Grüne Europagruppe Grüne EFA

Y 2017 7314 kleinBei der zukünftigen Ausgestaltung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) muss nach Ansicht des grünen Europaabgeordneten Martin Häusling der Grundsatz „öffentliches Geld für öffentliche Leistungen“ im Vordergrund stehen. „Agrarpolitik ist keine Sozialpolitik“, betont Häusling im Interview mit AGRA-EUROPE. Vielmehr sollten nach seinen Worten mit der Agrarpolitik besonders nachhaltige Formen der Landwirtschaft unterstützt werden. Er verweist auf ein gemeinsames Papier, dass er mit Schleswig-Holsteins Landwirtschaftsminister Dr. Robert Habeck im Juli 2015 vorgelegt hatte. Darin plädierten beide dafür, die Erste Säule der GAP abzuschaffen, da diese „keinerlei sinnvolle Lenkungswirkung für eine nachhaltige europäische Agrarpolitik“ habe. Sie sprachen außerdem den Direktbeihilfen eine einkommensstabilisierende Wirkung ab, weil diese gleichzeitig das Niveau der Pacht- und Kaufpreise erhöhte Dem chemischen Pflanzenschutz erteilt er eine klare Absage: „Auf Dauer halte ich Systeme, die auf den permanenten Einsatz von Chemie angewiesen sind, nicht für nachhaltig.“

 

 

Das Interview im Wortlaut

AGRA-EUROPE: Herr Häusling, was wünschen Sie sich von der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) Wie sollte diese in Zukunft gestaltet sein? Was sind dabei aus Ihrer Sicht die wichtigsten Ziele?

Häusling: Das wichtigste Ziel der kommenden GAP-Reform muss sein, dass wir endlich einen Ansatz durchbringen, der ganz klar den Grundsatz „öffentliches Geld für öffentliche Leistungen“ in den Vordergrund stellt. Agrarpolitik ist keine Sozialpolitik; es sollte eine Politik sein, mit der wir besonders nachhaltige Formen der Landwirtschaft
unterstützen wollen, die der Gesellschaft etwas bringen; es sind schließlich Steuergelder.

AGRA-EUROPE: Die EU-Kommission hat kürzlich in einer Reflektion zu den Budgetausgaben erklärt, dass die Direktzahlungen auch eine wichtige Einkommensstütze für die Landwirte seien. Sind diese Direktzahlungen für Sie auch Sozialpolitik?
Häusling: Eine Einkommensstütze zu welchem Preis? Wir quersubventionieren quasi über die Bauern die niedrigen Lebensmittelpreise. Kein Landwirt könnte Milch auf Dauer für 30 Cent
pro Kilogramm erzeugen, wenn er nicht am Ende des Jahres die Hälfte seines Geldes, manchmal noch mehr, aus Brüssel bekäme. Und mit den 30 Cent spielen wir dann auf dem  Weltmarkt herum und setzen damit auch andere unter Druck. Die gegenwärtige, exportorientierte Agrarpolitik funktioniert nur mit Direktzahlungen. Im Idealfall müssten wir eigentlich dahin kommen, dass durch einen Wegfall der Direktzahlungen die Preise die Wahrheit sagen.

AGRA-EUROPE: Was verstehen Sie unter einer Wahrheit der Preise? Was sollte die Milch dann kosten?

Häusling: Die Rohmilch sollte mindestens um die 40 Cent/kg kosten, weil sie unter diesem Preis in Europa nicht zu produzieren ist. Dann hätten die Bauern auch wieder ein Einkommen, von dem sie leben könnten. Wir haben es ja tatsächlich in den vergangenen Jahren geschafft, so große Überschüsse zu erzeugen, dass wir die Preisdrücker auf dem Weltmarkt geworden sind. Europäische Milch konkurriert jetzt mit neuseeländischer auf dem Weltmarkt. Wir sollten viel stärker für den Binnenmarkt produzieren.

AGRA-EUROPE: Was lässt sich im Hinblick auf die GAP nach ihrer Einschätzung in einer EU mit künftig 27 Mitgliedstaaten tatsächlich umsetzen?
Häusling: Das wird in der Tat schwierig; man muss da realistisch sein, denn es ist ganz klar, dass die GAP innerhalb Europas auch eine Riesengeldverteilungsmaschine ist.

