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08.09.2010 FAZ.net
Tierversuche sollen in den EU-Mitgliedsstaaten künftig nur noch unter strengen Auflagen zulässig sein. Das Europäische Parlament hat eine verbindliche Richtlinie zum Schutz von Versuchstieren beschlossen. Tierschützer reagierten gleichwohl enttäuscht.

In Europa soll es künftig weniger Tierversuche geben. Das Europaparlament hat am Mittwoch in Straßburg eine verbindliche Richtlinie zum Schutz von Versuchstieren beschlossen. Die EU will dabei den Grundsatz umsetzen: „Reduce, refine, replace“ (vermindern, verbessern, vermeiden) umsetzen.

EU-Gesundheitskommissar Dalli begrüßte die Richtlinie in seiner Stellungnahme vor dem Parlament. „Der Tierschutz ist eine Herausforderung für die Mitgliedsstaaten, die Industrie und die Forschungsinstitute“, sagte Dalli. „Europa hat jetzt das höchste Niveau im Tierschutz erreicht.“

Tierversuche sollen nach Möglichkeit durch alternative und genehmigte Testverfahren ersetzt werden, der Entwurf enthält jedoch keinen Zwang, auf Tierversuche zum Beispiel mit Primaten zu verzichten. Außerdem ist eine angemessene Ausbildung für Züchter, Anbieter und Nutzer von Versuchtieren vorgesehen. Für Deutschland ändert sich zunächst wenig. Auch in Zukunft wird es Versuche etwa an Affen geben. Tierschützer reagierten enttäuscht.

Der Einsatz von Primaten in der Grundlagenforschung wird durch verstärkte Kontrollen und Genehmigungen eingeschränkt. Verboten, wenn auch mit Einschränkungen, ist die Verwendung von Menschenaffen wie Gorillas, Schimpasen und Orang-Utangs in Tierversuchen. Eine „zeitlich begrenzte Ausnahmeregelung“ kann es beim Ausbruch lebensbedrohlicher Krankheiten geben.


Enttäuschung bei Tierschützern

Die Grünen wollten den Entwurf in den Ausschuss zurückverweisen, weil dieser „butterweiche“ Text nach ihrer Meinung keineswegs die Zahl von Tierversuchen verringern wird. Sie konnten sich jedoch nicht durchsetzen.

„Den Mitgliedsstaaten wird nicht erlaubt, strengere nationale Gesetze zu verabschieden“, kritisierte der grüne Abgeordnete Martin Häusling. Die Länder, die bereits strengere Regelungen haben, dürfen an diesen aber festhalten.

Enttäuscht äußerte sich der Deutsche Tierschutzbund. Er beklagte die „nahezu ungezügelte Verwendung von Primaten“, die „fehlende Verpflichtung zu Alternativ-Methoden“ und „lasche“ Genehmigungsverfahren. Allerdings gestanden auch Gegner des Entwurfs ein, dass der Text gegenüber dem alten Gesetz aus dem Jahr 1986 ein Fortschritt ist.

Die Parlamentsberichterstatterin Elisabeth Jeggle (CDU) sagte, er schaffe „eine gute Balance zwischen dem Schutz der Versuchstiere und dem Erhalt des Forschungsstandorts Europa.“ Die Richtlinie sei ein Durchbruch im Tierschutz und zugleich werde die wissenschaftliche Forschung nicht eingeschränkt.


„Tiere nicht zu Lasten menschlichen Lebens schützen“

Kritik gab es dennoch vor allem aus den Reihen der Abgeordneten der konservativen EVP-Fraktion. Sie fürchten, dass der Kompromiss die Forschung mit embryonalen Stammzellen fördert. „Wir können nicht den Tierschutz erhöhen und gleichzeitig als Alternative die Forschung mit menschlichen Embryonen zulassen“, sagte der Abgeordnete Martin Kastler (CSU). „Das widerspricht unseren Werten.“

Die katholische EU-Bischofskonferenz (Comece) äußerte ähnliche Bedenken. „Tiere müssen geschützt werden, aber nicht zu Lasten menschlichen Lebens“, sagte eine Sprecherin der Nachrichtenagentur epd.

EU-Gesundheitskommissar John Dalli beschwichtigte die Bedenken der Kritiker. „Ob die embryonale Stammzellforschung angewendet werden darf, entscheiden die Staaten“, sagte Dalli. „Wenn dies in den Ländern nicht erlaubt ist, können Tierversuche auch nicht durch Stammzellforschung ersetzt werden“. In Deutschland ist die embryonale Stammzellforschung grundsätzlich verboten. In Polen, Rumänien oder der Slowakei gibt es bis jetzt keine Regelung dazu.

Zwei Jahre hat es gedauert bis sich Rat, Kommission und Parlament auf diesen Kompromiss einigen konnten. Die Richtlinie ist für alle Mitgliedsstaaten bindend und löst die Vorgaben aus dem Jahr 1986 ab. Der Ministerrat muss der Richtlinie noch formal zustimmen, bevor sie in Kraft tritt.
Die Mitgliedsländer haben zwei Jahre Zeit, das Gesetz umzusetzen.

Text: FAZ.NET mit dpa
Bildmaterial: AP

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Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

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