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Zum Ukrainekrieg und der Diskussion über ein Zurückdrehen der Ökologisierungs-Initiativen der EU-Kommission für die „Ernährungssouveränität“, kommentiert Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament und Mitglied im Umweltausschuss:

„Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine hat innerhalb und außerhalb der Europäischen Union eine Debatte über Ernährungssicherheit ausgelöst, Forderungen nach Aufschub und Verwässern der „Farm to Fork-” und Biodiversitätsstrategie werden wieder lauter.
Die in den letzten Wochen verlauteten Forderungen nach einer Überprüfung der "Farm to Fork"-Strategie und ggf. Anpassung, gehen sämtlich von Anhängern und Profiteuren des agrarindustriellen Modells oder deren Interessenvertretern aus (IVA, Copa/Cogeca, Grain Club, Futtermittelindustrie, Fleischindustrie). Auch Konservative (EVP) und Liberale (Renew) versuchen, mit der Mehrheit der Sozialisten (S&D) und extremen Rechten im Europaparlament den Rollback mittels einer rückwärtsgewandten Resolution durchzudrücken. Wenn wir dem folgen, werden wir weder die Klima- noch die Biodiversitätsziele auch nur annähernd einhalten.
Es wäre nicht nur ein historischer Fehler, wenn die EU ihre Nachhaltigkeitsvorhaben nun verlangsamen oder sogar ganz begraben würde, es wäre auch ein weiterer Fall sturer Wissenschaftsleugnung, ähnlich wie beim Klimawandel. Unzählige wissenschaftliche Studien, Sachverständigen-Gutachten und Äußerungen europäischer Institutionen, wie beispielsweise des Europäischen Rechnungshofes belegen, dass nachhaltige, langfristige Ernährungssouveränität und -sicherheit nur mit einer Ökologisierung des Agrarmodells möglich ist.
Drei renommierte Agrarforscher vom UFZ - Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, der Universität Rostock und der Universität Wageningen haben einen offenen Brief an die EU-Kommission geschrieben, in dem sie auf den Zusammenhang zwischen dem Ukrainekrieg und der Biodiversitäts- und Klimakrise eingehen und wenige Tage später veröffentlichten weitere 300 Wissenschaftler*innen, u.a. vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung, ein Statement für eine ökologische Transformation des Ernährungssystems. Auch sie forderten eine Verringerung der Fleischproduktion und ein Umsteuern in der Agrokraftstofferzeugung: Weniger Produktion für Tank und Trog, mehr für die Teller.
Nicht zuletzt im Abschlussstatement der Sondersitzung der G7 wurde u.a. vereinbart, ‚in dieser Krise die Klima- und Umweltverpflichtungen und die Ziele der nachhaltigen Entwicklung weiter zu verfolgen‘.“

Hinweis:
Begriff ‚Ernährungssouveränität‘ bedeutet nicht, auf Teufel komm raus zu produzieren. Der Begriff geht auf das als Menschenrecht völkerrechtlich im UN-Sozialpakt verankerte „Recht auf Nahrung“ zurück, das 2004 von allen FAO-Mitgliedern unterzeichnet wurde. Es beinhaltet das Recht auf Nahrung sowie die selbstbestimmte Wahl eines nachhaltigen Ernährungssystems und den Schutz vor ökologischen, wirtschaftlichen oder sozialen Formen des Dumpings.

Factsheet Martin Häusling und Renate Künast zu Ukraine-Krieg & Versorgungssituation

Brief Pe’er et al.: „Ukraine-Crisis impacts on food security: tackling the short-term shock must be done with a vision in mind of the larger-scale and longer-term threats of the Climate- and Biodiversity-Crises.”

Statement von über 300 Wissenschaftler*innen: „Wir brauchen eine Ernährungswende – angesichts des Kriegs in der Ukraine jetzt mehr denn je.“

Abschlussstatement der Sondersitzung der G7.

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