Grüne Europagruppe Grüne EFA

23.06.10 Raiffeisen.com
Brüssel - Standardisierte Milchlieferverträge könnten in manchen EU-Mitgliedstaaten künftig die Regel werden. Die hochrangige EU-Expertengruppe zum Milchsektor verabschiedete am Dienstag vergangener Woche formell ihren Schlussbericht und empfiehlt darin die Verbesserung der Vertragsbeziehungen zwischen Erzeugern und Molkereien durch Angaben zu Preisen, Mengen, Liefer- und Laufzeiten. Während die Europäische Kommission dazu nach Gusto Leitlinien oder Regelungsvorschläge entwickeln soll, dürfen die nationalen Regierungen die Vorgaben verpflichtend machen, wenn sie das wollen.

Gleichzeitig sollen Milchbauern im EU-Recht die Möglichkeit erhalten, die Lieferbedingungen gegenüber einer Molkerei mit der gebündelten Kraft von Erzeugerorganisationen auszuhandeln. Dazu müssten allerdings die EU-Wettbewerbsregeln geändert werden; die notwendige qualifizierte Mehrheit wäre im Agrarministerrat vorhanden, auch wenn fünf Delegationen dies nicht mittragen würden. Aus Kommissionskreisen wurde bekräftigt, dass man auf keinen Fall ein EU-weites Milchpreiskartell anstrebe. Zusammenschlüsse sollen nur bis zu einem bestimmten Marktanteil möglich sein, der allerdings noch nicht beziffert wurde. EU-Agrarkommissar Dr. Dacian C i o l o ş begrüßte den Bericht und bekräftigte seine Absicht, noch vor Jahresende - voraussichtlich im Dezember - konkrete Vorschläge zu unterbreiten. Im Bundeslandwirtschaftsministerium wollte man sich nicht wertend zu dem Papier äußern. Ein Sprecher betonte, bislang handle es sich nur um Empfehlungen. Die erörterten Möglichkeiten dienten der politischen Orientierung und sollten als „Werkzeugkasten für Marktbeteiligte“ gesehen werden. Im Übrigen verwies er auf die für Juli angesetzte Aussprache im Ministerrat.

 

Mehrwert schaffen
Ferner beauftragten die nationalen Experten die Brüsseler Behörde zu untersuchen, ob bestimmte Ausnahmeregeln für Branchenorganisationen, wie sie bereits im Obst- und Gemüsesektor bestehen, auch im Milchbereich sinnvoll wären. Preisbindungen, die Aufteilung von Märkten oder die Ausschaltung des Wettbewerbs sollen aber keinesfalls ermöglicht werden. Im Sinn hat die Gruppe eher unterstützende Maßnahmen, mit denen die Verbreitung von erfolgreichen Konzepten oder die Schaffung von Mehrwert gefördert werden sollen. Dabei soll vor allem auch ausformuliert werden, was eine Branchenvereinigung tun beziehungsweise nicht tun darf, um rechtliche Grauzonen zu klären. Daneben empfehlen die hochrangigen Beamten auf Ebene der Staatssekretäre unter anderem den Ausbau des EU-Preisbeobachtungsinstruments, Marktinstrumente zur Preisstabilisierung - sofern sie den internationalen Verpflichtungen nicht zuwiderlaufen - sowie die Erleichterung des Terminhandels mit Milchprodukten. Hinsichtlich verpflichtender oder freiwilliger Ursprungsangaben soll die Kommission verschiedene Optionen auf ihre Machbarkeit hin durchspielen und eine klare Kennzeichnung von Imitationsprodukten wie Analogkäse anstreben. Die Behörde will dabei die aktuelle Entwicklung der Novelle zur Lebensmittelkennzeichnung berücksichtigen (vgl. EU-NACHRICHTEN … i.d.Ausg.). Außerdem sollen die zur Verfügung stehenden Fördertöpfe für Forschung und Entwicklung ins rechte Licht gerückt werden. Zusätzliche Mittel für Innovationen könnte es nach 2013 geben, und zwar über die ländliche Entwicklung. An die Antragsteller wurde die Forderung gestellt, klare Prioritäten für ihre Forschungsziele zu setzen; nach Einschätzung der Kommission mangelt es daran im Milchsektor.

