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Tagesspiegel - Von Albrecht Meier

Die EU-Kommission plant für Bio-Produkte strengere Pestizid-Grenzwerte. Doch das Europaparlament macht nicht mit.

Wer Bio-Möhren auf den Speiseplan setzen will, muss nicht lange suchen. Im Supermarkt um die Ecke gibt es verpacktes „Bio-Suppengemüse“, das natürlich auch „Bio-Karotten“ enthält. Im Discounter liegen Möhren der Marke „Gut Bio“ im Regal. Und der Bio-Supermarkt ein paar Straßen weiter lässt sich sowieso nicht lumpen – hier können sich Kunden an gewaschenen Demeter-Karotten bedienen.

Das Geschäft mit Bio-Produkten boomt. Nach Angaben der EU-Kommission hat sich der Markt mit ökologisch erzeugten Lebensmitteln im vergangenen Jahrzehnt vervierfacht. Das hat allerdings zur Folge, dass sich Kunden auch die Frage stellen, ob überall wirklich Bio drinsteckt, wo Bio draufsteht. Mehrere Skandale in der Branche haben das Vertrauen der Verbraucher erschüttert. In Italien wurden über Jahre hinweg mehr als 700 000 Tonnen Mehl, Soja und Trockenfrüchte als Bio- Waren verkauft, obwohl sie aus konventionellem Anbau stammten. Ende 2011 ließen italienische Beamte die Betrügerbande hochgehen, deren angebliche Bio-Produkte vor allem aus Rumänien und anderen osteuropäischen Ländern kamen. Zuvor war ein Teil der Ware auch nach Deutschland gelangt.

Der Europäische Rechnungshof legte Mängel im Kontrollsystem offen

Im folgenden Jahr veröffentlichte der Europäische Rechnungshof dann einen Bericht, in dem Mängel im Kontrollsystem der Öko-Branche kritisiert wurden. Damit war das Maß für die EU-Kommission voll. Die Brüsseler Behörde nahm eine komplette Überarbeitung der europäischen Öko-Verordnung in Angriff. Dieses EU-Gesetz stammt ursprünglich aus dem Jahr 1991 und wurde bereits 2009 schon einmal überarbeitet. Es setzt einen Mindeststandard für die Öko-Produktion fest. Produkte, die diesen Standards genügen, bekommen das lindgrüne Öko-Siegel der EU – ebenjenes Siegel, das sich auch auf den Bio-Möhren im Supermarkt findet.

Im März des vergangenen Jahres präsentierte die Kommission nun ihren Entwurf für die Revision der Öko-Verordnung. „Die Kommission strebt nach mehr und besseren Bio-Erzeugnissen für die EU“, sagte der damalige Agrarkommissar Dacian Ciolos seinerzeit. Er rühmte die Arbeit seiner Behörde mit den Worten, dass das Paket zur Generalüberholung der geltenden Verordnung „Verbrauchern und Landwirten gleichermaßen“ zugutekomme. Doch vor allem die Öko-Bauern sehen das anders. Sie wittern bis heute hinter dem Brüsseler Gesetzespaket den Versuch, ihren Markt zu beschneiden.
Berichterstatter Häusling lehnt Gleichsetzung von "bio" und "schadstofffrei" ab

Und so folgte auf die Präsentation des Rumänen Ciolos ein langwieriger Gesetzgebungsprozess, an dem viele Akteure in Berlin und Brüssel mitwirken. In diesen Tagen kommt es im Europaparlament zum Schwur, wenn die Abgeordneten ihre Position zum Gesetzesentwurf der Kommission beschließen. Als Knackpunkt gilt der Vorschlag der Brüsseler Behörde, den Bio-Bauern strengere Grenzwerte bei den Pestiziden aufzuerlegen als den konventionellen Landwirten. Nach den Vorstellungen der Kommission soll ein Produkt nur noch dann als „bio“ vermarktet werden können, wenn ein ähnlich niedriger Schwellenwert wie bei der Babynahrung eingehalten wird. „Es wäre problematisch, wenn man ,bio‘ als ,schadstofffrei‘ definieren würde“, sagt der Grünen-Europaabgeordnete Martin Häusling.
Am Mittwoch wollen die Experten im EU-Parlament eine gemeinsame Linie festzurren

