Sonderbericht des EU-Rechnungshofes: So wird das nichts mit den Klimazielen in der Landwirtschaft!
Zum Sonderbericht des Europäischen Rechnungshofes (EURH) zu Klimaschutzleistungen der GAP-Zahlungen, kommentiert Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen/EFA im Europäischen Parlament und Mitglied im Umweltausschuss:
„Die Klimapolitik der EU fordert, die Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55% gegenüber dem Stand von 1990 zu senken. Mit der Verabschiedung der Verordnung zur Anrechnung der Emissionen aus Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft (LULUCF) 2017 sollten diese Sektoren in den neuen Rahmen für die Energie- und Klimapolitik der EU für den Zeitraum 2012-2030 einbezogen werden. Dass die Maßnahmen der letzten GAP-Periode hier offensichtlich nichts bewirkt haben, zeigt der heute veröffentlichte Bericht des EURH ganz klar, obwohl von 2014 bis 2020 über ein Viertel aller EU-Agrarausgaben – mehr als 100 Milliarden Euro – in Maßnahmen mit dem Label „Klimaschutz“ geflossen sind. Auch ein kürzlich veröffentlichter Bericht der Europäischen Kommission hatte aufgezeigt, dass die Kohlenstoffemissionen des Agrarsektors seit 2010 stagnieren.
Der immer wieder betonte Rückgang seit 1990 lässt sich vor allem auf die Unterbrechungen der landwirtschaftlichen Produktion in den neueren EU-Mitgliedstaaten nach dem Fall der Berliner Mauer im Jahr 1989 und dem komplexen Übergang zur Marktwirtschaft in diesen Ländern sowie auf die Einführung der Nitratrichtlinie im Jahr 1991 zurückführen, und kann daher nicht aus Klimaschutzmaßnahmen stammen. Nach einer Berechnung der Europäischen Umweltagentur (EEA) nahmen die Emissionen zwischen 2010 und 2017 sogar wieder um 4 % zu.
Solange die Maßnahmen der gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) keine konsequenten Vorschläge zum Abbau der Tierzahlen mit ihren enormen Soja-CO2-Emissionsimporten, zum Moor und Grünlandschutz und zur Besserstellung der Weidehaltung beinhalten, werden die größten Emissionsquellen auch nicht verringert. Und wenn der größte Anteil an landwirtschaftlichen Emissionen, der durch die Herstellung und Anwendung von Mineraldünger entsteht[1], einfach unthematisiert bleibt, weil die Herstellung der Industrie zugerechnet wird, - solange wird sich auch an einer ehrlichen Klimabilanz der europäischen Landwirtschaft nichts ändern.
Moore und Grünland müssen geschützt werden. Und der Humusabbau bei Ackerböden muss beendet werden - 75 % der Anbauflächen in der EU zeigen einen organischen Kohlenstoffgehalt von unter 2%! Das sind neben einer Besteuerung von Mineraldünger die Stellschrauben an denen massiv gedreht werden muss. Dabei geht es aber nicht um sogenannte CO2-Zertifikate, mit denen C im Boden verbuddelt werden soll und die weniger halten, als sie versprechen. Dabei geht es um eine Landwirtschaft, die Ressourcen schont, mit Nährstoffen effizient umgeht, Stickstoff über Eiweißpflanzen bindet und klimastabile Anbausysteme wie Ökolandbau, Agroforstsysteme und Permakultur fördert. Denn das sind in der Regel auch die klimafreundlichsten, die am emissionsärmsten sind. Dass der Rechnungshof der sogenannten Präzisionslandwirtschaft - ohne jeglichen Nachweis - eine höhere Wirkung bescheinigt als diesen klimaangepassten Anbaumethoden ist allerdings definitiv lächerlich. Da sind offensichtlich ein paar Studien nicht gelesen worden.“
Weitere Infos:
Martin Häusling: Positionspapier zu CO2-Zertifikaten
Martin Häusling: Hintergrundpapier zu LULUCF
Allan Mathews: Climate measures in agriculture
Studie: „Vom Mythos der klimasmarten Landwirtschaft…..“
ARC2020: Precision Farming – or “The Emperor’s New Clothes”?
[1] Sutton, M., Howard, C. et al. (Eds.) (2011): The European Nitrogen Assessment: Sources, Effects and Policy Perspectives. Cambridge University Press.