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Neue EU-Vorschriften für Bio-Lebensmittel und die ökologische Landwirtschaft - Welche Vorteile bringen die neuen Vorschriften für die ökologische Produktion und Kennzeichnung von Bioprodukten? Interview mit Berichterstatter Martin Häusling (MEP) Martin Haeusling

 

Zwanzig Monate lang wurde über die neuen EU-Rechtsvorschriften für den ökologischen Landbau verhandelt. Wie schätzen Sie das Ergebnis ein? Was sind die Hauptpunkte der Reform und warum war diese notwendig?

Die Reform wird den neuen Herausforderungen des Biolandbaus gerecht. Der Sektor boomt. Es wird konsequentere Kontrollen geben gegen Betrug, aber auch bessere Vorsorgemaßnahmen gegen Verunreinigungen. Importe von Bioprodukten werden die gleichen Standards erfüllen müssen wie innerhalb der EU. Es wird weniger Ausnahmeregelungen geben, die nicht mehr zeitgemäß sind, zum Beispiel beim Saatgut.

Das neue Recht zur Öko-Verordnung ist eine wichtige Weiterentwicklung der bestehenden Rechtstexte. Die Verordnung umfasst die Vorschriften für die landwirtschaftliche Erzeugung, Tierhaltungsbestimmungen und Aquakultur. Sie schafft bessere Informationssysteme zwischen Mitgliedstaaten, harmonisiert Verantwortlichkeiten und Zertifizierungssysteme.
Sie legt das Prinzip der bodengebundenen Pflanzenerzeugung auch in Gewächshäusern fest. Eine Ausnahmeregelung für ausgestaltete Beete (ca. 18 Hektar) in Skandinavien bleibt noch 10 Jahre bestehen. Stecklingsaufzucht, sowie die Vermehrung von Blumen und Gewürzen darf aber auch zukünftig beim Verkauf an den Endverbraucher in Containern oder Töpfen vorgenommen werden.

Ganz neu sind Regelungen zum Einsatz von Saatgut, um den Ansprüchen des Bioanbaus gerecht zu werden. Es wird künftig möglich sein, dass Züchter Sorten anbieten, die vielfältiger in ihrem Geno- und Phänotyp sind. Die Nachfrage der Landwirte und Gärtner nach diesen heterogenen Sorten und alten Landsorten besteht. Bislang durften aber in Europa, anders als in den USA, diese Sorten nicht genutzt oder nur unter erschwerten Bedingungen vertrieben werden. Künftig darf der Landwirt selbst entscheiden, ob er bei uniformen Sorten bleibt oder häufig robustere und krankheitsresistente alte Landsorten nutzt.

Welche Vorteile ergeben sich für die Landwirte in der EU?

Viele!

Beispielsweise die Gruppenzertifizierung: Neu ist nämlich, dass sich kleine Erzeuger und Verarbeiter künftig auch in der EU zu einer Gruppe zusammenschließen dürfen, womit die Kosten für die Zertifizierung und Kontrolle verringert werden. Bislang scheuen insbesondere kleinere Betriebe aus Kostengründen die Zertifizierung. Das sollte sich jetzt ändern.

Das EU-Bio-Logo darf endlich auch bei Veranstaltungen als Werbemittel genutzt werden. Bislang war eine solche Bewerbung nicht legal.

Ein weiterer wichtiger Punkt sind die Importe: Durch die Vereinheitlichung der Produktionsstandards für Drittländer, für die keine bilateralen Handelsabkommen bestehen, werden auch die Standards im Ausland den europäischen Normen angeglichen. Zurzeit haben wir über den Globus verteilt mehr als 64 verschiedene Produktionsstandards. Es wird künftig den Kontrolleuren und der Kommission leichter fallen, die Produktion im Ausland zu kontrollieren und Verstöße zu erkennen sowie entsprechende Maßnahmen einzuleiten. Die Landwirte in der EU können sich daher künftig über gleichwertigere Bedingungen als bisher freuen.