AGRA-EUROPE: Welche Mitgliedstaaten profitieren denn am meisten von der GAP?
Häusling: Das sind ganz klar die neuen Beitrittsländer in Mittel- und Osteuropa und die südeuropäischen Mitgliedstaaten.

AGRA-EUROPE: Obwohl man doch gerade von vielen neuen Mitgliedstaaten häufig hört, dass sie sich benachteiligt fühlen? Die Visegrád-Gruppe beschwert sich etwa über die Ungleichheit der Direktzahlungshöhe.
Häusling: Wenn Sie nur im Blick haben, dass die Flächenprämien in vielen EU-Ländern noch unter den Zahlungen in Deutschland liegen, dann haben Sie recht. Aber wenn man sich mal ansieht, wieviel Mittel für ländliche Entwicklung in manche osteuropäische Staaten fließen - mal abgesehen von anderen Wirtschaftsförderprogrammen, dann zeigt sich, dass das natürlich in der Gesamtsumme gerade für die Entwicklung ländlicher Räume wesentlich mehr ist, als wir in Deutschland oder in Frankreich erhalten.

AGRA-EUROPE: Wie stehen Sie in diesem Zusammenhang zur Kopplung der Beihilfen an die Produktion?
Häusling: Ich habe nichts gegen eine Kopplung der Zahlungen solange es Sinn macht. Ich finde, dass es in Deutschland zu einer Ideologie geworden ist, alles zu entkoppeln. Warum sollen wir beispielsweise nicht den Eiweißanbau auf diese Weise fördern oder die Wanderweide? Grundsätzlich können Kopplungen eine gute Möglichkeit sein, bestimmte besonders positive Strukturen zu fördern oder Geburtshilfe zu sein für Strukturen, die noch nicht da sind, so wie beim Eiweißpflanzenanbau.

AGRA-EUROPE: Welche würden Ihnen da noch einfallen?
Häusling: Ich will Strukturen unterstützen, die gesellschaftlich gewünscht sind, wie etwa die Rinderhaltung in Grünlandregionen oder die Mutterschafhaltung. Das kann ich über Prämien in der Zweiten Säule machen. Das hat ja mit der Mengensteuerung erstmal nichts zu tun. Ich halte es allerdings auch für einen fatalen Fehler der Agrarpolitik, dass bestimmte marktgläubige Gruppen uns alle Instrumente aus der Hand genommen haben, um eine vernünftige Marktsteuerung vorzunehmen.

AGRA-EUROPE: Was halten Sie vom Auslaufen der Zuckerquote?
Häusling: Das ist die nächste Dummheit. Entschuldigen Sie, aber die Quote hat keinen Cent gekostet. Jetzt konkurrieren die europäischen Rübenanbauer mit brasilianischen Zuckerrohrproduzenten. Da gibt es langfristig für uns nichts zu gewinnen. Es führt kein Weg daran vorbei - am Ende brauchen wir steuernde Marktinstrumente.

AGRA-EUROPE: Laufen wir dann nicht wieder wie früher in die Falle von Milchseen und Butterbergen?
Häusling: Wenn jetzt alle auf Teufel komm‘ raus Milch produzieren und wir wieder gezwungen sind, Milchpulver aufzukaufen und dies dann erst zu lagern und dann wieder zu verschleudern, ist das der Weg zurück in die alte Agrarpolitik. Der Unterschied ist nur der, dass wir heute nicht mehr so große Berge auftürmen, sondern das Produkt zum halben
Preis in die Welt verkaufen. Wir müssen bei der Milchproduktion aber Höchstgrenzen setzen und sagen: Wenn diese überschritten ist, dann müsst ihr liebe Bauern und Molkereien, euch etwas einfallen lassen. Es kann ja nicht sein, dass wieder alle wie die Wahnsinnigen produzieren, dann der Preis verfällt und schließlich wieder alle nach dem Staat rufen.

AGRA-EUROPE: Welche alternative GAP wünschen Sie sich denn?
Häusling: Ich finde, alle Zahlungen müssen qualifiziert sein. Das heißt, es muss etwas dahinter stehen. Ich bin kein Anhänger eines bedingungslosen Grundeinkommens, auch nicht für Bauern. Vielmehr ist es entscheidend, wie definiere ich eine Leistung und was kriegt der Landwirt dafür.

