Grüne Europagruppe Grüne EFA

Das unsäglich rückwärtsgewandte Abstimmungsergebnis des Europaparlaments zur Agrarpolitik (Jahr-Bericht: dafür 425; dagegen 212; enthalten 51) kommentiert Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen/EFA im Europäischen Parlament und Mitglied im Umweltausschuss:

„Was Konservative, Sozialisten und Liberale im Europaparlament heute abgestimmt haben, zeugt von kompletter Realitätsverweigerung gegenüber dem Zustand unserer Ökosysteme. Wer den unambitionierten Vorschlag des letzten Agrarkommissars kennt, hätte nicht für möglich gehalten, wie sehr die Agrarlobbyisten im Parlament diesen noch verwässern könnten, aber es ist passiert. Das Ergebnis ist in manchen Bereichen sogar ein klarer Rückschritt in Sachen Ressourcen-, Klima- und Tierschutz im Vergleich zum jetzigen Status Quo – und den haben zahlreiche Gutachten der letzten Jahre für nicht zukunftsfähig befunden.
Der fortschrittlichere Standpunkt des Umweltausschusses wurde im Zuge der Verhandlungen blockiert, ausgebootet und schließlich auf den letzten Metern durch terminliche Winkelzüge kaum noch zur Abstimmung gebracht. Die Sozialisten, mit denen wir in den letzten Monaten gute Kompromisse erarbeitet hatten, sind auf den letzten Metern zu den Konservativen und Liberalen übergelaufen, da hilft es auch nichts, wenn nun Teile von ihnen gegen den schlechten Gesetzestext gestimmt haben. Der „Pferdewechsel“ hat dieses Ergebnis erst ermöglicht.
Durchgesetzt hat sich nun eine Ausrichtung für die Landwirtschaft der nächsten 7 Jahre, die völlig von gestern ist und wider besseres Wissen kaum Schutz für Klima, Wasser, Boden und Artenvielfalt beinhaltet. Die alte Agrarlobby hat sich durchgesetzt.“

 Auszug aus den Ergebnissen:
- Es wurde festgeschrieben, dass 60% des Budgets weiterhin kaum an Auflagen gebunden werden.
- Nur 30% des Direktzahlungs-Budgets werden an Eco-Schemes zu Klima-, Umwelt- und Tierschutzmaßnahmen gebunden.
- Die Mitgliedstaaten können die Kriterien der Eco-Schemes so weit nach unten brechen, dass z.B. bereits „Precision Farming“, also nur das Anschaffen neuer Geräte, ohne weitere Beschreibung der Zielsetzung als Umwelt - oder Klimamaßnahme angeboten werden kann.
- Die Konditionalität. (ehemals Cross Compliance und Greening) wird deutlich geschwächt, u.a. wird das Pflugverbot in Natura 2000 Gebieten aufgehoben. Nur 5% ökologische Vorrangflächen (Ist-Stand mehr als 10%) sollen eingehalten werden.
- Es gibt wieder keine klare Vorgabe zur Einhaltung von Fruchtfolgen.
- Verpflichtungen der Mitgliedstaaten für ein Nährstoff-Bilanz-Tool: Hier wird der Kommissionsvorschlag zur Definition eines „Betriebsnachhaltigkeitsinstruments“ gestrichen, sowie die Verpflichtung, dass Mitgliedstaaten ein System einrichten müssen, um Nährstoffkontrollen /Verlustmessungen vornehmen zu können.
- Es können jetzt 5% der Gelder aus der viel zu gering ausgestatteten zweiten Säule, weg von Agrarumweltmaßnahmen und Ökolandbau, wieder in die erste Säule transferiert werden.

- Besonders schlimm für das Ziel der Farm to Fork-Strategie, den Ökolandbau auf 25% in der EU zu heben: Während die Kommission sich noch klar zur Verpflichtung von Mitteln zur Einführung oder Beibehaltung des ökologischen Landbaus ausspricht, sieht der abgestimmte Kompromiss des EP ein Schlupfloch vor und spricht von „Verpflichtungen zur Einführung oder Beibehaltung ökologischer/biologischer landwirtschaftlicher Bewirtschaftungsverfahren sowie für die integrierte Landwirtschaft...“ die ja eigentlich gesetzlicher konventioneller Standard ist.

Abstimmungsergebnis des Europaparlaments zur Agrarpolitik:

Results of roll call votes (mit Namen) 23.10.2020:
https://www.europarl.europa.eu/sed/doc/news/flash/23861/P9_PV(2020)10-23(RCV)_en.docx

Results of the second voting session 23.10.2020: https://www.europarl.europa.eu/sed/doc/news/flash/23922/Result_23-10-2020_Second%20voting%20session%2013.15-14.30_en.pdf

 

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