Grüne Europagruppe Grüne EFA

Von: Nicole Sagener | EurActiv.de

Über die Wirkung von Glyphosat auf die Gesundheit wird weiter heftig diskutiert. Doch es gibt noch andere heikle Seiten des Pflanzengifts.

Glyphosat steht nicht nur im Verdacht krebserreged zu sein. Es wird auch zu hohen Kosten für Landwirte führen und die Umwelt zerstören, warnen Dutzende EU-Parlamentarier vor der erneuten Abstimmung.

Das Ringen um die Zulassungs-Verlängerung von Glyphosat geht in die nächste Runde. Eine qualifizierte Mehrheit für den Kommissionsvorschlag zur Verlängerung hatte sich bei der vergangenen Brüsseler Sitzung des zuständigen Ausschusses nicht gefunden. Nun wird sich am morgigen Freitag ein Berufungsausschuss mit dem heiß debattierten Thema befassen. Sollten die Mitgliedsländer weiterhin keine gemeinsame Position finden, kann die EU-Kommission die zeitlich befristete Weiterverwendung von Glyphosat selbst genehmigen.

Entsprechend erhitzt laufen nun die Diskussionen. Hintergrund des Streits sind vor allem unterschiedliche Meinungen darüber, ob das Herbizid krebserregend ist. Doch das, so warnen nun mehrere EU-Abgeordnete nachdrücklich, sei längst nicht der einzige heikle Punkt an Glyphosat.

Viele Insekten und Tierarten verschwinden

“Neben der Diskussion um die krebserregende Wirkung muss auch die zunehmende Zerstörung der Tier- und Pflanzenwelt berücksichtigt werden”, warnt der Grüne Europaabgeordnete Martin Häusling im Gespräch mit EurActiv.de. “Wenn wir Glyphosat weiterhin in diesen Mengen austragen, zerstören wir die Biodiversität weiter.” Die Ziele der Biodiversitätstrategie 2020, mit der die EU bis 2020 den Verlust der biologischen Vielfalt aufhalten und die geschädigte Natur wiederherstellen will, seien dann nicht zu erreichen.

Glyphosat gilt momentan zwar als eines der effizientesten Mittel gegen Unkräuter. Doch das Pflanzengift ermöglicht keine gezielte Einwirkung auf bestimmte unerwünschte Umkräuter, sondern wirkt auf alle Pflanzen. “Über die Wildkräuter verlieren wir auch viele darauf angewiesene Insekten- und Tierarten, die sich davon ernähren”, sagt Häusling, der in einem offenen Brief an Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt und Umweltministerin Barbara Hendricks sowie das zuständige Mitglied des Glyphosat-Berufungsausschusses dazu auffordert, am Freitag gegen jede technische Zulassungsverlängerung zu stimmen. Der Brief ist von 66 Abgeordneten des Europäischen Parlaments unterzeichnet.

Unkräuter werden zunehmend resistent gegen Glyphosat

„Es wird darum gehen, die Abhängigkeit der Landwirtschaftsbetriebe von zunehmend kostspieligen Produktionsmitteln zu reduzieren”, heißt es unter anderem in dem Schreiben. Dass Glyphosat, mit dem der US-amerikanische Konzern Monsanto vergangenes Jahr Milliardenumsätze gemacht hat, auf Dauer teuer für die Landwirte sein wird, dafür gibt es laut Häusling mehrere Gründe: “Die massenhafte Anwendung von Glyphosat aus ökonomischen Gründen führt dazu, dass wir uns schnell Resistenzen der Unkräuter gegen das Herbizid einhandeln”, sagt er.

Dieses Phänomen ist jetzt schon in den USA zu beobachten, wo Glyphosat deutlich mehr eingesetzt wird. Dort müssen die Dosen der Chemikalie massiv erhöht werden, dennoch reagieren manche Pflanzen gar nicht mehr darauf. “Darum sollte die Landwirtschaft solche Herbizide nur noch in Ausnahmefällen nutzen und mehr mechanische Methoden einsetzen”, mahnt Häusling.

Mehr Unabhängigkeit vom Soja-Import

Auch die Bundesumweltministerin und die SPD-geführten Ministerien lehnen eine Verlängerung der Zulassung inzwischen ab. Hendricks hatte diesbezüglich auch kritisiert, die bisherige staatliche Förderung der Bauern nach der Größe der Landwirtschaftsfläche sei “ein unsinniges Prinzip”. Die Förderungen sollten auch an die Umweltleistung gekoppelt werden – eine Forderung, die Häusling unterstützt. “Bio sollte hier das Leitbild sein, aber auch nicht der nicht-ökologische Landbau  kann umweltschonender arbeiten, zum Beispiel durch größere Fruchtfolgen und den Anbau von Leguminosen, sagt er.

Europa importiert zurzeit sehr viel Soja als Futtermittel vor allem aus Südamerika. Würden die Bauern  jedoch mehr heimische Leguminosen wie Erbsen, Lupinen, Klee oder Luzerne anbauen, könnten sie zum einen Mineraldünger sparen und zum anderen dafür sorgen, dass der Acker ohne die Verwendung von Glyphosat umkrautfrei ist, ist Häusling überzeugt. “Das wären relativ einfache Maßnahmen, die nebenbei auch zu mehr Import-Unabhängigkeit führen. Aber den Einsatz von Leguminosen hat man den Bauern aberzogen, denn dann würden chemische Industrie und Handel weniger profitieren.” Hier sei ein Umdenken dringend nötig.
Weitere Informationen

Im Fachausschuss zur weiteren Zulassung des Herbizids Glyphosat hatten zuletzt 20 Länder für den Vorschlag von EU-Kommissar für Gesundheit, Vytenis Andriukaitis plädiert, demzufolge Glyphosat zunächst für einen Zeitraum von bis zu 18 Monaten - bis zur Vorlage eines Gutachtens der EU-Chemieagentur - zugelassen werden soll. Die Kommission, so Andriukaitis, tue alles Mögliche, um eine auf verlässicher wissenschaftlicher Grundlage stehende Lösung in der Diskussion zu finden. Die bisherige Frist für die Verwendung des Mittels läuft am 30. Juni aus.

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Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

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