AGRA-EUROPE: Was würden Sie konkret anders machen?
Häusling: Ich habe bereits mit Landwirtschaftsminister Dr. Robert Habeck aus Schleswig-Holstein in einem gemeinsamen Papier vorgeschlagen, die Förderstruktur umzukehren. Der höchste Standard in Europa ist der Ökostandard. Diesen sollten wir auch als Höchstleistung definieren, für den der Landwirt die volle Förderung erhält. Je weniger die Wirtschaftsweise diesem entspricht, desto weniger öffentliche Mittel sollte der Landwirt erhalten. Also zum Beispiel: Je mehr chemische Pflanzenschutzmittel der Bauer einsetzt, desto weniger Geld vom Staat bekommt er.

AGRA-EUROPE: Gehört für Sie neben der Qualität der Lebensmittel auch eine quantitativ sichere Nahrungsmittelversorgung zu angemessenen Preisen zu einem förderungswürdigen Gut?
Häusling: Haben wir da ein Problem? Das wird meines Erachtens immer viel zu sehr hochgehalten. Das weitgehendste Argument ist, der „Umweltschutz verhindert die Sicherstellung der Nahrungsversorgung“. Ich bin überzeugt, das genaue Gegenteil ist der Fall. Solange wir es uns in Europa aufgrund der billigen Massenproduktion erlauben können, ein Drittel der Nahrungsmittel wegzuwerfen, solange sollten wir nicht darüber reden, dass wir die Welt ernähren. Wir sollten erst einmal die Lebensmittelverschwendung in den Griff bekommen.  Außerdem bricht eine Nahrungsmittelproduktion, die die Ressourcen - etwa Wasser und Böden - übernutzt, früher oder später ganz zusammen.

AGRA-EUROPE: Könnten Sie sich als Agrarpolitiker denn damit anfreunden, dass es in Zukunft spürbar weniger Geld für die GAP gibt?
Häusling: Ich bin nicht dafür, dass wir den Agraretat einschmelzen - ganz und gar nicht. Wenn wir das System umweltgerechter und die Nutztierhaltung tiergerechter gestalten wollen, brauchen wir eher noch mehr Geld. Jetzt den Landwirten das Geld wegzunehmen, aber zu verlangen, nun wirtschaftet so, wie wir uns das als Gesellschaft vorstellen, das wäre nicht sachgerecht und auch nicht fair. Ich will positive Anreize setzen, dass den Bauern beim Umsteuern geholfen wird.

AGRA-EUROPE: Kommen wir zum internationalen Handel. Die Grünen sind unter anderem gegen ein Freihandelsabkommen mit den USA, aber auch gegen das mit Kanada. Warum?
Häusling: Wir sind nicht gegen ein Freihandelsabkommen, sondern gegen die Art, wie es konstruiert wird. Der Hang zur Liberalisierung allen Handels ist meines Erachtens kein guter. Das gilt besonders für den Agrarbereich. Wenn wir die Ernährungssouveränität in den Vordergrund stellen, muss ich jedem Land zubilligen, das zu tun, was es für seine Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion für richtig hält. Von mir aus können die USA transgene Pflanzen bis zum Abwinken verfüttern und mit Glyphosat die Felder zuknallen, wenn sie es so haben wollen. Nur möchte ich dann mit so einer Landwirtschaft keinen Austausch betreiben.

AGRA-EUROPE: Also geht es Ihnen vor allem um die Selbstversorgung mit Lebensmitteln zu eigenen Standards?
Häusling: Natürlich geht es um die Nahrungsmittelsicherheit. Es geht aber auch darum, nicht in einen ungerechten Konkurrenzkampf hineinzugeraten. Schauen Sie nach Afrika: Wir liefern den Ländern dort Billigprodukte und verbieten ihnen gleichzeitig, Zollschranken aufzubauen. Bei der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) sind wir die Gelackmeierten. Ich kritisiere vor allem, dass hierbei die Parlamente weitgehend außen vor gelassen werden.

AGRA-EUROPE: Sie müssen aber über die Vertragswerke abstimmen.
Häusling: Dann sind diese aber schon fertig. Zwischendurch haben wir nicht viel Mitspracherecht. Und wenn wir dann - wie im Fall des Abkommens mit Kanada - zugestimmt haben, entscheiden anschließend wieder drei Gremien oder ein Schiedsgericht, wie das Spiel ausgeht.

