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Rheinische Post - Brüssel. Der Musterschüler in Umweltpolitik bekommt beim Trinkwasserschutz eine Sechs. Von Markus Grabitz

Die EU-Kommission verklagt Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) wegen der anhaltenden Verschmutzung der Gewässer mit Nitrat. Der Agrarexperte und Europaparlamentarier Martin Häusling (Grüne) sagt: "Es ist peinlich für unser Land, dass wir bestehendes Umweltrecht nicht umsetzen." Der Verband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) spricht von "einer Ohrfeige für die Landwirtschaftspolitik".

Zu viel Nitrat im Wasser ist für Mensch und Umwelt schlecht. Kleine Kinder und ältere Menschen können durch zu viel Nitrat im Trinkwasser krank werden. Hinzu kommt: Die meisten Pflanzen, die hierzulande vom Aussterben bedroht sind, vertragen viel Nitrat nicht.

Das meiste Nitrat gelangt über Kunstdünger, vor allem aber durch Gülle aus der Schweinehaltung in die Gewässer. Laut Umweltbundesamt haben Industrie, Verkehr und Energiewirtschaft zuletzt die Freisetzung von Stickstoff deutlich reduziert. Nicht so die Landwirtschaft. Ihr Anteil an der Stickstoffemission beträgt gut 60 Prozent. Vor allem in Regionen mit intensiver Schweinehaltung erreicht die Nitratbelastung im Grundwasser alarmierende Werte. Dazu passt: Während Nachbarländer die Schweinezucht reduziert haben, entwickeln sich einige Regionen wie etwa um Cloppenburg und Vechta in Niedersachsen zum größten Schweinelieferanten des Kontinents. Bundesweit wächst der Schweinebestand permanent. Lag der Bestand 1995 bei 24 Millionen Tieren, waren es 2015 bereits 28 Millionen . Der Boom bei Biogasanlagen spielt auch eine Rolle. Seit zehn Jahren wird dafür im großen Stil Mais angebaut. Der Mais verträgt als Pflanze viel Dünger. Was die Pflanze nicht aufnimmt, landet im Grundwasser. Hinzu kommt, dass die Abfälle der Biogasanlagen als Dünger wieder auf die Felder gebracht werden. 2012 musste Deutschland an die zuständige EU-Behörde die Meldung machen, dass an 14 Prozent der Messstellen der Nitratgrenzwert von 50 Milligramm pro Liter Grundwasser überschritten wird. An 40 Prozent der Messstellen hat der Wert seit der letzten Messung zugenommen.

Warum tut sich nichts? Bislang scheut sich die Politik, den Bauern schärfere Vorschriften beim Düngen zu machen. Da die Erträge in der Landwirtschaft ohnehin dürftig seien, könne man ihnen das nicht zumuten. Die EU verlangt aber; den Bauern vorzuschreiben, nur so viel Dünger auf die Felder zu bringen, wie der Boden aufnimmt. Das könnte teuer werden: Wer zu viel Gülle produziert, müsste sie entsorgen lassen. Etwa per Tankwagen in andere Regionen fahren. Ein Kenner der Szene: "Das kostet schnell 10.000 Euro." Eine ganz andere Frage sei die Sache mit der Kontrolle. "Selbst wenn wir eines Tages die Vorschriften haben, wer überprüft sie dann?"