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Tagesschau online - Glyphosat steht im Verdacht, Krebs zu erregen. Die Agrarindustrie will den Unkrautvernichter trotzdem weiter nutzen. Auf EU-Ebene steht kommende Woche die Entscheidung zur Neuzulassung an - und sie wird nach ARD-Informationen so ausfallen, wie Glyphosat-Gegner befürchten.

Von Sebastian Schöbel, ARD-Studio Brüssel

Weitere neun Jahre will die EU-Kommission Glyphosat als Unkrautvernichter zulassen. So steht es in einem Vorschlagspapier der Kommission, das dem ARD-Studio Brüssel vorliegt. Darin heißt es: Nach Prüfung durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA und langen Beratungen zwischen den EU-Mitgliedern sei "die erneute Genehmigung von Glyphosat angebracht".

Empfehlungen des Parlaments kaum übernommen

Die Neun-Jahres-Frist soll vom 1. Juli an gelten, damit dürfte das Mittel bis Sommer 2025 eingesetzt werden. Und zwar sowohl von Landwirten, als auch von Hobbygärtnern. Den Grünen-Europaabgeordneten Martin Häusling macht das ziemlich sauer. "Die Empfehlungen, die das Parlament abgegeben hat, sind zwar nicht verbindlich. Aber übernommen wurde davon auch kaum etwas."

Maximal weitere sieben Jahre wollten die EU-Parlamentarier Glyphosat auf dem Markt sehen. Die Kommission hatte ursprünglich sogar 15 Jahre angepeilt. Mit neun Jahren ist man nun etwa in der Mitte angekommen.

Auch auf Spielplätzen nicht verboten

Doch das EU-Parlament hatte noch viel mehr gefordert: Dem Einsatz von Glyphosat sollten enge Grenzen gesetzt werden - was sich im Vorschlag der Kommission aber nicht wiederfinde, so Häusling. Es gebe keine Einschränkungen beim Laiengebrauch, es müssten nicht - wie vom Parlament gefordert - erst Alternativen geprüft werden und es gebe auch keine Einschränkung, "dass nicht mehr vor der Ernte Sachen totgespritzt werden". Das sei alles nur noch "als Empfehlung drin, aber nicht verbindlich".

Auch das Verspritzen von Glyphosat in öffentlichen Parks, auf Kinderspielplätzen und Bahnanlagen wollten die EU-Parlamentarier verbieten. Im Vorschlag der Kommission heißt es nun lediglich, die EU-Mitglieder sollten die Auswirkung des Mittels auf Pflanzen und Menschen "besonders beobachten". Sollte es neue wissenschaftliche Erkenntnisse geben, wegen denen Glyphosat als gesundheitsgefährdend eingestuft werden müsste, will die Kommission die Zulassung sofort entziehen.

Doch genau diese Erkenntnisse gebe es schon, sagt Franziska Achterberg von Greenpeace: Die Weltgesundheitsorganisation selbst hatte 2015 in einer Studie festgestellt, dass Glyphosat wahrscheinlich Krebs verursachen kann. Nun prüft auch die Europäische Chemieagentur, ob Glyphosat krebserregend ist - das Ergebnis stehe aber noch aus, so Achterberg. "So lange wir keine endgültige Aussage darüber haben, sollten wir diesen Stoff nur eingeschränkt verwenden."

Erst die Neuzulassung, dann die Negativ-Liste

Für gänzlich unproblematisch hält die EU-Kommission Glyphosat übrigens gar nicht. Sie schlägt zum Beispiel vor, dass hochgiftige Tallowamine, die häufig in Glyphosat als Zusatzstoff vorkommen, ganz verboten werden. Für weitere bedenkliche Zusatzstoffe soll eine Negativ-Liste erarbeitet werden. Aber erst später, jetzt soll erst einmal die Neuzulassung her.

Was Franziska Achterberg von Greenpeace nicht nachvollziehen kann. "Die Kommission ignoriert das Parlament, sie ignoriert die Forderung der Zivilgesellschaft, dass man erst eine endgültige wissenschaftliche Analyse abwarten soll, sondern schlägt einfach vor, dass es weitergeht." Glyphosat-Gegner hoffen nun, dass das Bundesumweltministerium den Vorschlag der EU-Kommission ablehnt. Dann müsste sich Deutschland bei der Abstimmung über die Genehmigung des Mittels enthalten.

Tatsächlich kündigten Umweltministerin Barbara Hendricks heute in einer Mitteilung an, dass die SPD-geführten Bundesministerien dagegen seien, Glyphosat in der EU erneut zuzulassen. Ob gesundheitliche Bedenken zurecht bestünden, sei umstritten. "Solange wir nicht zweifelsfrei wissen, ob Glyphosat für die Gesundheit unbedenklich ist, sollten wir diese Chemikalie auch nicht zulassen", so Hendricks.
Bundesregierung trieb Zulassung voran

Weil auch Frankreich und Schweden Bedenken haben, könnte es am Ende keine Mehrheit im Ausschuss geben - was vor allem für die Bundesregierung peinlich wäre. Schließlich hat Deutschland die Zulassung von Glyphosat maßgeblich vorangetrieben in Brüssel. Allerdings kann die Kommission auch den Ausschuss ignorieren und das Mittel einfach im Alleingang erneut zulassen.