AGRA-EUROPE: Wie stehen Sie zum geplanten Abkommen mit den Mercosur-Staaten?
Häusling: Es ist ok, dass wir jetzt mit Chile den Biobereich gemeinsam geregelt haben, damit die Standards gleich sind. Auch wenn ich finde, dass wir mit Chile keine Bioprodukte austauschen müssen, die wir auch in Europa produzieren, wie etwa Äpfel. Aber ich wende mich dagegen, dass wir - wie es bei Mercosur wahrscheinlich der Fall sein wird -
Autos gegen Soja tauschen. Die Landwirtschaft ist dann wieder die Gekniffene. Deutschland hat ein Interesse am Autoexport, die Mercosur-Länder am Sojaverkauf, und das wird nun festgezurrt. Ich finde, dass passt nicht mehr in die Zeit. Zudem läuft es dem Klimaschutzgedanken zuwider.

AGRA-EUROPE: Ein weiteres Thema, an dem sich die Grünen reiben, ist der chemische Pflanzenschutz. Sehen Sie für diesen nicht zumindest in Teilen eine Berechtigung?
Häusling: Auf Dauer halte ich Systeme, die auf den permanenten Einsatz von Chemie angewiesen sind, nicht für nachhaltig.

AGRA-EUROPE: Würden Sie da Ausnahmen machen? Etwa bei drohenden Missernten?
Häusling: Missernten kommen durch Dürre und durch andere Ursachen zustande.

AGRA-EUROPE: Wie ist es mit Insektenplagen, etwa durch Heuschrecken?
Häusling: Im Fall der Heuschrecken kann man es machen. Aber ansonsten sehe ich keine Notwendigkeit. Ökosysteme funktionieren hervorragend ohne Chemie, wenn man agrarökologisch arbeitet. Vielmehr sehe ich große Probleme auf uns zukommen, und zwar aufgrund von Resistenzen. In Deutschland entwickeln sich diese gegenwärtig rasend schnell. Wenn ich sehe, dass binnen zehn Jahren der Rapsglanzkäfer gegen alle gängigen Insektizide resistent geworden ist, macht mir das große Sorgen.

AGRA-EUROPE: Von den Befürwortern von Pflanzenschutzmitteln wird aber angeführt, dass sich Resistenzen gerade auch deswegen entwickeln, weil immer weniger Mittel zugelassen werden.
Häusling: Das ist nur sehr bedingt zutreffend. Das Resistenzproblem kommt vor allem durch zu einseitige Fruchtfolgen. Also wenn ich Raps-Weizen-Weizen anbaue und das dann noch als Fruchtfolge deklariere, kann das nicht funktionieren. Ich habe im ersten Lehrjahr in der Landwirtschaftsschule gelernt, der Bauer muss eine Fruchtfolge einhalten. Heute hat man doch den Eindruck, die Landwirte können nur noch Raps und Weizen.

AGRA-EUROPE: Aktuell steht Glyphosat im Rampenlicht. Hier haben Sie die wissenschaftlichen Prüforgane der EU, die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und die Europäische Chemikalienagentur (ECHA), für die entlastenden Gutachten zu dem Wirkstoff kritisiert. Dagegen haben Sie aber das eher kritische EFSA-Urteil zu
Neonikotinoiden begrüßt. Da stellt sich doch die Frage: Akzeptieren Sie nur Gutachten, die Ihre Haltung unterstützen?
Häusling: Das ist etwas verkürzt formuliert. Was wir zu Glyphosat immer erklärt haben, ist, dass es auch andere wissenschaftliche Meinungen gibt, die nicht wegdiskutiert werden dürfen. Kalifornien hat es ja jetzt noch einmal bestätigt; dort ist Glyphosat als krebserregend eingestuft worden. Die EFSA sagt dazu, wir haben unsere Prüfmethoden, und dann ist alles in Ordnung. Unabhängig von ihren bisherigen Gutachten fordere ich, die EFSA mit mehr Geld auszustatten, um ihr so die Möglichkeit zu geben, eigene Studien durchzuführen. Sie
wäre dann unabhängiger. Bisher ist sie viel zu sehr auf Gutachten der Industrie angewiesen. Bei Neonikotinoiden hinterfragen kaum Fachleute, dass sie bienengefährlich sind; da ist die fachliche Lage einfach eindeutiger.

