Stärkere Regulierung des Milchmarkts verlangt
25.10.10 raiffeisen.news
STRASSBURG. Die europäischen Grünen beharren gemeinsam mit dem European Milk Board (EMB) auf einer Mengenregulierung des EU-Milchmarkts. Der Europaparlamentarier Martin Häusling erklärte am vergangenen Mittwoch in Straßburg, in den vergangenen beiden Jahren hätten tausende Milchviehbetriebe in Europa aufgeben müssen. Es gelinge den Milchbauern nicht mehr, ein ausreichendes Einkommen zu erzielen. Kostensenkung als hauptsächliche Stellschraube gehe zu Lasten der Überlebensfähigkeit vieler Höfe und der Lebensqualität der Milchbauern und ihrer Familien. „Das kann nicht die Lösung sein“, so Häusling anlässlich einer Demonstration, zu der laut den Veranstaltern mehr als 1 000 Erzeuger aus ganz Europa gekommen waren.
EMB-Präsident Romuald Schaber ergänzte, seit der Krise 2009 habe die EU-Politik keine wirksamen Maßnahmen beschlossen, um den Milchmarkt zu retten. Im Gegenteil sei der schädliche Liberalisierungskurs weiter vorangetrieben worden. Schaber rief die Europaabgeordneten auf, ihren neuen Einfluss, den ihnen der Lissabonvertrag eröffnet hat, zu nutzen. Er plädierte für „eine faire Landwirtschaftspolitik mit intelligenten
Marktregeln“. Eine Monitoringstelle solle die nachgefragte Menge am Markt erfassen und die Produktion entsprechend anpassen.
Intervention unumgänglich
Im Vorfeld der Demonstration wurde eine von Häusling in Auftrag gegebene Studie mit einem Vergleich der Milchmärkte in den USA, Kanada, der Schweiz und der EU vorgestellt. Diese Untersuchung zeige, dass in allen Ländern eine staatliche Intervention notwendig sei, aber nicht alle Formen der Intervention zu befriedigenden Erfolgen führten, betonte der Grünenpolitiker . In der Schweiz sei die Branchenorganisation Milch, ein Zusammenschluss von Produzenten, Verarbeitern und Handel, inzwischen komplett gescheitert. Beschlüsse wie die Anpassung der Mengen an den Markt würden zwar verbindlich gefasst, anschließend aber von Handel und Molkereien nicht umgesetzt. Gerade am Beispiel der Alpenrepublik werde deutlich, dass die dortige Aufhebung der Quote ein Fehler gewesen sei. Die Einkommensverluste der Milchbauern hätten im vergangenen Jahr deutlich über denen anderer landwirtschaftlicher Betriebe gelegen.
Preisabsprachen ermöglichen
Neben der „bedarfsangepassten Angebotsregulierung im Konsens zwischen Politik, Milchindustrie und Milchbauern“ fordern die Grünen die Stärkung von Erzeugerzusammenschlüssen über eine kartellrechtliche Sonderstellung einschließlich der Möglichkeit zu Preisabsprachen, einen erzeugerübergreifenden Interessenausgleich sowie die Einbindung von Verbraucher-, Umwelt-, Tierschutz- und Entwicklungsaspekten in die Milchmarktdiskussion . Ferner sollen Richtpreise errechnet werden, die zumindest auf den Produktionskosten der Erzeuger basieren. Gepocht wird auf die Schaffung von Wertschöpfung durch „Mehr-Wert“ über eine stärkere Förderung von Qualitätserzeugung und Produktinnovation im Molkereiwesen. Die Überschwemmung des Marktes mit Basisprodukten, die sich ausschließlich im Preis voneinander unterschieden, müsse abgebaut werden. Darüber hinaus verlangen die Grünen eine Lebensmittelkennzeichnung , die auch die Prozessqualität abbildet. Unterschiede zwischen den Anbausystemen, der Umweltverträglichkeit und der Tiergerechtheit bei der Herstellung eines Lebensmittels sollten erkennbar gemacht werden.
Weniger ist mehr
Die Analyse mit dem Titel „Die Zukunft der Milchwirtschaft : Weniger ist mehr“ wurde von der Oxfam-Agrarexpertin Marita Wi g g e r t h a l e durchgeführt. Sie kommt zu dem Schluss, dass die Milchproduktion in allen betrachteten Regionen von Familienbetrieben getragen werde und nicht ohne staatliche Interventionen auskomme. Am krisenfestesten sei eine am Binnenmarkt orientierte Produktion, die sich dem wechselnden Bedarf anpasse. Wie das Beispiel Kanada zeige, sei dies durchaus mit für Erzeuger und Verbraucher zufriedenstellenden Preisen möglich. Von den meisten derzeitigen Systemen profitierten jedoch nur die Molkereien und Handelsketten mit stattlichen Margen. Die Suche nach marktkonformen Lösungen ebenso wie der Weg in eine ökologisch und sozial nachhaltige Milchwirtschaft , von der kein Schaden für arme Länder ausgehe, erfordere eine offene Diskussion mit allen Beteiligten. Wenig Berücksichtung fänden nach wie vor eine klimafreundliche Milcherzeugung sowie der Tierschutz und die Artenvielfalt. Besondere Aufmerksamkeit müsse der Milchwirtschaft in benachteiligten Gebieten und in Grünlandregionen gewährt werden, wo nichts anderes außer Milch produziert werden könne. Dabei solle auch den Anliegen der Mutterkuhhalter Rechnung getragen werden. (http://martinhaeusling.eu) AgE (26.10.2010)