Grüne Europagruppe Grüne EFA

Worum es geht: Das Europäische Klimagesetz verlangt Klimaneutralität bis 2050. Das bedeutet, dass sich die Emissionen und der Abbau von Treibhausgasen (THG) innerhalb der Europäischen Union bis spätestens 2050 ausgleichen sollen. Dafür soll, laut Kommissionsmitteilung, auch Kohlenstoff (C) aus dem Kreislauf entnommen und festgelegt werden. Die EU-Kommission strebt an, dies sowohl durch naturbasierte (nature based) als auch industrielle Techniken zu erreichen, letztendlich scheint aber mehr Gewicht auf den technischen Lösungen zu liegen, als auf ökosystem-angepassten (ecosystem based) Lösungen.

Zur heute vorgestellten Mitteilung der EU-Kommission zu nachhaltigen Kohlenstoffkreisläufen (Sustainable Carbon Cycles), erklärt Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament und Mitglied im Umweltausschuss:

„Die Ziele für den Klimaschutz sind eine große Herausforderung. Ich begrüße, dass die Kommission den Moorschutz an prominenter Stelle nennt und das Potential naturbasierter Techniken, wie Aufforstung, nachhaltige Waldbewirtschaftung, Agroforstwirtschaft und Verwendung von Zwischenfrüchten für ein klimafreundliches humusaufbauendes Management von Forst- und Agrarsystemen anerkennt. Was sich die Kommission von konservierender Bodenbearbeitung in diesem Zusammenhang erhofft, bleibt allerdings schleierhaft, denn seit Jahren ist bekannt, dass diese keinen Humusaufbau mit sich bringt und sogar zu vermehrten Lachgasemissionen führen kann.

Insgesamt bleibt die Vision der Kommission zur Klimaneutralität jedoch in zu eng gefassten Konzepten und zu großen Erwartungen an technologische Lösungspotentiale hängen. Hier ist zum einen der verengte Fokus und Förderzuschnitt auf das sogenannte „carbon farming“ im landwirtschaftlichen Bereich zu kritisieren, obwohl auch der Kommission bekannt ist, dass dieses Konzept nur eine geringe Klimarelevanz hat, im Vergleich zu einem Verzicht auf den klimaschädlichen Mineraldünger oder zum Abbau der Tierzahlen. Auch die Schwächen dieses Konzeptes sind der Kommission durchaus bewusst, wie man in ihrer Carbon Farming Initiative nachlesen kann: Humusaufbau in ackerbaulich genutzten Böden ist nur sehr langsam möglich, ist über die Zeit abnehmend und ist reversibel. Ökonomische und rechtliche Fragen von sogenannten CO2 Zertifikaten sind nicht geklärt und Betriebe, die schon lange humusaufbauend arbeiten (wie zB. Biobetriebe), können zuvor erfolgte Leistungen nicht angemessen vergütet bekommen, d.h. wer lange gewartet hat, mit nachhaltiger Humuswirtschaft, wird dafür jetzt belohnt.

Der zweite äußerst kritische Aspekt der Mitteilung ist die aus meiner Sicht deutlich zu positive Einschätzung der Potentiale der Bioökonomie, die die fossile Ökonomie ersetzen soll.  Hier stellt sich ganz massiv die Flächenfrage. In den meisten Modellen zur Bioökonomie werden nämlich die begrenzten Flächenpotentiale nicht berücksichtigt, so dass der Planet mehrmals verplant wird (siehe Ausführungen vom UBA).

Aufgrund der faktisch existierenden Flächenknappheit, erzeugt die Forcierung der Bioökonomie einen größeren Nutzungsdruck auf die land- und forstwirtschaftlichen Ökosysteme, deren Nutzung seitens der Wissenschaft in den letzten Jahren schon mehrfach als zu intensiv eingestuft wurde.

Um einen solchen zusätzlichen Druck zu vermeiden, bedürfte es einer klaren Zielangabe zu einer Konsumreduktion (Suffizienz). Diese fehlt aber in allen aktuellen Strategien der Kommission.

Die angepeilten Ziele beinhalten daher die Gefahr einer weiteren Intensivierung der Nutzung, statt einer Entlastung der Ökosysteme. Das wäre fatal für die europäischen Ziele beim Arten-, Wasser- und Bodenschutz.

Der dritte kritische Punkt aus meiner Sicht ist die Proklamation des sogenannten Geoengineering zur Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre. Das Umweltbundesamt warnt in einer Analyse von 2011 zum Geoengineering vor unkalkulierbaren Risiken. Auch wenn es Sinn machen kann, die mögliche Speicherung von CO2 im Grundgestein weiterhin zu untersuchen, ist solcherlei Großtechnik mit äußerster Vorsicht zu behandeln und mit konsequent dem Vorsorgeprinzip verpflichteter Risikoforschung zu begleiten. Keinesfalls sollte man die Klimaverträglichkeit unseres Wirtschaftssystems von solchen Großtechniken abhängig machen.

Was wir brauchen ist nicht der Ersatz unseres klimaschädlichen fossilen Konsummodells durch ein biobasiertes mit End-of-Pipe-Lösungen, was wir brauchen ist eine Entwicklung hin zu einem Wirtschaften, das an die planetaren Grenzen angepasst ist – und das gilt nicht nur für das Klima.“

 

Weitere Informationen:

Hintergrundpapier von Martin Häusling zur Kohlenstoffspeicherung im Bereich Landnutzung.

Hintergrundpapier von Martin Häusling zur Waldnutzung: Haben wir noch einen Extra-Planeten für Wald?

Positionspapier Martin Häusling zu zu CO2-Zertifikaten und Kohlenstoffspeicherung in Böden

Neue Studie:  „Greenwashing & viel Technik! Vermeintlich nachhaltige Lösungen für die Landwirtschaft“

BUND: Bioökonomie – wirklich nachhaltig oder nur eine Scheinlösung?

Informationen des UBA zu Geoengineering.

Informationen des UBA zur Suffizienz

Brief von La Via Campesina an Klimakommissar Franz Timmermanns und Agrarkommissar Janusz Wojciechowski zu carbon farming.

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Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

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