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heute.de -  von Hermann Bernd

Die Milchpreise sind seit Monaten im Keller. Die meisten Milchbauern ächzen darunter, machen mit jedem Liter Miese. Immer mehr Landwirte entdecken deshalb die Öko-Nische für sich - und bekommen so bis zu 1,49 Euro pro Liter.

Die kleine Gemeinde Breiholz ist genauso, wie sich viele Schleswig-Holstein vorstellen. Flaches Land, viele Felder und Weiden – idyllisch gelegen am Ufer des Flusses Eider. Viele der 1.350 Einwohner leben von der Landwirtschaft.

Auch die Familie von Sönke Asmussen. Schon Vater, Großvater und Urgroßvater betrieben hier den Milchhof. Doch nie war die Lage schwieriger als in diesen Tagen, sagt Asmussen. Der 57-Jährige bewirtschaftet den Hof mit seiner Frau Ulrike und dem 24-jährigen Sohn Torben. Und sie machen eine einfache Rechnung auf: Die 150 Milchkühe geben rund 4.000 Liter Milch am Tag. 25 Cent bekommt die Familie dafür pro Liter, Tendenz fallend. 36 Cent pro Liter aber brauche man, um kostendeckend zu arbeiten, jeden Tag mache der Betrieb so 440 Euro Miese, sagt Asmussen.

Einmal im Jahr ist Tag des offenen Hofes. Dieses Mal sind mehr als 2.000 Besucher auf den Hof der Asmussens gekommen, auch um sich über die Lage der Milchbauern im Lande zu informieren. Sönke Asmussen stellt sich den Besuchern, erzählt von hohen Investitionen und von einem Virus, der zurzeit in einigen Betrieben im Norden umgeht und zusätzlich belastet, weil Kühe in betroffenen Betrieben dann nicht verkauft werden dürfen. Rinder-Herpes heißt die Krankheit – weitere Verluste bedeutet es für die Asmussens, die seit Monaten vom Ersparten leben oder auf Nebengeschäfte setzen.

Jungbauer Torben zeigt stolz die "Milchtankstelle", ein zweites Standbein und zusätzliche Einnahmequelle. Für einen Euro pro Liter verkaufen sie vor Ort die Milch direkt an Kunden. Das kommt an in Breiholz. Die Kunden stehen Schlange – viele sagen, man müssen die Milchbauern jetzt unterstützen. Milch unter 50 Cent im Discounter, das gehe nicht, selbst der Liter Benzin sei ja teurer.

Sollte sich die Politik einmischen?

So sehen es auch Landesagrarminister Robert Habeck (Grüne) und Schleswig-Holsteins Bauernpräsident Werner Schwarz. Beide sind zum Tag des offenes Hofes nach Breiholz gekommen sind und betonen, die Situation der Milchbauern sei nicht mehr hinnehmbar, Zehn bis 15 Prozent der mehr als 4.300 Milchbetriebe im Norden stünden vor dem Aus. Doch damit enden die Gemeinsamkeiten der beiden. Habeck schlägt zur Lösung ein Eingreifen der Politik vor. Man brauche eine neue Quote, um die Milchmenge zu reduzieren. Das wolle aber weder die Bundesregierung, noch die EU-Kommission. Die sitzen das Problem aus - so Habecks Vorwurf.

Von staatlicher Regulierung hält Bauernpräsident Schwarz dagegen gar nichts. Er hofft, dass die Preise bald wieder anziehen. Viel wichtiger aus seiner Sicht: Bürokratieabbau für die Landwirte. Der Aufwand sei enorm, eine Entlastung könnte bis zu drei Cent aus seiner Sicht bringen - immerhin.

Bauer Achim Bock aus Lutzhorn

Und während Politik und Verbände über viele kleine Schritte zur Bewältigung der Krise nachdenken, entdecken immer mehr Milchbauern die Öko-Nische. Achim Bock aus Lutzorn setzt seit 16 Jahren darauf. Seine 49 Tiere bekommen nur Gras und Heu. Mit zwei anderen Milchbauern gründete er die "Melkburen", sie vermarkten ihre Produkte gemeinsam und bekommen zurzeit 1,49 Euro pro Liter.

Viele Bauern wollen Bio machen
Es gehe ihm wirtschaftlich gut, sagt Bock. Und die positive Lage der Öko-Milchbauern spricht sich rum. Mehr als 15 Betriebe im Norden haben schon einen Wechsel in diesem Jahr beantragt. In der Öko-Szene aber wird der Bioboom mit gemischten Gefühlen gesehen. Ein Grund ist die Sorge, dass bei einem Überangebot etwa von Biomilch die Preise ebenso in den Keller gehen könnten wie auf dem konventionellen Milchmarkt. Und damit der Preisdruck auf den Bio-Milchmarkt druchschlägt.

Wann endet die Milchschwemme?

