Grüne Europagruppe Grüne EFA

Für eine vorbehaltlose Einbindung des Green Deals für ein klimaneutrales Wirtschaften bis 2050 in die europäische Agrarpolitik haben Politiker und Wissenschaftler in einer Web-Veranstaltung der Europa-Grünen geworben. Bei dieser Diskussion zur Zukunft der Landwirtschaft und der aktuellen Agrarreform stimmten sie am Donnerstag, dem 28. Januar überein, dass die bisherige Landwirtschaftspolitik den Klima- und den Biodiversitätsschutz vernachlässigt. Deshalb drohten katastrophale, heute noch kaum vorstellbare Folgen für Menschen und Natur in Europa.

Vize-Kommissionspräsident Frans Timmermans forderte vor dem Hintergrund der weit über die Landwirtschaft hinaus gehenden Probleme die Regierungschefs der Mitgliedsstaaten auf, die Agrarpolitik zur Chefsache zu machen und nicht allein Agrarministern zu überlassen. Timmermans sicherte zu, nach Abschluss der aktuellen Trilogverhandlungen die Ergebnisse zur Agrarreform erneut in einer Veranstaltung zu prüfen und zu bewerten.

Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament und Mitglied im Umweltausschuss, verlangte einen grundsätzlichen Systemwechsel in der europäischen Agrarpolitik. „Der ökologische Landbau muss das Leitmodell der Gemeinsamen Agrarpolitik in der EU werden“, statt weiter eine exportorientierte, industrialisierte Landwirtschaft ins Zentrum zu stellen, sagte Häusling in der Veranstaltung, bei der eine Studie von Autoren der internationalen Plattform Agricultural and Rural Convention“ ARC2020 zur Agrar- und Umweltpolitik präsentiert wurde.
Statt weiter auf internationale Märkte zu schielen, sei es zwingend, vorrangig die zentralen Probleme des Klimawandels und der enormen Biodiversitätsverluste zu lösen. Hier versage die EU-Kommission, obwohl jedem Europäer nach drei Hitzesommern die katastrophalen Auswirkungen des Klimawandels klar sein müssten.
Doch nach wie vor würden die Vorgaben des Green Deals mit der Farm-to-Fork- und der Biodiversitätsstrategie der EU-Kommission nicht in die aktuelle Debatte für die neue Agrarreform integriert. Dies sei überfällig.
Dieses Manko, so auch der Parteivorsitzende der Grünen, Robert Habeck, führe dazu, dass die EU für mindestens weitere sieben Jahre auf dem falschen Gleis fahre.
Die Folge sei, dass die europäische Agrarpolitik „die Landwirte mit der Klimakrise allein lässt“, bemängelte Lucia Parbel von Fridays for Future. Dabei seien die Bauern einerseits Opfer der Hitzewellen, andererseits aber seien durch die gegenwärtigen Produktionsweisen mit 14 Prozent an der Erzeugung der Treibhausgase beteiligt.
Ähnlich die brandenburgische Umweltstaatssekretärin Silvia Bender: „Wir sind enttäuscht“ von den Mitgliedsstaaten und der konservativen Mehrheit des Europaparlaments. „Wir sehen in Brandenburg, was das Klima mit der Landwirtschaft macht.“ Deshalb müsse die EU-Agrarpolitik die Vorgaben des Green Deals unbedingt integrieren und ausreichend Geld für eine Klima-angepasste Landwirtschaft bereitstellt.
Für diese Zusammenführung warb auch der Exekutiv-Vizepräsident der EU-Kommission Frans Timmermans. Der Niederländer, in der Kommission zuständig für den Klimaschutz, bedauerte zudem, dass in der Bevölkerung zwar die Notwendigkeit eines verschärften Klimaschutzes anerkannt werde. Kaum jemand aber habe die enormen Biodiversitätsverluste auf dem Schirm. Es drohe ein Ökozid. Timmermans eindringlich: „Das ist ein Notfall.“

Titel GAP post2022Grundlage der Diskussionsrunde war die neue Studie „Zukunftsfähig im Sinne des Green Deals? Die EU-Agrarreform auf dem Prüfstand" von ARC 2020 zur aktuellen Agrardebatte. ARC 2020 ist eine offene Plattform für gegenwärtig 156 Organisationen der Zivilgesellschaft, die an der gemeinsamen Agrarreform beteiligt oder interessiert sind.
Bei der Präsentation plädierte Mitautor Agrarökonomie-Professor Sebastian Lakner von der Uni Rostock für eine Politik, die die aktuellen Proteste der Landwirte ernstnehme, sie zugleich aber bei der Entwicklung einer ökologischer Perspektiven „mitnehmen“. Die EU müsse ökologische Leistungen der Landwirte entlohnen, was sie derzeit aber nicht tue.

Study: Post-2022 CAP in Trilogue Negotiations - Reflections and outlook for CAP strategic plans:
https://www.martin-haeusling.eu/images/ARC2020_Post_2022_CAP_in_Trilogue_Negotiations_web_compressed2.pdf
Die Studie wird in Kürze auch auf Deutsch zur Verfügung stehen unter www.martin-haeusling.eu

YouTube-Aufzeichnung (Start des Events bei ca. 1:50 min.; Start des 2. Teils bei ca. 1h:30min.):
https://www.youtube.com/watch?v=sShJ9EJ_D5w 

Veranstaltungshinweis zur Studienvorstellung am 28. Januar 2021

 

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Video

Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

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