Grüne Europagruppe Grüne EFA

Autorin: Anna-Maria Salmen, Süddeutsche Zeitung vom 28. April 2019

Quelle: https://www.sueddeutsche.de/muenchen/landkreismuenchen/podiumsdiskussion-die-bauern-sind-nicht-alleine-schuld-1.4425301

In Höhenkirchen debattieren Landwirte und Naturschützer über Artenschutz und fordern bessere Rahmenbedingungen

Vor wenigen Tagen sind die letzten Verhandlungen beim runden Tisch zur Artenvielfalt zu Ende gegangen. Insgesamt sprechen die Vertreter aus der Landwirtschaft sowie die Naturschützer von einer harmonischen Zusammenarbeit. Das Spannungsverhältnis bewegt die Bürger jedoch weiterhin, wie eine gut besuchte Podiumsdiskussion der Grünen in Höhenkirchen-Siegertsbrunn zeigte. Laut Claudia Köhler, Grünen-Landtagsabgeordnete aus Unterhaching, sind mit den aktuellen Förderungen für die Landwirtschaft alle unzufrieden. Vor allem konventionelle Bauern seien betroffen.

So setzten sich fünf Teilnehmer der Diskussion mit der Frage auseinander: "Kann die EU die Brücke zwischen Landwirtschaft und Artenschutz bauen?" Der agrarpolitische Sprecher der Grünen im Europaparlament Martin Häusling, Anton Stürzer, Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbands, Christian Hierneis vom Bund Naturschutz, Landwirt Benno Maier aus Hohenbrunn sowie Michael Stark, Verwalter der Stadtgüter München Gut Riem hatten auf dem Podium Platz genommen. Wie wichtig die Debatte ist, schilderte Hierneis: "Es steht weltweit dramatisch um die Artenvielfalt." Diese sei eine unserer Lebensgrundlagen, die Folgen eines großen Artensterbens seien nicht absehbar. "Ich will nicht nur die Natur schützen, es geht auch um uns", so Hierneis.

Einzelne Schuldige oder einfache Lösungen lassen sich nicht finden. Weitgehend einig sind sich die Teilnehmer darin, dass die Landwirtschaft zwar ein Teil des Problems ist - aber eben nicht allein. So spielt für Stürzer auch der Zuzug nach Bayern eine große Rolle. Schließlich würden durch mehr Menschen auch mehr Flächen verbraucht und betoniert, die Infrastruktur wachse und der Verkehr nehme zu. "Jeder will den Wohlstand leben, und das ist für mich mit schuld am Artensterben." Die Landwirtschaft allein könne das Problem nicht lösen, Stürzer fordert einen gesamtgesellschaftlichen Ansatz.

Hierneis ist überzeugt, dass sich Landwirtschaft und Ökologie nicht ausschließen. "Beides ist wichtig." Ihm sei klar, dass kein Landwirt Pestizide nutze, um Tiere zu töten. "Sie wollen eben ihren Ertrag steigern, deswegen müssen die Rahmenbedingungen stimmen. Wir brauchen eine Landwirtschaftspolitik, die auch ökologische Aspekte in den Fokus rückt." Denn genau das ist einer der Kritikpunkte an der EU-Agrarpolitik: Die Direktzahlungen, die den größten Teil der Förderungen ausmacht, honorieren fast nur die Fläche eines Betriebs. Skeptiker bemängeln, dass sich also Maßnahmen für den Umweltschutz, finanziell kaum auszahlen würden. "Das Geld pro Hektar bekommt jeder Bauer, egal ob er Ackerbau oder Viehzucht betreibt. So eine Art der Verteilung ist eigentlich ein bedingungsloses Grundeinkommen", fand EU-Politiker Häusling. Er fordert für ökologisch Maßnahmen mehr Beachtung bei den Subventionen. Als gelernter Landwirt, der schon früh auf biologische Bewirtung umgestellt hat, ist er zudem überzeugt: "Wir brauchen mehr Bio-Bauern."

Stürzer bedauert die oftmals pauschalisierende Rhetorik in den Debatten über die Landwirtschaft: "Ich verabscheue es, dass diese Differenz aufgebaut wird: Konventionell soll böse sein und Bio das einzig Wahre. Wir brauchen beides", meinte er. Auch Stark distanzierte sich von derartigen Äußerungen. Er sei zwar begeisterter Bio-Landwirt, "aber ich möchte nicht die Konventionellen an den Pranger stellen. Wir müssen ein Miteinander fördern." Der Gutsverwalter merkte an, dass Bio jedoch zeige, wie Landwirtschaft ohne Chemie funktionieren könne.

Ebenfalls ohne Chemie baut der konventionelle Landwirt Maier seit 25 Jahren Kartoffeln an, wie er sagt. Auf Bio umstellen möchte er nicht: "Dann wäre ich Subventionsempfänger und damit vom Staat abhängig." Stürzer verwies auf ein weiteres Problem: "Es ist nur möglich, bis 2030 auf 30 Prozent Bio-Betriebe zu kommen, wenn der Verbraucher mitmacht." Auch Häusling räumte ein: "Die öffentliche Hand hat noch eine Riesen-Bringschuld." Der Politiker schlug vor, beispielsweise auch in Kantinen, Kindergärten oder Schulmensen eine Quote für Bio-Gerichte einzuführen, um den Absatz für die Produkte zu sichern.

Häusling versuchte, die gestellte Frage zu beantworten: "Die EU kann eine Brücke sein zwischen Artenschutz und Landwirtschaft. Wenn wir die Fördergelder erhalten wollen, müssen wir sie aber auch sinnvoll einsetzen." Politikerin Köhler zog insgesamt ein positives Fazit: Es habe sich gezeigt, dass Artenschutz allen wichtig sei. "Landwirtschaft und Naturschutz gehören unbedingt zusammen, Politik muss Rahmenbedingungen schaffen, dass sich regionale, nachhaltige Versorgung lohnt - für Erzeuger und Verbraucher", so Köhler.

Video

Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

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