Wie ist die Lage in Deutschland?
Bedenklich. Etwa 75.000 Milchbauern gibt es hierzulande nach Angaben des Agrarministeriums, Stand 2014. Tausende haben die Milchviehhaltung in den vergangenen Monaten aufgegeben, viele andere bangen um ihre Existenz. Erst Anfang Mai hat der Discount-Marktführer Aldi die Preise für einen Liter frische Vollmilch von 59 auf 46 Cent heruntergesetzt - das hat Signalwirkung für den gesamten Handel.


Was wollen die deutschen Bauern?
Finanzielle Hilfen sind natürlich willkommen und auch in Zukunft gefragt, zudem verlangen sie eine Neuregelung der Beziehungen von Milcherzeugern, Molkereien und dem Handel. Die Geister scheiden sich aber am Thema Milchquote. Während der Deutsche Bauernverband (DBV) ihr nicht nachtrauert, verlangt der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM), finanzielle Zuschüsse an eine Verringerung der Produktion zu koppeln. Die jahrelang praktizierte EU-Milchquotenregelung war im vergangenen Jahr ausgelaufen. Zuletzt konnten die Bauern so viel melken wie sie wollten.


Was hat Brüssel bisher für die Branche getan?
Im September 2015 einigten sich die EU-Agrarminister auf ein Notprogramm in Höhe von 500 Millionen Euro. Damit sollten Finanzhilfen und Stützungsprogramme finanziert werden. Auf Deutschland entfielen etwa 69 Millionen Euro. Im März hatte die EU zudem den Weg für freiwillige, zeitlich begrenzte Mengenreduzierungen in den EU-Staaten für Milchprodukte freigemacht. Produzenten können sich nun absprechen, ohne kartellrechtlich in Schwierigkeiten zu geraten. Der BDM kritisiert allerdings, dass diese freiwillige Mengendrosselung nur einen Flickenteppich ergebe.


Was tut die Bundesregierung?
Eine neue Milchquote kommt für Agrarminister Christian Schmidt (CSU) nicht in Frage. Sein Credo: "Die Milchkrise muss im Markt gelöst werden." Für die Reduzierung der Milchmenge setzt er auf Freiwilligkeit. Schon jetzt greift der Bund Bauern in Not finanziell unter die Arme.


Und was macht die EU-Kommission?
Durch das russische Importembargo für EU-Agrarprodukte in Folge des Ukraine-Konflikts gingen für die heimische Branche wichtige Abnehmer verloren. Die Brüsseler Behörde verstärkt seitdem ihre Bemühungen, für die europäischen Agrarprodukte andere Märkte zu erschließen. EU-Agrarkommissar Phil Hogan reist immer wieder zu Gesprächen, zuletzt war er etwa in Mexiko und Kolumbien.


Worüber wird in Brüssel nun noch gestritten?
Einige Kritiker halten die bisherigen Maßnahmen für nicht ausreichend, anderen gehen sie in die falsche Richtung. Mit der einseitigen Ausrichtung auf den Export werde Bauern, Verbrauchern, Umwelt und den Zielländern gleichermaßen geschadet, sagt etwa der grüne Europaparlamentarier Martin Häusling. Die Orientierung auf den Weltmarkt fördere die Produktion von Massenware und schade auch der Entwicklung einheimischer Märkte mit existenzsichernden Einkommen für Erzeuger in Drittländern.
Manche EU-Staaten fordern für den heimischen Markt stärkere Mengenregulierungen und Ausgleichszahlungen auf EU-Ebene. Besonders kritische Töne schlägt Paris an. Französische Bauern protestieren immer wieder besonders heftig gegen die niedrigen Preise.


Wie soll es weitergehen?
Für stärkere Regulierungen gibt es auf EU-Ebene derzeit keine Mehrheit. Deutschland und etliche andere Länder, vor allem in Mittel- und Nordeuropa, sehen darin vielmehr Rückschritte. Eine Reihe von Ländern hat außerdem noch nicht die vollen Beträge aus dem September-Hilfspaket abgerufen, heißt es in Brüssel. Bis zum Sommer ist nicht mit weiteren Entscheidungen zu rechnen. Erst soll beurteilt werden, wie die im März verabschiedeten Maßnahmen wirken. Ende Juni ist ein weiteres Treffen der EU-Landwirtschaftsminister geplant.


Und wie sieht es konkret in Deutschland aus?
CDU und CSU planen ein Hilfspaket von "100 Millionen Euro plus X". Details stehen noch nicht fest, im Gespräch sind aber Zuschüsse zur Unfallversicherung, Bürgschaften, damit Banken den Landwirten weiter Geld leihen, und Freibeträge zum Abbau von Schulden. Am 30. Mai lädt Minister Schmidt zum "Milchgipfel" - dort will er Erzeuger, Molkereien und den Handel an einen Tisch bringen. Kritik daran kommt vom BDM: Die Landwirte hätten "keine Zeit mehr für eine weitere Gesprächsrunde".

Video

Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

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