Jetzt auch Pferdefleisch im Döner
18.02.2013 Sächsische Zeitung
Die Ministerin will mehr Lebensmittelkontrollen. Doch spielt der Verbraucher mit?
Wer auf die Schnelle große Mengen Büffelfleisch von irgendwoher aus Indien benötigt, wird auf der Internetseite alibaba.com rasch fündig: Für umgerechnet 2,84 Euro das Kilo kann man mal eben ein paar Tonnen Tiefgekühltes über den Hafen in Mumbai ordern. Oder Pferdefleisch aus Mexiko über einen ukrainischen Lieferanten für bis zu 4 Euro das Kilo – alles kein Problem für weltweit agierende Fleisch-Großhändler. Da kann man schon mal schnell den Überblick über Herkunft und Zusammensetzung verlieren. Nun wurde sogar in Dönerfleisch Pferd entdeckt, und Rewe nimmt zwei Fertiggerichte aus den Supermarktregalen.
Erneut geht es um eine Kennzeichnungspflicht. Deutschlands oberste Verbrauscherschützerin Ilse Aigner ist sichtlich empört über die Pferdefleisch-Beimischung in Lasagne-Packungen: „Das ist ’ne echte Sauerei.“ Und die CSU-Politikerin kündigt natürlich energisch an, sich für mehr Transparenz auch auf EU-Ebene einzusetzen.
Union und Liberale mauern
Im April 2011 gab sich Aigner weniger forsch. Auf der Jahrestagung des Bundes für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde beruhigte sie die Branche: „Eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung ist nicht machbar.“ Mit Blick auf die Verhandlungen auf EU-Ebene meinte sie, dem Verbraucher werde eine eindeutige Kennzeichnung der Herkunft nur suggeriert. Sie meine „auch nicht, dass es für eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung eine echte Möglichkeit gibt“, so Aigner vor fast zwei Jahren.
Nach Ansicht des grünen Europa-Abgeordneten Martin Häusling könnte es schon längst eine Kennzeichnung für verarbeitete Produkte geben. Im Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ macht er vor allem Politiker von Union und FDP dafür verantwortlich, dass man noch nicht weiter ist: „Wir haben damals sehr viel weitergehende Regelungen gefordert, wurden aber vor allem von konservativen und liberalen Abgeordneten aus Deutschland ausgebremst.“
Bisher läuft die Aufarbeitung des „Pferdefleisch-Skandals“ nach bekanntem Muster: Nach ersten Verdachtsfällen folgen der Aufschrei und die Empörung. Solange nur Nachbarländer betroffen scheinen, gibt es für staatliche Kontrolleure hierzulande keinen Grund zu übertriebener Eile. Zuständig sind ohnehin die Länder. Lebensmittelketten haben bereits vorsorglich Produkte aus den Regalen genommen. An den Pranger gestellt wird niemand. Schließlich ist Pferdefleisch-Beimischung nicht gesundheitsschädlich.
Nur langsam wird das Ausmaß des Etikettenschwindels und der Betrügereien über dubiose Lieferketten deutlich. Europaweit sind wohl mehr Unternehmen verwickelt und mehr Fertiggerichte betroffen als bisher bekannt. Der Lebensmittelhandel betont, man sei der Sorgfaltspflicht umgehend nachgekommen. In der Politik setzt auf der Suche nach Schuldigen das übliche Schwarze-Peter-Spiel ein. Heute wollen die Verbraucherminister aus Bund und Ländern über Konsequenzen beraten. Die Rede ist nun von einem nationalen Kontrollprogramm mit Zusatztests – neben einem EU-Aktionsplan.
CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach geht sogar so weit, die Einschaltung des Bundeskriminalamts (BKA) zu fordern. Täter müssten zudem hart bestraft werden, um potenzielle Nachahmer abzuschrecken, fordert er im Magazin „Focus“. Damit spricht Bosbach in der Tat eine der vielen Schwachstellen im System an. Denn wirklich hohe Bußgelder oder Strafen sind Mangelware, die Abschreckung ist eher gering.
Beim Bund-Länder-Krisentreffen wird Aigner darauf pochen, dass Lieferketten gründlich durchleuchtet und Verstöße offengelegt werden. Es sind Forderungen zu erwarten, wie sie die Ministerin schon öfter erhob. Da hieß es: „Die Lebensmittelkontrolle muss funktionieren.“ und „Die Länder müssen diese Kontrollen sicherstellen.“ und „Wir müssen die Kontrollmechanismen verbessern.“
Hemmungsloser Wettbewerb
Zu den Schwachstellen gehören aber nicht nur skrupellose Händler und Fleischverarbeiter, lasche Kontrollen und milde Strafen für Kriminelle. Maßgeblich sind auch ein hemmungsloser Preiswettbewerb sowie die Jagd der Verbraucher nach immer billigeren Lebensmitteln: Bei einer Tiefkühllasagne für teils 99 Cent denkt kaum ein Verbraucher darüber nach, wie das funktionieren kann. Einer Statistik zufolge „verbraucht“ jeder Deutsche in seinem Leben im Schnitt 1094 Tiere: Dies seien 945 Hühner, 46 Puten, 46 Schweine, 37 Enten, zwölf Gänse, je vier Rinder und Schafe.
Daran wird sich kaum etwas ändern. Ob Dioxin im Ei, Gammelfleisch, die Rinderseuche BSE, Mäusekot in Mozzarella oder Ehec-Erreger – die Liste der Unappetitlichkeiten dürfte auch in den nächsten Jahren länger werden. Das Kundenverhalten wird sich wohl auch diesmal wieder nur kurz ändern – bis zum nächsten Lebensmittelskandal. (dpa)