AGRA-EUROPE: Sie sind selbst Biobauer und klarer Verfechter der ökologischen Landwirtschaft. Wäre eine sehr umfassende Biolandwirtschaft überhaupt möglich, ohne Missernten zu riskieren?
Häusling: Für mich ist der Ökolandbau die moderne Form der Landwirtschaft. Sie kann in Sachen Technik und bei den Erträgen in vielen Bereichen durchaus mithalten. Albert Deß hat beklagt, es ginge nicht, Leguminosen ohne Pflanzenschutzmittel anzubauen. Auf meinem Hof haben wir vergangenes Jahr 60 dt Ackerbohnen pro Hektar geerntet. Der Ökolandbau ist in Forschung und Bildung unterrepräsentiert. Da müssen wir dringend was nachholen. In den Tropen ist der Ökolandbau heute schon dem konventionellen auch beim Ertrag deutlich überlegen - bis zu 192 % - sagt eine Studie der Universität Michigan, die weltweit Versuche ausgewertet hat.

AGRA-EUROPE: Ist ein Ökolandbau auf 100 % der Flächen realistisch?
Häusling: Ich sage mal ganz provokativ: Da kommen wir sowieso wieder hin. In den sechziger Jahren haben alle geglaubt, es geht nur vorwärts, niemals mehr rückwärts. Immer mehr Chemie - immer mehr Ertrag. Jetzt ist das System im Grunde doch schon gekippt. Wir haben in Gunstlagen in Deutschland und Europa bereits sinkende Erträge. Und nicht, weil keine Mittel mehr da sind, sondern weil die Systeme überreizt sind. Landwirtschaft mit viel Chemie ist was für Leute, die wenig Ahnung haben. Die ökologische Landwirtschaft ist das
kompliziertere System, was natürlich auch anspruchsvoller ist, agrarökologisch und in der Tierhaltung erst recht.

AGRA-EUROPE: Besteht dann nicht auch die Gefahr, dass bestimmte Lebensmittel wie Fleisch wieder zum Luxusgut werden?
Häusling: Wir können uns auf Dauer allein aus Klimaschutzgründen nicht den aktuell hohen Fleischkonsum leisten. Der ist weder gesund noch umweltgerecht. Ich will auch nicht mehr zurück zum alten Sonntagsbraten. Wir können in der Woche ja auch noch Wurst essen. Aber aktuell ist das vernünftige Maß schon überschritten.

AGRA-EUROPE: Das knüpft an die nächste Frage an. Kritiker werfen der ökologischen Landwirtschaft mit Blick auf die Rinderhaltung vor, ein Klimakiller zu sein. Was sagen Sie dazu?
Häusling: Das ist eine komplett verdrehte Argumentation. Eine 10 000-Liter-Hochleistungskuh braucht im Vergleich zu einer 6000-Liter-Biolandkuh wesentlich mehr Energie. Eine Leistung über 5 000 l Milch ist auf Kraftfutter angewiesen. Wenn ich eine Kuh aber überwiegend mit Soja und Getreide füttere, ist die Klimabilanz automatisch schlechter. Die Rechnung stimmt auch schon deshalb nicht, weil eine Hochleistungskuh mit 2,5 Jahren Nutzungsdauer im Schnitt eine deutlich höhere Remontierungsrate hat. Ich brauche hier für die Kuh, die im Stall steht, ja auch schon das Rind danach. Deshalb ist die Klimabilanz der Hochleistungskuh auch nur halb so gut wie oft angegeben wird, weil ich schon ein Rind füttere, das nachfolgen muss. Die Verlängerung der Nutzungsdauer und die Steigerung der Milchleistung aus dem Grundfutter sind die besten Klimaschutzmaßnahmen. Und der klimatisch ausschlaggebende Grünlandschutz funktioniert auf Dauer nur mit vernünftiger Weidehaltung.

AGRA-EUROPE: Zuletzt eine etwas persönlichere Frage. Sie waren von 2003 an Mitglied des hessischen Landtags und sind seit 2009 Mitglied im Europaparlament. Wo sehen Sie Unterschiede? Treten Sie für die nächste Europawahl wieder an?

Häusling: Für einen Agrarpolitiker ist der Platz in Brüssel der beste. Hier kann man als einzelner Abgeordneter deutlich mehr erreichen. Zudem glaube ich, dass sich die Wahrnehmung vom Europaparlament in den vergangenen Jahren zum Positiven hin verändert hat. Ob ich noch einmal kandidiere, hängt von meiner Partei ab. Ich könnte mir das aber sehr
gut vorstellen.

AGRA-EUROPE: Vielen Dank für das Gespräch.