Grüne Europagruppe Grüne EFA

Zur heutigen Vorstellung der von ihm in Auftrag gegebenen Studie „Greenwashing & viel Technik! Vermeintlich nachhaltige Lösungen für die Landwirtschaft“ kommentiert Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament und Mitglied im Umweltausschuss:

„Am Ende reden wir über eine Systemfrage: Welche Landwirtschaft wollen wir in Zukunft? Hier geht es nicht um 1-2% Einsparungen bei Pestiziden und Düngemitteln, für die die Landwirte im Zweifelsfall viel Geld für digitale Technik ausgeben müssen. Dies über Agrargelder, wie zum Beispiel die Ökologisierungsgelder der GAP, die Eco-Schemes, zu fördern wäre weder zielführend noch effizient. Wir haben in den letzten Jahren viel Zeit verloren, in dem wir auf Technik gesetzt haben, obwohl schon längst Systemlösungen, wie der Ökolandbau, zur Verfügung standen.“

Dr. Andrea Beste, Autorin der Studie und Leiterin des Büros für Bodenschutz und Ökologische Agrarkultur, hatte zuvor einen kurzen Einblick in ihre Studie gegeben und kritische Fragen zu Präzisionslandwirtschaft, Indoorfarming und Carbon Farming gestellt. Oft werde suggeriert, man könne damit die Probleme des landwirtschaftlichen Systems lösen, obwohl nur Teilbereiche betroffen seien. Sie lieferte Zahlen und Daten dafür, dass Präzisionslandwirtschaft nur marginale Einsparungen bei Düngemitteln und Pestiziden liefert und die Speicherung von C im Boden mittels Carbon Farming nur wenig Klimaschutzpotential beinhaltet, wenn man es mit dem großen Potential der Verringerung der Tierzahlen oder des Mineraldüngerverzichts vergleicht. Zum Thema Indoorfarming demaskierte sie vor allem die Behauptung, hier werde Wasser gespart. Das Gegenteil sei der Fall, so Beste, denn der energiefressende künstliche Pflanzenbau in Großlabors trage zur Bodenversiegelung und so zur Unterbindung des Wasserhaushalts bei, während agrarökologisches „urban farming“ in der Lage sei, den Wasserhaushalt und darüber hinaus Bodenqualität und Artenvielfalt zu verbessern.

In der nachfolgenden Podiumsdiskussion skizzierte Christian Holzleitner, Referatsleiter in der Generaldirektion Klimapolitik der Europäischen Kommission die Notwendigkeit Treibhausgase (THG) zu reduzieren, aber auch zusätzlich CO2 aus der Luft entnehmen zu müssen, um die europäischen Klimaziele zu erreichen. Dabei müsse auch die Landwirtschaft mithelfen. Natürlich stehe hier der Moorschutz an vorderster Stelle, aber Carbon Farming sei eben auch eine lukrative Möglichkeit für konventionelle Bauern, zum Klimaschutz beizutragen. Dafür wolle die EU-Kommission die Möglichkeiten schaffen.

Steffen Pingen, Leiter für Umweltpolitik und Nachhaltigkeit beim Deutschen Bauernverband sah die Landwirtschaft schon ganz gut aufgestellt, was die Verbesserung der Klimabilanz angehe, so habe man seit den neunziger Jahren ja schon einige Prozent THG eingespart und die THG Bilanz verbessert. Bei der Präzisionslandwirtschaft sah er auch in wenigen Prozent eine positive Wirkung und einen Schritt in die richtige Richtung.

Dr. Friedhelm von Mering, Referent Politik beim Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), rief die planetaren Grenzen in Erinnerung und zitierte in diesem Zusammenhang Greta Thunberg: ‚You can’t negotiate with nature‘. Er betonte, dass mehr geschehen müsse, als ein paar Prozent Einsparung bei Düngemitteln und Pestiziden, wenn man dem Artensterben Einhalt gebieten wolle. Hier zeige der Ökolandbau allemal mehr Potential als „Techno-Fixes“.

Célia Nyssens, Politische Referentin für Landwirtschaft beim Europäischen Umweltbüro (EEB), bestätigte, dass es kein Patentrezept für die Lösung von Umweltproblemen gebe, weder in der Landwirtschaft noch anderswo. Technische Ansätze könnten Teil der Lösung sein, allerdings nur als Teil eines deutlich nachhaltigeren Gesamtpakets. Besonders wichtig sei, dass technische Lösungen dabei nicht als Ausrede oder Taktik benutzt werden dürften, um einen fundamentaleren Wandel in der Landwirtschaft zu verhindern oder hinauszuzögern.

Martin Häusling beschloss die Veranstaltung mit den Worten:
„Wir haben nicht mehr viel Zeit. Ich sehe hier großes Potential im Ökolandbau, der die Umwelt, wie Frau Dr. Beste in Ihrer Studie auch deutlich heraus stellt, am wenigsten belastet, allerdings gibt es da noch Optimierungspotential. Ich sehe die Zukunft also beim „Carbon Farming“ vor allem in der Wiedervernässung der Moore und bei der Steigerung der Nachhaltigkeit in Agroforstsystemen in Verbindung mit dem Ökolandbau. Beide werden nicht nur auf dem Weg zur Klimaneutralität der Landwirtschaft, sondern auch beim Ressourcenschutz und dem Erhalt der Artenvielfalt eine bedeutende Rolle spielen.“

 

Hintergrund:
Seit vielen Jahren ist klar, dass die Landwirtschaft in Europa nachhaltiger werden muss und eines grundlegenden Wandels bedarf. In den letzten Jahren werden vermehrt „innovative“ Techniken oder Produkte als DIE eine große Lösung vorgestellt.

Dr. Andrea Beste, Büro für Bodenschutz und Ökologische Agrarkultur, hat in einer Studie im Auftrag von Martin Häusling, bei einigen der aktuell prominent diskutierten technischen „Nachhaltigkeitslösungen“ genauer hingeschaut und kritische Fragen zu ihrer Wirksamkeit gestellt. Die Studie kann hier heruntergeladen werden: https://www.martin-haeusling.eu/images/Greenwashing_und__viel_Technik_Web.pdf

 

 

Video

Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

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