Grüne Europagruppe Grüne EFA

Die heute in einer europäischen Pressekonferenz vorgestellte Studie zeigt auf, dass es zu keinem Therapienotstand im Stall kommt, wenn der Einsatz für den Menschen lebensrettender Reserveantibiotika in der Gruppenbehandlung von Lebensmittel liefernden Tieren verboten wird. Im Kontext der fortschreitenden Resistenzentwicklung bekräftigen die Autorin und der Autor den dringenden politischen Handlungsbedarf in der EU und fordern auf, Alternativen in der Tierhaltung stärker in den Fokus zu nehmen. Martin Häusling, agrarpolitische Sprecher der Grünen/EFA im Europaparlament und Auftraggeber der Studie kommentiert:

„Nach Daten des Europäischen Antibiotika-Resistenz-Surveillance-Netzwerks (EARS-Net) sind antibiotikaresistente Bakterien für etwa 33.000 Todesfälle pro Jahr in der EU verantwortlich. Die Kosten für die Gesundheitssysteme der EU betragen etwa 1,1 Milliarden Euro pro Jahr, sagt die OECD. Es besteht Einigkeit darüber, dass Antibiotikaresistenzen eine zunehmende Gefahr für die öffentliche Gesundheit und das Gesundheitssystem darstellen. Wirksame Antibiotika sind unerlässlich für die moderne Medizin, deshalb appellieren Weltgesundheitsorganisation (WHO) und Weltärzteverband an alle Staaten, die letzten wirksamen Antibiotika - Reserveantibiotika - zu schützen und nicht mehr an lebensmittelliefernde Tiere abzugeben. Leider beinhaltet der nun vorgeschlagene Umsetzungsakt der Kommission für die Handhabung der Reserveantibiotika keine solch strenge Regelung. Die Kommission ist damit den Empfehlungen der WHO nicht gefolgt, obwohl in der EU-Verordnung zu Tierarzneimitteln 2019/6 der umsichtige Einsatz antimikrobieller Wirkstoffe und die Vermeidung ihrer routinemäßigen „Vorsorge- und Gruppen“ –Anwendung gefordert wird. Zwar ging der hohe Verbrauch von Antibiotika in der Tierhaltung in den letzten Jahren etwas zurück, doch der Einsatz gerade der wichtigen Reserveantibiotika ist gestiegen. Das ist alarmierend!“

Reinhild Benning, Deutsche Umwelthilfe und Co-Autorin der Studie rechnet vor:
„Der Verbrauch des Reserveantibiotikums Colistin bei Lebensmittel liefernden Tieren liegt beispielsweise rechnerisch 17 x höher als bei Menschen. 90% der Verabreichung geschehen dabei als Gruppenbehandlung, was eine gezielte Behandlung kranker Tiere nicht ermöglicht und der Resistenzbildung Vorschub leistet. Wir dürfen die Wirksamkeit der Reserveantibiotika weder für Menschen noch für Tiere aufs Spiel setzen. Darum muss ihr Einsatz für eine Gruppenbehandlung im Bereich der Tiermast verboten werden, während Ausnahmen für Einzeltierbehandlungen erlaubt werden können.“
Auch das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) folgerte in seinem Zoonosen-Monitoring 2020: „Die Ergebnisse verdeutlichen, dass die Anstrengungen, den Antibiotikaeinsatz durch Verbesserungen der Tiergesundheit zu senken, weiter verstärkt werden müssen, um auf diesem Wege eine Reduktion der Resistenzraten zu erreichen. Ein Schwerpunkt hierbei sollte die Reduktion des Einsatzes kritischer Antibiotika sein, insbesondere jener von der WHO als „Highest Priority Critically Important Antimicrobials“ (CIA HP) klassifizierten Substanzen.“

Dr. Andreas Striezel, Leiter der Fachgruppe Nutztiere der Gesellschaft für Ganzheitliche Tiermedizin e.V., Coautor der Studie und praktizierender Tierarzt fordert:
„Dass eine relevante Nutztierhaltung auch ohne Colistin oder mit weniger als 1 mg/kg geht, zeigen etwa die Niederlande und Dänemark. In der Bio-Haltung setzt man erfolgreich auf präventive Maßnahmen, wie Optimierung von Fütterung und Haltungsbedingungen, systematische Hygienekonzepte und die Verbesserung der Immunsituation bei Jungtieren. Außerdem werden nichtantibiotische Therapien eingesetzt, wie Impfungen oder Phytotherapie. Dadurch kann auf Reserveantibiotika verzichtet werden.

Martin Häusling betont abschließend:
„Eine Einschränkung der Reserveantibiotika muss mit dem Tierschutz konform gehen. Es darf kein vermeidbares Leiden - beispielsweise von Haustieren - durch das Verbot von Reserve-Wirkstoffen für die Gruppenbehandlung entstehen, diese Trennung muss möglich sein. Tiergesundheit hängt vor allem von den Rahmenbedingungen ab, in denen die Tiere leben. Daher muss auf die Bereiche Zucht, Haltung und Fütterung in Regulierungen, Kontrolle und Management deutlich stärker fokussiert werden.“

Die Studie ist sofort abrufbar unter:
https://www.martin-haeusling.eu/images/STUDIE_Reserveantibiotika_bei_Tieren_die_der_Lebensmittelgewinnung_dienen_BENNING_STRIEZEL_sep2021.pdf
Eine englischsprachige Zusammenfassung der Studie gibt es hier:
https://www.martin-haeusling.eu/images/SUMMARY_Study_reserve_antibiotics_in_metaphylaxis_and_group_treatment_dispensable_sep2021.pdf

Weitere Informationen zur aktuell heiß diskutierten Abstimmung im Europaparlament, in der es um die Kriterienfestlegung für die Reserveantibiotika geht, die für die Humanmedizin reserviert bleiben sollen, gibt es hier:
https://martin-haeusling.eu/themen/tierhaltung-und-tierschutz/2763-faq-zu-antibiotika-einwand.html

 

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Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

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