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Klimaretter - Der VW-Skandal um manipulierte Abgaswerte in den USA ist offenbar nur die kriminelle Variante eines seit Jahren bekannten Missstandes. Um 20 bis 30 Prozent liegen bei bei den üblichen Testverfahren die Abgaswerte im Labor und im realen Fahrleben auseinander. Der EU-Umweltausschuss will heute über veränderte Testverfahren abstimmen.

Von Jörg Staude

Über ein "Potpourri" ganz verschiedener Vorlagen will am Mittwoch der Umweltausschuss des Europäischen Parlaments abstimmen. Im Bundestagsjargon nennt man so etwas ein Artikelgesetz, wenn die Regierung in ein Paket alle möglichen Regelungen hineinpackt, die sie sonst nirgends untergebracht hätte.

Dem Umweltausschuss liegt ein Bericht des christdemokratischen Abgeordneten Albert Deß über den Entwurf zur Änderung der Verordnungen 715/2007 und 595/2009 zur Verringerung der Schadstoffemissionen von Straßenfahrzeugen vor. Da ist die Rede von Methan-Emissionen von Erdgasfahrzeugen, es geht um die Klassifizierung von Fahrzeugen mit wechselnden Aufbauten und – was der Ausschuss-Sitzung aktuelle Brisanz verleiht – um die Messung der sogenannten Real Driving Emissions (RDE) bei Dieselfahrzeugen, also der Emissionen unter mehr oder weniger realen Fahrbedingungen.

Das Problem, den realen Abgas-Ausstoß zu bestimmen, ist nicht erst eins, seit der VW-Konzern die realen Emissionen seiner Dieselautos in den USA um das bis zu 40-Fache geschönt hat. Schon 2013 sollen zum Beispiel, ganz ohne manipulative Software, die Angaben der Hersteller und der reale CO2-Ausstoß der Pkw um fast 40 Prozent auseinandergedriftet sein. Mit einem neuen Prüfverfahren, der Worldwide harmonized Light vehicles Test Procedure (WLTP), will man mehr Transparenz und Realitätsnähe schaffen. Das ist überfällig: Seit Mitte der 1990er Jahre werden die CO2-Emissionen von Pkw und leichten Nutzfahrzeugen auf Basis des Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) unter, fast möchte man sagen, idealen VW-Bedingungen ermittelt.

Dieselfahrzeuge gelten als besonders schadstoffintensiv. Für Nutzfahrzeuge sind mit der Euro-6-Norm bereits Messungen im realen Fahrbetrieb vorgeschrieben. Nun will die EU-Kommission bis 2017 die RDE-Gesetzgebung auch für Pkw einführen, zumindest für den Ausstoß von Stickoxiden. RDE könnte so ein Teil der Emissionsprüfung eines Autoyps werden. Der Teufel scheint aber auch bei den realen Fahremissionen im Detail zu stecken. Derzeit werden in der EU-Bürokratie Einzelheiten zu den Fahrkonditionen und anderen Randbedingungen bei RDE diskutiert. Im Umweltausschuss soll es, wie zu hören ist, auch um sogenannte Konformitätsfaktoren gehen, um WLTP-Ergebnisse mit der RDE-Messung kompatibel machen zu können.

Für mehr Leistung wird die Abgasreinigung abgeschaltet

Der nüchterne gesetzgeberische Vorgang hat einen handfesten Hintergrund. Nach Informationen der Deutschen Umwelthilfe (DUH) setzen auch Autohersteller wie BMW, Daimler, Opel und Ford insbesondere in Europa Abschalteinrichtungen bei der Abgasreinigung ein, um noch mehr Leistung aus den Motoren herauszuholen. Damit nähmen diese bewusst eine rechtswidrige Nichteinhaltung der in Euro-Klassen definierten Abgasgrenzwerte und die Vergiftung der Atemluft in Kauf, vor allem mit Stickstoffdioxid, prangert die Deutsche Umwelthilfe (DUH) an.

Zugleich laufen wegen der Nichteinhaltung der Schadstoffgrenzwerte besonders in den Städten schon gegen insgesamt zehn EU-Länder, darunter Deutschland, EU-Vertragsverletzungsverfahren. Die Einführung eines scharfen, realitätsnahen Abgastests für Diesel-Pkw könnte die Verursacher dieser Umweltschädigung mit einem Schlag bloßlegen.

Auch für den grünen Europa-Abgeordneten Martin Häusling ist es schon lange ein "offenes Geheimnis, dass mithilfe von Tricksereien die Verbrauchswerte von Pkw bei Testfahrten so niedrig gehalten werden, wie sie unter wahren Bedingungen niemals sein könnten". Die Öffentlichkeit habe ein Recht darauf zu erfahren, welche Betrugsfälle es im europäischen Autosektor gebe, sagte Häusling. "Ziel muss sein, dass umweltschädigende Autos keine Verkehrszulassung erhalten."

Einigt sich der Umweltausschuss heute über die mehr als 100 Änderungsanträge aus allen Fraktionen zur Vorlage von Albert Deß, könnte das Europaparlament vielleicht noch in diesem Jahr den tricksenden Autokonzernen ein wenig das Handwerk erschweren.

Video

Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

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