Außerdem hat das Parlament durchgesetzt, dass die jährliche prozessorientierte Kontrolle erhalten bleibt. Auch künftig hat jeder Betrieb das Recht auf diese Kontrolle. Wenn in den letzten drei Jahren keine Unregelmäßigkeiten beziehungsweise Verstöße festgestellt wurden, können Betriebe das Kontrollintervall aber auf 24 Monate ausweiten. Wird ein Betrieb von der Kommission als ein sogenannter Risikobetrieb charakterisiert, kann ihm die Ausnahme von der jährlichen Kontrolle untersagt bleiben.

Des Weiteren soll der Informationsaustausch besser laufen. Öko-Züchter sollen die Möglichkeit erhalten,  ihre Ware über Plattformen der Mitgliedsländer öffentlich anzubieten. Das hilft den Überblick für Landwirte und Gärtner zu verbessern. Darüber hinaus erhalten auch Mitgliedsland und Kommission einen besseren Überblick über die Verfügbarkeit von ökologisch gezüchteten Pflanzen und Tieren. Die Vernetzung zwischen den Ländern ist ein weiterer Schritt, der nun einfacher erzielt werden kann. Aber hier muss man vorsichtig bleiben, manche Qualitäten eignen sich nur für einige Regionen in Europa. Temperatur, Regen sowie kurze oder lange Vegetationsperioden werden auch zukünftig bei der Sortenwahl zu regionalen Entscheidungen führen.

Die biologische/ökologische Lebensmittelwirtschaft ist längst kein Nischenmarkt mehr. Wie wird die neue Öko-Verordnung die Qualitätsansprüche der Verbraucher erfüllen? Wie profitieren die Verbraucher von den neuen Regeln?

Die Bio-Standards sind schon heute sehr hoch, aber das Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher lässt sich am besten stärken, wenn Regelungen klar und nachvollziehbar sind. Hier hat die neue Verordnung, durch die Vereinigung der beiden bestehenden Verordnungen, sicherlich einen positiven Beitrag geleistet.

Darüber hinaus sind viele der Regelungen, die den Erzeugern Sicherheit geben, auch für die Verbraucher von Vorteil. Ein Beispiel ist die prozessorientierte Kontrolle: Einem Endprodukt kann man nicht ansehen, ob die Auflagen der ökologischen Produktion entlang der gesamten Erzeugung eingehalten wurden. Die jährliche prozessorientierte Kontrolle gibt engagierten und ehrlichen Betrieben die Sicherheit, mit den Auflagen der Verordnung konform zu gehen. Gleichzeitig können sich die Verbraucher darauf verlassen, dass die Betriebe regelmäßig und in häufigen Intervallen überprüft werden.

Auch die Neuregelungen zu den Importen sind positiv für den Verbraucher zu bewerten, denn von der Vereinheitlichung hoher Standards profitieren auch die Konsumenten.

Positiv sind die neuen verbindlichen Haltungsvorgaben für Kaninchen und Damwild. Beim Thema Tierschutz gingen die Ansprüche zwischen den Staaten zwar zum Teil erheblich auseinander. Klar ist aber, dass die neue Öko-Verordnung einiges verbessert. Generell wird das Schwanzkupieren bei Schweinen oder das Entfernen der Augen von Shrimps verboten. Durch Einzelfallentscheidungen darf das Enthornen generell nur unter Betäubung oder unter Anwendung von Schmerzmitteln vorgenommen werden. Sind die Tierschutzstandards eines Mitgliedstaates strenger, gelten die strengeren Standards.

Ein großes Thema ist der Einsatz von Pestiziden. Wie wird dieser in der Verordnung geregelt?

Obschon die Frage der Grenzwerte für Pestizide sehr hitzig diskutiert wurde, ist die Regelung durch die neue Verordnung nicht sehr verschieden von der jetzigen Gesetzeslage. Für Betriebe in Deutschland bedeutet die neue Verordnung konkret mehr Klarheit, was das Handeln beim Vorhandensein von Pestiziden in Bioerzeugnissen anbelangt. Biobetriebe müssen, wie schon jetzt üblich, Vorsorgemaßnahmen, vor allem bei der Lagerung und dem Transport, einhalten. Anders als bei der gültigen Bioverordnung ist klarer als bisher formuliert, dass die zu ergreifenden Vorsorgemaßnahmen verhältnismäßig sein sollen und in der Verantwortung der Biobetriebe liegen. Um den „europäischen Frieden“ zu wahren, dürfen Mitgliedstaaten auch in Zukunft von ihren Betrieben die Einhaltung von Sondergrenzwerten verlangen, die strenger sind als die gültigen Grenzwerte für Pestizide in Lebensmitteln.