Zukunft sichern
Die EU-Ausschüsse der Bauernverbände (COPA) und ländlichen Genossenschaften (COGECA) riefen Cioloş auf, seine Vorschläge möglichst schnell auf den Tisch zu legen. „Auf diesen Bericht haben wir fast ein Jahr lang gewartet“, erklärte COPA/COGECA-Generalsekretär Pekka P e s o n e n in Brüssel. In dem Papier werde einigen der Forderungen des Berufsstandes Rechnung getragen, insbesondere was die Beibehaltung der aktuellen Marktsteuerungsinstrumente angehe. Jetzt müsse die Kommission schnell handeln und dafür sorgen, dass die Empfehlungen in konkrete Vorschläge umgesetzt würden. Dann könnten die Zukunft der Milcherzeuger gesichert und Beschäftigung im ländlichen Raum erhalten werden. Pesonen verspricht sich durch die Empfehlungen der Experten auch Wege zum Umgang mit dem Milchquotenausstieg 2015. Den durch die Milchkrise im vergangenen Jahr hervorgerufenen Verlust bezifferte der Finne auf 14 Mrd Euro.

Empfehlungen nicht ausreichend
Der agrarpolitische Sprecher der Grünen im Europaparlament, Martin H ä u s l i n g , bezeichnete die Ergebnisse und Empfehlungen der Expertengruppe als vollkommen unzureichend. Sie lieferten keine konkreten Ansätze, wie zwischen Milchangebot und -verbrauch ein Marktgleichgewicht hergestellt werden könne. „Sobald 2015 die Mengenbeschränkungen in der EU fallen, ist damit zurechnen, dass sich die Überschusssituation auf dem EU-Markt weiter verschärft“, monierte Häusling. Dann werde die EU erneut mit Exportsubventionen reagieren, um Überschüsse auf dem Weltmarkt abzusetzen - mit all den negativen Folgen, vor allem für Kleinbauern in Entwicklungsländern. Die Grünen seien sich mit der hochrangigen Gruppe darin einig, dass die Marktmacht der Bauern gestärkt werden müsse. Die Empfehlungen des Berichts seien dazu allerdings nicht ausreichend. Konkrete Vorschläge zur Änderung des Wettbewerbs- und Kartellrechts fehlten. Häusling rief Cioloş auf, weitreichendere Vorschläge zu machen und gemeinsam mit dem Europäischen Parlament umzusetzen.
Der agrarpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Friedrich O s t e n d o r f f , ergänzte, die geforderte Stärkung der vertraglichen Beziehungen zwischen Milcherzeugern und Molkereien werde die Bauern in noch größere Abhängigkeit stürzen und damit das unter anderem vom Bundeskartellamt kritisierte Marktungleichgewicht zu Lasten der Milchbauern weiter verschärfen. Die Bundesregierung werde im Ernährungsausschuss erklären müssen, welche Position sie in der hochrangigen Gruppe vertreten habe.

Auftrag nicht erfüllt
Das European Milk Board (EMB) verurteilte die Expertenvorschläge „aufs Schärfste“. Sie hätten der Krise am Milchmarkt nichts entgegenzusetzen. „Die Empfehlungen können weder die Situation der Milcherzeuger noch die der Verbraucher in Europa verbessern“, kritisierte EMB-Präsident Romuald S c h a b e r . Verträge könnten auch jetzt schon geschlossen werden; allerdings verhindere die schwache Marktmacht der Erzeuger eine faire Ausgestaltung. Deshalb sei es unerlässlich, den Milcherzeugern mit einem geeigneten System die Möglichkeit zu geben, die Produktion gemeinsam an die Nachfrage anzupassen. Schaber bekräftigte den Ruf nach einer „Monitoring- und Marktgestaltungsstelle auf EU-Ebene“. EMB-Vizepräsidentin Sieta v a n K e i m p e m a unterstützt zwei Punkte des Berichts, nämlich die Stärkung der rechtlichen Basis für Erzeugerorganisationen sowie eine verbesserte Kennzeichnung von Milchprodukten. Trotzdem zieht sie ein negatives Fazit: Die Belange der Milcherzeuger seien fast komplett ausgeblendet worden, die Vorschläge des EMB in keinster Weise beachtet. Eine wirkliche Auseinandersetzung mit den Problemen des Milchmarktes habe nicht stattgefunden. AgE (23.06.2010)

Video

Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

Pressemitteilungen