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Der EU-Agrarhaushalt schrumpft. Deutschland muss auf Geld verzichten. Dafür sollen die Mitgliedsstaaten mehr Rechte erhalten.

01.06.2018, 19:02 Uhr
Von Markus Balser und Thomas Kirchner

Geht es nach EU-Agrarkommissar Phil Hogan, ist die Lösung für die Probleme der europäischen Landwirtschaft einfach: weniger sture Befolgung der von Brüssel vorgegebenen Regeln, stattdessen mehr Entscheidungsmacht und Verantwortung für die Mitgliedstaaten. Dort wisse man schließlich am besten, was richtig und machbar sei für Bauern, Böden oder Tiere und könne Konzepte maßschneidern. Die Begriffe "Flexibilität" und "weniger Bürokratie" stehen daher im Mittelpunkt des Reformplans, den Hogan am Freitag in Brüssel vorstellte.

Hogan stellt sich das so vor: Die Kommission gibt wirtschaftliche, ökologische und soziale Ziele für die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) vor - etwa die Erhaltung der Natur, Klimaschutz, Wettbewerbsfähigkeit oder die Wahrung der Lebensmittelqualität. Die Mitgliedstaaten müssen dann "liefern". Sie erstellen jährliche Pläne, wie sie diese Ziele zu erreichen gedenken, die die Kommission wiederum prüft, gegebenenfalls annimmt und so das Geld freigibt, das an dieses Land fließen soll. Wegen des Brexits will EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger die Ausgaben für die GAP in der nächsten Finanzperriode von 2021 bis 2027 um fünf Prozent senken. Dann stünden noch 365 Milliarden Euro zur Verfügung. Für die GAP würden statt bisher 38 nur noch 28,5 Prozent des gesamten EU-Haushalts ausgegeben. In den Achtzigerjahren waren es mehr als 70 Prozent.

Am Prinzip der zwei Säulen der GAP - drei Viertel der Ausgaben fließen in die Direkthilfen für Landwirte, der Rest in die Entwicklung des ländlichen Raums - will Hogan nicht rütteln. Bei der ersten Säule soll weniger stark gekürzt werden als bei der zweiten. Vor allem Frankreich und Deutschland liegt enorm daran, die Einkommenszuschüsse für ihre Bauern zu sichern. Hierzulande erhält jeder Agrarbetrieb im Schnitt etwa 280 Euro pro Hektar an Direktzuschüssen. Doch sollen bis zu 15 und unter Umständen bis zu 30 Prozent der Mittel in die jeweils andere Säule umgeschichtet werden können. Vom "Greening", das 2013 erfunden worden war, ist nicht mehr die Rede. Nicht zuletzt die Rechnungsprüfer der EU hatten die Idee, Bauern für Umweltmaßnahmen wie Grünstreifen am Feld oder Hecken finanziell zu belohnen, für gescheitert erklärt.

Die deutschen Bauern müssen sich auf viel weniger Geld aus Brüssel einstellen. Statt 44 Milliarden Euro in der laufenden Sieben-Jahres-Periode blieben in der kommenden nur noch 41 Milliarden übrig. Mit den Subventionen will die EU künftig vor allem den Durchschnittslandwirten helfen. In Deutschland gab es zuletzt harte Kritik an der Praxis, dass auch profitable Großbetriebe und Konzerne von der Förderung profitieren. Nach den Plänen der Kommission soll es nun eine Art Obergrenze für die Subventionen geben. Ab 60 000 Euro pro Betrieb sollen die Gelder reduziert und bei 100 000 Euro begrenzt werden, wobei Arbeits- und Gehaltskosten angerechnet werden. Hogans Beispiel: Ein Großbetrieb, der derzeit 500 000 Euro erhalte, bekäme künftig etwa 230 000 Euro. Allerdings räumte der Kommissar ein, dass seine Behörde die Praxis, Betriebe zu zerteilen, um mehrmals zu kassieren, nicht verhindern könne. Das frei werdende Geld soll kleinen und mittleren Betrieben sowie Junglandwirten zukommen. Für Letztere sollen mindestens zwei Prozent der Direktzahlungen in jedem Land beiseite gelegt werden.

Mit dem Vorschlag der EU-Kommission dürfte nun das Feilschen unter den Mitgliedstaaten um den wichtigen Finanztopf beginnen. Sie können die Pläne ebenso noch verändern wie das EU-Parlament. Fraglich ist, ob ein Abschluss vor der Europawahl im Mai 2019 gelingt.

Angesichts der Milliardenkürzungen fiel die Reaktion in der Bundesregierung äußerst kühl aus. Der Vorschlag enthalte zwar positive Ziele, werde aber einen "intensiven Beratungsprozess" in Gang setzen, kündigte Agrarministerin Julia Klöckner an. Die geforderte bürokratische Entlastung der Landwirte sei in den Plänen noch nicht zu erkennen. "Es kann nicht sein, dass unsere Bauern mehr Zeit am Schreibtisch als auf ihren Feldern verbringen", sagte Klöckner. Auch bei Umweltvorgaben für Landwirte gebe es einige "praxisuntaugliche Probleme". Auch die Kappung der Zahlungen bei 100 000 Euro will die Bundesregierung gerne kippen. Während der Deutsche Bauernverband kritisierte, dass die Umweltauflagen für die Direktzahlungen "deutlich erhöht" würden, beklagten Umweltschützer, dass die Vergabe der Mittel nicht viel stärker und bindend an Umweltziele geknüpft werden. "Die Pläne der EU-Kommission sind ein Drama für die Artenvielfalt", sagte Nabu-Präsident Olaf Tschimpke. "Sie ignorieren auf geradezu groteske Weise eine dringend erforderliche Zweckbindung von Geldern für den Naturschutz." Nach Ansicht des EU-Abgeordneten Martin Häusling zeigt der Entwurf "eine besorgniserregende Verweigerung der Kommission, EU-weit Verantwortung zu übernehmen. Er eröffnet ein Tableau der Beliebigkeiten für die Mitgliedstaaten in Sachen Ressourcen- und Klimaschutz."

http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/landwirtschaft-weniger-aber-lokaler-1.3998360

 

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Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

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