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Süddeutsche Zeitung - Die Brüsseler Kommission scheitert auch mit ihrem dritten Vorschlag. Ein Verbot des Pestizids gilt jedoch als unwahrscheinlich, das Gezerre geht weiter.

Von Thomas Kirchner, Kristinia Ludwig, Michael Bauchmüller und Silvia Liebrich, Brüssel/München

Die Zukunft des Unkrautvernichters Glyphosat ist ungewiss. Am Montag scheiterte der dritte Versuch der EU-Kommission für eine Neuzulassung des umstrittenen Pestizids. Die EU-Staaten konnten sich nach Angaben von EU-Diplomaten im zuständigen Agrar-Fachausschuss nicht auf eine befristete Neugenehmigung von 18 Monaten einigen, weil die nötige qualifizierte Mehrheit fehlte. Dafür hätten 55 Prozent der Mitgliedstaaten zustimmen müssen, die zusammen 65 Prozent der europäischen Bevölkerung repräsentieren. Tatsächlich stimmten 20 Länder zu, sieben enthielten sich, darunter Deutschland, weil sich dort Agrar - und Umweltministerium nicht auf eine gemeinsame Linie einigen können. Eine Gegenstimme kam aus Malta.

Doch wie geht es nun weiter? Die Zeit drängt, Ende Juni läuft die derzeitige Zulassung des Wirkstoffs aus. Hersteller dürften glyphosathaltige Mittel dann nur noch ein halbes Jahr verkaufen, Bauern könnten es noch für ein ganzes Jahr versprühen. Dann wäre das Mittel verboten. So weit wird es die EU-Kommission aber vermutlich nicht kommen lassen, auch wenn sie sich zunächst nicht zum weiteren Vorgehen äußerte.

Eine weitere Option wäre es, den sogenannten Berufungsausschuss anrufen. Doch auch in diesem Gremium sitzen Vertreter aller EU-Mitgliedstaaten unter Vorsitz der Kommission. Die Abstimmungsregeln sind die gleichen wie im Fachausschuss: Ein Vorschlag der EU-Kommission muss dort ebenfalls mit der qualifizierten Mehrheit der Mitgliedstaaten angenommen werden, sonst gilt er als abgelehnt. Die EU-Kommission schreibt auf ihren Internetseiten, dass der Berufungsausschuss die Möglichkeit zur neuerlichen Diskussion biete. Inwieweit sie jetzt noch Verhandlungen im Hintergrund startet, um die qualifizierte Mehrheit zu erreichen, ist jedoch noch unklar. Ein anderer Ausweg bestünde für die Kommission darin, die derzeitige Genehmigung außerplanmäßig um 18 Monate zu verlängern, mit oder ohne Plazet der Mitgliedsländer. Martin Häusling, Agrarexperte der Grünen im EU-Parlament, hält diese Lösung für die wahrscheinlichste. Dies wäre zulässig, weil die Neugenehmigung grundsätzlich ein Verwaltungsakt ist, für den die Kommission nicht unbedingt die Zustimmung der Länder braucht. Weil die Entscheidung jedoch heikel ist, hat sie einen Alleingang bisher abgelehnt. Hintergrund ist unter anderem der Streit um Gesundheitsgefahren. Während die EU-Lebensmittelaufsicht Efsa den Stoff für unbedenklich hält, warnen Experten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) vor möglichen Krebsrisiken. Für eine Klärung des Streits soll nun das EU-Chemikalieninstitut Echa in Helsinki sorgen, das Glyphosat derzeit prüft. Ein Ergebnis wird in 18 Monaten erwartet. Die Kommission könnte eine mögliche Verlängerung der Genehmigung damit begründen, meint Häusling.


Hersteller fordern die Zulassung. Bauern seien auf das Mittel angewiesen, heißt es dort

Die Arbeitsgemeinschaft Glyphosat kritisierte das Abstimmungsergebnis: "Das abrupte Auslaufen der Zulassung von Glyphosat hätte sehr ernste Folgen für Landwirte in ganz Europa", warnte der Herstellerverband. Die Bauern seien auf den Wirkstoff zur Sicherung ihrer Erträge angewiesen. Lob kam von Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD): "Viele Mitgliedstaaten möchten erst die Frage der Krebsrisiken geklärt sehen, bevor Glyphosat weiter auf unseren Äckern eingesetzt werden kann." Verständnislos reagierte dagegen Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU): "Ich sehe es mit Sorge, dass in einer solchen Frage Politik nach Belieben betreiben wird und nicht auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse." Aus seiner Sicht bestehen keine Zweifel an der gesundheitlichen Unbedenklichkeit von Glyphosat. Die EU-Kommission wollte die Entscheidung nicht kommentieren. Die Verantwortlichkeiten in dem Verfahren seien klar, sagte ein Sprecher, die Mitgliedstaaten sollten sich nicht hinter der Kommission verstecken. Dies hatte vergangene Woche schon Kommissar Vytenis Andriukaitis gesagt - was das Bundesumweltministerium mit leichter Verärgerung kommentierte.