Neu ist die Vorgabe, dass die Behörde oder Kontrollstelle im Verdachtsfall zeitnah zu handeln hat. Das ist günstig für die Erzeuger.

Soweit der Gesetzgeber eines Staates entscheidet, dass keine Sondergrenzwerte für unautorisierte Stoffe gelten, haben unvermeidliche Kontaminationen keine Auswirkungen, wenn verhältnismäßige Maßnahmen ergriffen wurden. Die Vereinheitlichung der Analysetechnik in der EU sowie ein Bericht der Kommission 2025 soll mehr Transparenz über die Gesamtsituation in Europa bringen.

Eine künftige Auseinandersetzung mit der Frage der Eindämmung von Pestizidrückständen ist wichtig. Sicherlich sollten sich der Sektor sowie die Fachpolitiker und Experten der Behörden weiter intensiv mit der Problematik beschäftigen und Minimierungsstrategien erarbeiten, auch im Sinne der Wahrung des Verbrauchervertrauens.

Weitere Informationen 

Publikation

 130907 Personenbroschüre

„Wir haben es satt“, unter diesem Motto machen seit 2011 jährlich zehntausende Menschen in  Demonstrationen ihrem Unmut Luft. Und Sie? Was haben Sie satt? Die geplante Mega-Mastanlage um die
Ecke, die fehlende Vielfalt auf unseren Feldern oder schon heute den nächsten Lebensmittelskandal? Es gibt viele gute Gründe und wenig Zweifel am Reformbedarf unserer Agrar- und Verbraucherschutzpolitik.
Als Biobauer setze ich mich seit 2009 im Europaparlament dafür ein, dass in Europa Klasse statt Masse gefördert, Gelder fairer und an Umweltleistungen gebunden verteilt sowie Regeln einfacher, demokratischer,
aber auch wirkungsvoller gestaltet werden. Es geht um Ihr gutes Recht. Mischen Sie sich ein. Kommen Sie mit mir ins Gespräch.

"Wie nachhaltige Landwirtschaft aussehen könnte und warum wir sie noch nicht praktizieren"

14. August 2013 - Eine Studie im Auftrag von Martin Häusling, MdEP

Autoren: Dr. Andrea Beste und Stephan Börnecke

Weltweit nimmt der Druck auf die Fläche zu: Schon bald müssen Bauern neun Milliarden Menschen weltweit ernähren. Immer drängender werden die Fragen, welche Systeme der Land- und Bodennutzung dazu in der Lage sind, ohne die Grundlagen der Natur, auf der alle Ernährung beruht, zu zerstören.

Im Weltenretter-Gewand predigen Agrarfunktionäre seit Jahren das Wort von der Alternativlosigkeit zu maximierender Erträge, um dem Hunger in der Welt entgegen zu treten. Vielmehr sei zu hinterfragen, wie lange wir uns den Ökolandbau mit seinem angeblich unterlegenen Verhältnis von Flächenverbrauch zu Ertrag noch leisten können. In der Tat brauchen wir eine Intensivierung der Landwirtschaft, jedoch eine ökologische.

Titelbild Rache der Käfer20 Jahre kommerzieller Anbau von Gen-Pflanzen in den USA

Januar 2013 - Eine Studie Im Auftrag Von Martin Häusling, MEP
Autor: Christoph Then 
Grüne Gentechnik schadet Umwelt und Landwirten
Gentech-Pflanzen brauchen teilweise mehr Spritzmittel als konventionelle Pflanzen. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie zu sogenannter grüner Gentechnik. Die Folgen für die Umwelt sind demnach verheerend, auch die Landwirte gerieten durch das Gentech-Saatgut unter Druck.

