Grüne Europagruppe Grüne EFA

Am frühen Donnerstagmorgen schlossen die Trilog-Verhandlungen zwischen EU-Parlament, EU-Kommission und dem Rat zur Überarbeitung der EU-Richtlinie für Erneuerbare Energien (RED III). Um die Einordnung von ‚Holzverbrennung‘ wurde bis zum Schluss gerungen. Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen und Schattenberichterstatter für RED III im Umweltausschuss kommentiert:

„Ein ernüchterndes Ergebnis: Die energetische großtechnische Nutzung von Holz in Kraftwerken wird auf EU-Ebene leider weiterhin pauschal als klimaneutral gewertet. Das entspricht leider nicht mehr der Realität. Das heißt, dass alle Länder, die auf Holzverbrennung – statt auf Solar- und Windkraft – setzen, dies sogar unter ihrem nationalen ‚Erneuerbaren-Mix‘ verbuchen können, also weniger Anstrengungen unternehmen müssen, dieses Ziel mit Sonne und Wind zu erreichen. Und: besonders schmerzhaft: die Verbrennung von Holz in industriellen Kraftwerken wird weiterhin sogar noch subventioniert.

Einzig Rundholz in ‚Industriequalität‘ soll im Fall der energetischen Nutzung von direkter finanzieller Unterstützung ausgenommen bleiben. Aber ehrlich – dieses hochwertige Holz ist als Bauholz eh viel sinnvoller und aus Sicht der Holzindustrie ökonomisch rentabler eingesetzt.

Im Bereich der Holzenergie ist das Trilog-Ergebnis nur eine leichte Verbesserung zum Status quo. Europas Wälder, die insgesamt in einem schlechten Zustand sind, werden weiterhin zur Holzernte stark beansprucht werden. Wir steuern auf eine Übernutzung der Wälder hin, die wir zum Klimaschutz dringend brauchen.

Unter schwedischem Vorsitz haben sich die Länder durchgesetzt, in denen die Holzindustrie eine große Rolle spielt.

Das Trilog-Ergebnis bleibt weit hinter der Position des EU-Umweltausschusses des Europäischen Parlaments zurück. Auch das Parlament hatte sich dafür ausgesprochen, dass die Verwendung von primärer Holzbiomasse zur Energieerzeugung schrittweise heruntergefahren werden soll und auch nicht finanziell subventioniert wird. Davon ist jetzt so gut wie nichts übriggeblieben – zumal die Definition von primärer Holzbiomasse etwa 80% des Holzes abdeckt, die Definition von ‚Industrieholz‘ aber sehr viel ungenauer ist und weiterhin viel Holz der energetischen Nutzung überlässt. Unter einem anderen Verhandlungsführer für das Europäische Parlament als dem Konservativen Markus Pieper hätte da sicher mehr für den Klima- und Artenschutz herausgeholt werden können.“

 

Erste Übersicht über die Trilog-Ergebnisse in Bezug auf die Holzverbrennung:

  • Holzverbrennung zählt weiterhin als Erzeugung erneuerbarer Energie – d.h. die Mitgliedsstaaten können die Holzverbrennung in ihren Erneuerbaren Mix einrechnen.
  • Rundholz in ‚Industriequalität‘, das verbrannt wird zur Energieerzeugung bekommt keine direkte finanzielle Unterstützung 
  • Das EP-Verhandlungsteam hat erreicht, dass Holz aus ‚alten Wäldern‘ besondere Auflagen erfüllen muss bei der Beerntung. Die Definition von ‚altem Wald‘ ist jedoch den Mitgliedsländern überlassen (in den nationalen Rechtsvorschriften des Erntelandes festgelegt)
  • Primärwälder, Wälder mit sehr hohem Artenreichtum, sehr artenreiches Grünland, Feuchtgebiete und Moore sollen vor übermäßiger Holzernte geschützt werden:
  • Eine Kombination von risiko-basiertem Ansatz (Rat) und No-Go-Areas (EU- Parlament) wurde als Kompromiss angenommen
    • Anlagen zur Herstellung von Biokraftstoffen, flüssigen Biobrennstoffen und  Biomasse-Brennstoffen aus forstwirtschaftlicher Biomasse müssen eine  Zuverlässigkeitserklärung ausstellen, dass die Holz-Biomasse nicht aus No-Go-Gebieten stammt

Eine ausführlichere Darstellung des Trilog-Ergebnisses erfolgt in den nächsten Wochen wenn auch die letzten ‚technischen Verhandlungen‘ abgeschlossen sind.

Weitere Informationen:

Pressemitteilung Martin Häusling vom 29.03.23: Wie geht es weiter mit großflächiger Holzverbrennung in der EU?

Pressemitteilung Martin Häusling zur Position des Europäischen Parlaments zur Holzverbrennung

Faktencheck Holzenergie - was wirklich verhandelt wird im Rahmen der Überarbeitung der Erneuerbaren- Energien-Richtlinie (RED III)

Energetische Nutzung von Holz und Agrotreibstoffe – Handreichung zur Abstimmung im Europäischen Parlament am 14.9. 2022 zur Überarbeitung der Erneuerbaren-Richtlinie

Schlagwörter:

Video

Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

Pressemitteilungen