nicht stoppen, da er „ein ambitioniertes Nachhaltigkeitskapitel mit verbindlichen Regelungen zum Klimaschutz“ habe. Am Mittwoch formulierte Regierungssprecher Steffen Seibert das nicht mehr so eindeutig, aber kündigte auch nicht an, das Abkommen platzen zu lassen. Offenbar wollen Deutschland und die EU nun mit Nadelstichen Bolsonaro dazu bringen, die aktuellen Waldbrände konsequenter zu bekämpfen.

Die Reaktionen

„In dem Text stehen nur nette Appelle“, sagte Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im Europaparlament, der taz. Der Vertrag habe dem „Tropen-Trump“ Bolsonaro, der den Klimawandel als Erfindung bezeichne, schon jetzt einen großen Reputationsgewinn verschafft. Das Freihandelsabkommen sei ein Treiber der Brände in dem südamerikanischen Land. „Brasilien schafft Platz für Weideflächen und Sojaplantagen – denn Europa soll beliefert werden mit dem Fleisch von 600.000 Rindern sowie unzähligen Hühnern.“ Hinzu kämen 300.000 Tonnen Agrartreibstoffe, die in die EU zusätzlich fließen sollten und klimaschädlich seien, so Häusling. Das Abkommen sieht vor, dass die Mercosur-Staaten künftig auf 99.000 Tonnen Rindfleisch pro Jahr nur 7,5 Prozent Zoll statt der bisherigen 40 bis 45 Prozent zahlen. 180.000 Tonnen Geflügelfleisch sollen zollfrei importiert werden dürfen.

Die Konsequenz

Das Eingeständnis der EU-Kommission, dass das Nachhaltigkeitskapitel keine Sanktionen vorsieht, wird die Gegner des Vertrags mit dem Mercosur stärken. Entscheiden werden aber am Ende das Europäische Parlament sowie die Parlamente und Regierungen der Mitgliedsländer.

Video

Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

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