Häusling ist als Berichterstatter zur Revision der Öko-Verordnung dafür verantwortlich, für das gesamte EU-Parlament eine Position zum Kommissionsvorschlag auszuarbeiten. Am kommenden Mittwoch will er sich in Straßburg mit den Kollegen treffen, die in den anderen Fraktionen für das Dossier zuständig sind. „Wir wollen die beiden großen Fraktionen mitnehmen“, sagt Häusling und meint damit die konservative Europäische Volkspartei (EVP) sowie die Sozialdemokraten. Wenn alles glatt läuft, soll Häuslings Stellungnahme im Agrarausschuss am 13. Oktober eine Mehrheit finden. Danach kann in einem Schnellverfahren der sogenannte Trilog zwischen EU-Kommission, den europäischen Agrarministern und dem Europaparlament beginnen, in dem die Neufassung der Öko-Verordnung weiter festgezurrt wird.

Der gelernte Landwirt Häusling kann darauf zählen, dass er im EU-Parlament viel Unterstützung findet für seine Ablehnung strengerer Grenzwerte bei den Erzeugnissen der Öko-Landwirtschaft, für die der Verzicht auf synthetische Pestizide ohnehin zum Credo gehört. „Es soll keine separaten Schwellenwerte für Bio-Produkte geben“, sagt der CDU-Europaabgeordnete Norbert Lins, der in der EVP-Fraktion für die Neufassung der Öko-Verordnung zuständig ist.
Öko-Verband hat nichts gegen Stichproben

Ähnlich sieht das auch Felix Prinz zu Löwenstein. Der Präsident des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft hat nichts gegen Laboranalysen, die dabei helfen können, möglichen Betrügereien auf die Spur zu kommen. Solche Stichproben sind bereits nach der gegenwärtigen Fassung der Öko-Verordnung vorgeschrieben. Die Einführung eines eigenen Grenzwerts für ökologisch erzeugte Lebensmittel hält Löwenstein aber für verfehlt. „Wenn ich sage, dass bei Bio-Bauern nichts drin sein darf, dann heißt das letzten Endes, dass es keinen Bio-Landbau geben darf“, warnt der Verbandschef. Schließlich sei es nicht auszuschließen, dass auch das Feld eines Bio-Bauern durch den Nachbarn, der konventionell wirtschaftet, mit Pestiziden kontaminiert werde. Ein solches Risiko trügen etwa Bio-Weinbauern, deren Betriebe häufig vergleichsweise klein sind.
Weltweiter Standard nach EU-Vorbild wird abgelehnt

Probleme hat Löwenstein auch mit einem anderen Punkt der Revision der EU-Kommission. Dort geht es um eine strengere Kontrolle von Bio-Lebensmitteln, die aus Drittländern außerhalb der EU importiert werden. Auch diese Importe sollen nach dem Willen der Kommission künftig nach den geltenden EU-Standards kontrolliert werden. Einerseits findet es Löwenstein vernünftig, dass die EU-Behörde nicht an der geltenden Regelung rütteln will, der zufolge Lebensmittel ohne Einschränkungen aus den Nicht-EU-Ländern eingeführt werden, deren Kontrollvorschriften den EU-Standards entsprechen. Die gilt beispielsweise für Lieferungen aus Costa Rica, der Schweiz oder den USA. Welche Öko-Richtlinien sollen aber beispielsweise gelten, wenn Ananas aus Uganda importiert werden, wo es keinen unmittelbar mit der EU vergleichbaren Standard gibt? „Die EU-Kommission hat mittlerweile selbst kapiert, dass dies nicht möglich ist“, sagt Löwenstein. Statt einer weltweiten Angleichung der Prüfmethoden nach EU-Vorbild schlägt er vor, dass sich die Europäische Union künftig an den Standards der Internationalen Vereinigung der ökologischen Landbaubewegungen (IFOAM) orientieren solle, die in den einzelnen Weltregionen voneinander abweichen.

Löwenstein versteht ohnehin nicht, dass sechs Jahre nach der letzten Überarbeitung der Öko-Verordnung jetzt wieder eine Novelle ansteht. Die Revision, so lautet sein Fazit, habe einen „enormen Aufwand und Rechtsunsicherheit für die Öko-Branche“ zur Folge.

 

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Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

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