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Im Sommer 2021 sorgte die Frage, ob und wie Reserveantibiotika in der Tiermedizin eingesetzt werden sollten für heftige Diskussionen und Lobbyschlachten. Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament und Mitglied im Umwelt- und Gesundheitsausschuss, hatte sich dafür stark gemacht, Reserveantibiotika grundsätzlich für die massenhafte Verwendung in der Tiermast zu verbieten. Die politische Mehrheit unterstützte aber einen anderen Ansatz. Martin Häusling kommentiert:

„Antibiotika können Leben retten. Um ihre lebensrettende Wirkung zu erhalten, müssen wir sie sparsam einsetzen. Für die Massenanwendung in der Tiermast sind sie definitiv zu kostbar, v.a. die besonders wichtigen Reserveantibiotika. Allein in der EU sterben jedes Jahr 33.000 Menschen, weil Antibiotika bei ihnen nicht mehr wirken. In Deutschland sind es 2.400 Menschen.
Je mehr Antibiotika verabreicht werden, desto schneller breitet sich die antimikrobielle Resistenz aus. Schätzungen gehen davon aus, dass weltweit rund 66 Prozent aller Antibiotika in der Tierhaltung verabreicht werden. Fast 90% dieser Antibiotika werden in der Massentierhaltung eingesetzt, z.B. bei Masthühnern, Puten und Schweinen und nicht in der Einzeltierbehandlung.
Es wäre deshalb dringend erforderlich, den Einsatz von Reserveantibiotika in der Tiermast zu verbieten. Die neue EU-Tierarzneimittel-Verordnung, die im Januar 2022 in Kraft treten wird, hätte dies entsprechend regeln können, stattdessen setzte sie auf ein Listensystem: alle Antibiotika, die auf dieser Liste landen, sind für alle Tiere komplett verboten. Egal ob Einzeltier oder Gruppenbehandlung, egal ob Haustier oder Nutztier. Der Bundesverband praktizierender Tierärzte unterstützte diesen Ansatz vehement. Knackpunkt ist nun, welche Antibiotika auf dieser Liste landen werden. Die Europäische Kommission hatte angekündigt, dass noch vor Jahresende die entsprechende Liste vorliegen wird.
Abgesehen von den Reserveantibiotika ist es essentiell, auch alle anderen Antibiotika sorgsam und verantwortungsbewusst in der Tierhaltung einzusetzen. Die neue EU-Tierarzneimittel-Verordnung sagt dazu, dass antimikrobiell wirksame Arzneimittel nicht routinemäßig eingesetzt oder angewendet werden dürfen, um mangelhafte Hygiene, unzulängliche Haltungsbedingungen oder Pflege oder unzureichende Betriebsführung auszugleichen. Was routinemäßiger Einsatz ist wird allerdings nicht genauer dargestellt und es steht zu befürchten, dass der Artikel von vielen geflissentlich übersehen werden wird.
Es ist mittlerweile hinlänglich bekannt, dass es sehr wohl möglich ist, den Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung deutlich zu reduzieren: Das Immunsystem der Tiere kann durch artgerechtere Haltungsbedingungen und Fütterung gestärkt werden, auch Zucht und ein besserer Betreuungsschlüssel können einen Unterschied machen. Der Ökolandbau beweist, dass es auch ohne oder mit wesentlich weniger Antibiotika geht. Auch Länder wie Dänemark und die Niederländer zeigen, dass eine drastische Antibiotikareduktion machbar ist. Auch die anderen Länder müssen dringend nachziehen, wir erwarten von der Europäischen Kommission, dass sie für gesetzliche Grundlagen für ein Reserveantibiotikaverbot in der Tiermast sorgt und Sorge dafür trägt, dass andere Antibiotika tatsächlich nicht routinemäßig eingesetzt werden.“


Mehr Infos: https://martin-haeusling.eu/themen/tierhaltung-und-tierschutz/2763-faq-zu-antibiotika-einwand.html

 

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