Grüne Europagruppe Grüne EFA

Top Agrar vom 12.12.2018 / Autor: Thomas A. Friedrich

Quelle: https://www.topagrar.com/management-und-politik/news/pflanzenschutzmittel-kommen-kuenftig-frueher-auf-den-pruefstand-10127163.html

 

Der von der EU-Kommission - im Nachgang der mit 1,4 Mio. Unterschriften angestrengten europäischen Bürgerinitiative "Stoppt Glyphosat" - vorgelegte Vorschlag für "Transparenz und Nachhaltigkeit der EU-Risikobewertung im Bereich der Lebensmittelkette“ spaltet die Parteien im EU-Parlament. Sieg für mehr Transparenz oder Bedrohung für Innovationen?

Die europäische Bürgerinitiative für ein Verbot von Glyphosat zeigt Wirkung. Das Europäische Parlament (EP) hat sich am Dienstag mit großer Mehrheit für mehr Transparenz der Zulassungsverfahren von Pflanzenschutzmitteln und Wirkstoffen in der Lebensmittelkette ausgesprochen. Früher als bisher müssen künftig wissenschaftliche Studien zur Bewertung bereits bei der Antragstellung vorgelegt werden. Während Grüne, Sozialdemokraten und Umweltverbände das Votum begrüßten, befürchten Liberale, Konservative und Freie Wähler einen Schaden für den Innovationsstandort Europa.

Auf die millionenfachen Unterschriften von Glyphosat-Gegnern und der Forderung nach einem Verbot des umstrittenen Wirkstoffes, hatte die EU-Kommission im April dieses Jahres mit einer Transparenzinitiative reagiert. EU-Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis legte einen Verordnungs-Vorschlag zur „Transparenz und Nachhaltigkeit der EU-Risikobewertung im Bereich der Lebensmittelkette“ vor.

Was zunächst als eine Reaktion auf zahlreiche Lebensmittelskandale in der Vergangenheit wie Dioxinfunde in Lebensmitteln und Fipronil-Rückstände in Eiern als Revision der Lebensmittel-Basis-Verordnung angelegt war, entwickelte sich seit der umstrittenen Wiederzulassung von Glyphosat um weitere fünf Jahre im November 2017 als Speerspitze gegen scheinbaren und von Umweltverbänden und Teilen der Politik behaupteten Ungereimtheiten bei der wissenschaftlichen Bewertung von Glyphosat durch die EU-Lebensmittelbehörde (Efsa) und das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in Berlin.

Die EP-Berichterstatterin des Dossiers, die CDU-Europaabgeordnete Renate Sommer, drückte im Gespräch mit der Lebensmittel Praxis ihr Unverständnis darüber aus, dass schützenswerte Firmendaten schon bei Antragsstellung gegenüber der Efsa weltöffentlich künftig publiziert werden sollten.

Renate Sommer: Die europäischen Lebensmittel gelten als die sichersten der Welt“

„Unsere Lebensmittel in der EU gelten als die sichersten weltweit. Allerdings muss die Efsa bisher nicht die gleichen Transparenzregeln einhalten wie andere Agenturen, wie die Agentur für Medizinprodukte oder die für chemische Stoffe (Echa). Die EU-Kommission hat vorgeschlagen – angetrieben durch die Europäische Bürgerinitiative gegen Glyphosat – diese Regeln unter den den drei EU-Agenturen anzugleichen. Was die Kommission aber letztendlich vorgeschlagen hat, war keine Angleichung, sondern waren für die Efsa viel, viel schärfere Regeln, als die anderen Agenturen sie haben“, sagte Sommer im Interview mit der Lebensmittel Praxis.

Nach der Abstimmungsniederlage kündigte die promovierte Agrar- und Lebensmittelwissenschaftlerin Sommer an, ihren Namen vom Berichtsentwurf wegzunehmen, weil sie nicht mit ihrem Namen für dieses Ergebnis stehen wolle. „Wenn der Kommissionsvorschlag durchkommt, dann haben wir viel, viel weniger Transparenz, als wir heute haben. Dann wird nämlich kein Antragsteller mehr die Zulassung seines Produkts in Europa beantragen. Dann gehen die Hersteller direkt ins Ausland mit ihren Innovationen, und dann haben wir gar keinen Zugriff mehr auf die Antragsunterlagen“, sagte Sommer in der Aussprache zur Lebensmittel-Basis-Verordnung am Dienstag.

Im März bildete das EU-Parlament einen Sonderausschuss, der eine etwaige Einflussnahme der Industrie auf das Zulassungsverfahren bei der Efsa prüfen und mögliche Interessenkonflikte unter die Lupe nehmen soll. Dabei geht es auch um Berichte, nach denen der Glyphosat-Hersteller Monsanto massiven Einfluss auf Studien über die Auswirkungen des Unkrautvernichters auf die menschliche Gesundheit genommen haben soll.

Ulrike Müller: „Ich hoffe, dass es nicht zur Abwanderung von Investitionen in Europa kommt“

Auch die Fraktionssprecherin der Freien Wähler im Sonderausschuss für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln (PEST) die EU-Abgeordnete Ulrike Müller sieht den Innovationsstandort Europe mit der getroffene Entscheidung in Gefahr: „Mit einer zu frühen Veröffentlichung regulatorischer Studien ist dem Verbraucher nicht geholfen, allerdings bedroht dies die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen empfindlich. Ich hoffe, dass die Parlaments-Entscheidung nun nicht zu einer Abwanderung von Investitionen aus dem Innovationsstandort Europa führt. Mit dem heutigen Votum sind meine Kollegen leider über das Ziel hinausgeschossen“, so Müller.

Martin Häusling: „Ein Sieg für mehr Transparenz und früher Bürgerbeteiligung“

Als einen Sieg für mehr Transparenz und bisher undurchschaubarer Machenschaften der Industrie und des Geschäftsgebaren der Pflanzenschutzmittelhersteller sieht der agrarpolitische Koordinator der Grünen im EU-Parlament, Martin Häusling, das erzielte Mehrheitsvotum: „Es stand auf Messers Schneide, wie die Abstimmung ausgehen würde. Das erreichte Abstimmungsergebnis ist ein großer Erfolg, über das ich mich als der zuständige grüne Verhandlungspartner besonders freue. So soll in Zukunft transparenter werden mit welchen wissenschaftlichen Studien Antragsteller aus der Industrie die Sicherheit ihrer Wirkstoffe, z.B. Pestizide und Lebensmittelzusatzstoffe, belegen wollen“, erklärte Häusling

EU-Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis sagte, der Verordnungs-Vorschlag verfolge das Ziel, dass Bürgerinnen und Bürger künftig leichter auf die Informationen zugreifen können sollen, die der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit Efsa zu Genehmigungszwecken innerhalb der Lebensmittelkette übermittelt werden.

Das Dossier wird im Januar zwischen EU-Kommission und Ministerrat verhandelt mit dem Ziel, noch in dieser Legislaturperiode eine erste Lesung abzuschließen.

Video

Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

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