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EU-Agrarkommissar Phil Hogan will die Unterstützung für Landwirte nicht an einheitliche Naturschutzregeln binden. Die Staaten sollen eigene Konzepte erarbeiten.

02.06.2018 14:22 Uhr
Von Stefan Sauer

Fragt man die Menschen im Lande, welche Sorte Landwirtschaft sie gerne hätten, fällt das Votum eindeutig aus. Vier von fünf Befragten gaben 2017 in einer Forsa-Erhebung an, die milliardenschweren Agrarsubventionen aus Brüssel sollten an gesellschaftlich wünschenswerte Ziele gekoppelt werden. Mehr als 90 Prozent nannten „umweltfreundliche Produktion“ und „tierfreundliche Viehhaltung“.

Mithin böte sich der Politik die Chance, mit breiter Unterstützung der Bevölkerung die europäische Agrarpolitik im kommenden Jahrzehnt neu auszurichten: Weg von der Subvention riesiger Agrarflächen, hin zur Förderung nachhaltiger Anbaumethoden, kleinerer Höfe sowie des Natur- und Umweltschutzes. Die Frage nach der Verwendung der Mittel im Agrarsektor stellt sich auch deshalb, weil es nach dem Brexit einige Milliarden weniger zu verteilen gibt.

Letzteres hat EU-Agrarkommissar Phil Hogan in seinen am Freitag veröffentlichten Vorschlägen für die kommende Förderperiode zwischen 2021 und 2027 durchaus berücksichtigt. Das Konzept sieht Agrarausgaben in Höhe von insgesamt 365 Milliarden Euro vor, also etwa 52 Milliarden pro Jahr. Aktuell Periode sind es mit jährlich rund 58 Milliarden noch deutlich mehr.

Was einen Kurswechsel in der europäischen Landwirtschaft und deren sinnhafte Subventionierung angeht, kommt Hogan indes nicht über zaghafte Ansätze hinaus. Zwar will man laut Hogan „eine ehrgeizigere Umwelt- und Klimaschutzpolitik verfolgen“. Die Umsetzung will der Ire allerdings weitgehend den Einzelstaaten überlassen. Sie sollen nationale Förderkonzepte erarbeiten und diese in Brüssel vorlegen. Ist die Genehmigung erteilt, fließen die Milliarden. Zudem plant der Kommissar Subventions-Obergrenzen: Die Fördermittel werden ungekürzt nur noch bis zu 60.000 Euro pro Betrieb und Jahr ausgezahlt, zwischen 60.000 und 100.000 Euro wird der Betrag pro Hektar gekürzt, mehr als 100.000 Euro soll kein Betrieb mehr erhalten.

An der grundlegenden Ausrichtung der gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) ändert sich aber nichts: Nach wie vor werden viele Milliarden Euro nach dem Gießkannenprinzip pro Hektar Fläche verteilt, ohne das damit nennenswerte Auflagen verbunden wären. In Umweltverbänden und bei den Grünen sorgt dieser Umstand für Fassungslosigkeit. „Die Pläne der EU-Kommission sind ein Drama für die Artenvielfalt. Sie ignorieren auf geradezu groteske Weise eine dringend erforderliche Zweckbindung von Geldern für den Naturschutz“, kritisiert Nabu-Präsident Olaf Tschimpke. Wirksame Maßnahmen „gegen den vielfach wissenschaftlich belegten dramatischen Verlust der Artenvielfalt in der Agrarlandschaft“ vorzugehen, seien nicht erkennbar.

Nach Ansicht des grünen Europaabgeordnete Martin Häusling schadet Hogan aber nicht allein der Natur und Umwelt, sondern auch dem Ansehen der EU: „Mit diesem Vorschlag verspielt Kommissar Hogan beim Steuerzahler vollends die Akzeptanz für die EU-Agrarpolitik.“ Anstatt einheitliche verpflichtende Kriterien für den Schutz von Umwelt, Nutztieren, Klima und Artenvielfalt zu entwickeln und daran die Agrarsubventionen zu koppeln, eröffne Hogan den einzelnen Mitgliedsländern ein „Tableau der Beliebigkeiten“. Schlimmer noch: Sein Konzept markiere „einen Schritt zurück in vergangene Zeiten“. Damit spielt der Grünenpolitiker auf das 2015 eingeführte „Greening“ an, das einen Teil der Brüsseler Subventionen für ökologische Maßnahmen vorsieht. Von diesem Ansatz sei in Hogans Konzept „weit und breit nichts mehr übrig geblieben“. Das Greening-Konzept sei durch die Agrarlobby zwar stark verwässert worden, der Grundgedanke aber sei richtig.

Sollten Hogans Vorschläge umgesetzt werden, wird sich für deutsche Landwirte nicht viel ändern. Zwar wird es insgesamt weniger Geld geben: EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger hat ein Ausgabenminus von fünf Prozent im Agrarbereich angekündigt. Der Löwenanteil der EU-Mittel aber wird weiterhin als Flächenprämie fließen, die große Höfe gegenüber kleinen bevorzugen. Derzeit zahlt Brüssel rund 280 Euro pro Hektar, insgesamt erhielten die landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland im vergangenen Jahr rund 6,5 Milliarden Euro. Damit liegt Deutschland gemeinsam mit Spanien hinter Frankreich auf Rang zwei der Agrarsubventionsempfänger.

http://www.fr.de/wirtschaft/eu-agrarsubventionen-ein-tableau-der-beliebigkeiten-a-1516676

 

Video

Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

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