01.02.13 Süddeutsche Zeitung - Bei der grünen Gentechnik - oder Pflanzen-Gentechnik, wie sie auch genannt wird - verhält es sich ähnlich wie bei Stuttgart 21: Eine sachliche Diskussion darüber zu führen ist fast unmöglich. Denn selbst das, was Kritiker und Befürworter jeweils als Fakten präsentieren, lässt sich in Wahrheit kaum belegen. Ob beispielsweise gentechnisch veränderter Mais die Gesundheit gefährdet oder nicht, wird wohl noch lange eher eine Frage des Glaubens, denn des Wissens sein. Zwar gibt es Studien, die Risiken nahelegen, doch sind sie alle umstritten und angreifbar.

Verfügbare Versionen
Deutsch / Englisch / Spanisch

Titelbild Ernte der HeuschreckenDAS WELTWEITE LANDGRABBING UND DIE VERANTWORTUNG EUROPAS

Autoren: Stephan Börnecke & Andrea Beste
März 2012 - Eine Studie Im Auftrag Von Martin Häusling, MEP


Heuschrecken ernten, während Andere Hungern
Die hier von Stephan Börnecke verfasste Broschüre DIE ERNTE DER HEUSCHRECKEN gibt einen Überblick über Ausmaß, Auswirkungen, Akteure und treibende Kräfte des weltweiten Landgrabbings. Sie macht deutlich, dass es einerseits dringend notwendig ist, international gültige und verbindliche Leitlinien der Nachhaltigkeit für Landkäufe zu entwickeln. Es wird aber andererseits auch deutlich, dass die Auswirkungen politischer Entscheidungen die wir in Europa treffen, genauer auf die weltweiten direkten und indirekten Folgen überprüft und gegebenenfalls geändert werden müssen.

 

Deutsche Version:
Beste A,; Börnecke St. 2012: Die Ernte der Heuschrecken. Das weltweite Landgrabbing und die Verantwortung Europas
http://www.martin-haeusling.eu/images/attachments/BroschuereLandgrabbing_Download_.pdf

Englische Zusammenfassung:
Beste A,; Börnecke St. 2012: The Harvest of the Locusts. A Dossier about Landgrabbing und Europe's Responsibility.
http://www.gesunde-erde.net/pdf-dateien/Summary_Landgrab_Brosch%FCre.pdf

Titelbild Artenvielfalt statt SojowahnDER EIWEISSMANGEL IN DER EU: Wie lässt sich das seit langem bestehende Problem lösen?

Autorinnen: Andrea Beste & Runa Boeddinghaus
September 2011 - Eine Studie Im Auftrag Von Martin Häusling, MDEP

Deutsche Version / English Version

siehe auch Kritischer Agrarbericht 2018: Wege aus der Eiweißlücke

 

WENN AUS VEREDELUNG NAHRUNGSMITTELVERNICHTUNG WIRD…

Die Fähigkeit von Wiederkäuern, Rindern, Schafen und Ziegen, gesundheitlich wertvolle und schmackhafte Lebensmittel wie Rindfleisch und Milch aus für die menschliche Ernährung wenig nutzbarem Weideland zu erzeugen, ist ein wesentlicher Grund für die Nutzung dieser Tiere und ihrer Produkte in der Geschichte der Menschheit gewesen. Sie erhöhen das Lebensmittelangebot und leisten einen wichtigen Beitrag zur Produktion: Sie liefern Dünger, tragen zur Bodenbearbeitung bei, arbeiten als Zug- und Transporttiere, verwerten Abfälle und stabilisieren als Rücklage die Ernährungssicherheit ihrer Besitzer. Viele Flächen – vor allem im subtropischen Klima – sind anders kaum für die menschliche Ernährung nutzbar. Hier macht der Begriff „Veredelung“ durchaus Sinn.

 

 

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2018 04 10 mh EP TV Organic boomDie Nachfrage nach Bio-Lebensmitteln und einer nachhaltigen Landwirtschaft in Europa wächst. Diesen Schwung unterstützen wir Grüne mit politischen Initiativen zum Artenschutz, zur Biodiversität und zu einer ökologischen Agrarförderung. Der Beitrag im Parlamentsfernsehen zeigt einen kleinen Ausschnitt der Arbeit im Europäischen Parlament.