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Saarbrücker Zeitung von SZ-Korrespondent Detlef Drewes

 Zahlreiche Enthaltungen von EU-Ministern machen Anbau der Sorte „1507“ möglich. Auch Deutschland schweigt. Saar-Umweltminister Reinhold Jost (SPD) will den Anbau von Genmais „1507“ im Saarland verhindern. Er steht hinter der Forderung von Bundesagrarminister Hans-Peter Friedrich nach einer möglichen Ausstiegsklausel. (Veröffentlicht am 12.02.2014) 

Brüssel/Saarbrücken..  Der umstrittene Genmais „1507“ ist in Europa nicht mehr zu stoppen. Nach stundenlangen Beratungen der Europaminister in Brüssel fanden sich gestern zwar nur drei Staaten – Großbritannien, Schweden und Spanien –, die für einen Anbau der gentechnisch veränderten Pflanze eintraten. 19 der 28 Teilnehmer stimmten dagegen. Da sich aber neben Deutschland auch Portugal, Belgien und Tschechien enthielten, reichte das Stimmengewicht der Gegner, das sich auch nach der Einwohnerzahl richtet, nicht für einen Anbaustopp. Die EU-Spielregeln sehen vor, dass in einem solchen Fall EU-Agrarkommissar Tonio Borg die letzte Entscheidung trifft: Der 56-jährige Kommissar aus Malta hatte schon vorher angekündigt, dass er eine Genehmigung ausstellen werde. Wann diese kommt, blieb gestern allerdings noch offen. Die Juristen des Ministerrates in Brüssel bekräftigten nach einem Blick in die europäischen Verträge, dass Borg keine andere Wahl habe: Er müsse seine zuvor angekündigte Entscheidung umsetzen.

 „Was schert uns der Wille des europäischen Verbrauchers“, kommentierte der Grünen-Agrarexperte und Europa-Abgeordnete Martin Häusling zynisch das Abstimmungsverhalten der Minister. „Es gibt in der Bundesregierung ganz unterschiedliche Auffassungen“, erklärte der Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Michael Roth, das Abstimmungsverhalten Deutschlands. Zwar seien die SPD-geführten Ministerien, und auch CSU-Landwirtschaftsminister Hans-Peter Friedrich gegen die Aussaat von „1507“. Aber die CDU-geführten Ministerien und auch das Bundeskanzleramt hätten sich für eine Genehmigung ausgesprochen. „Und da gibt es eine bewährte Regel in der Geschäftsordnung der Bundesregierung“, ergänzte der SPD-Politiker. „In einem solchen Fall hat sich die Bundesregierung im Ministerrat der EU der Stimme zu enthalten.“

 Unklar blieb gestern, ob der Anbau des Genmais auch in Deutschland möglich wird. Die EU-Spielregeln sehen die Möglichkeit nationaler oder regionaler Ausstiegsklauseln vor, wenn ein Mitgliedstaat zusätzliche wissenschaftliche Gutachten vorlegen kann. Bundesagrarminister Friedrich will dies offenbar versuchen und damit Untersuchungen der Europäischen Lebensmittelbehörde (Efsa) im italienischen Parma den Boden entziehen. „1507“ wurde so manipuliert, dass die Pflanze gegen das Schädlingsbekämpfungsmittel Glufosinat resistent ist. Gleichzeitig sondert die Maissorte jedoch an allen Pflanzenteilen Toxine ab, die gegen die Raupen des Maiszünslers giftig wirken. Auch die Efsa bestätigte, dass diese toxischen Stoffe für Schmetterlinge und bestimmte Mottenarten gefährlich werden könnten, wenn die Tiere über lange Zeit hinweg hohen Dosen des Giftes ausgesetzt seien. Trotzdem entschied die EU-Behörde, den Anbau als vertretbar zu empfehlen. Sollten die bundesdeutschen Behörden diese wissenschaftlichen Analysen entkräften können, stünde es der Bundesregierung frei, den Bundesländern die Aussaat zu überlassen, in denen die Meinungen über „1507“ ebenfalls weit auseinandergehen.

 Das Europäische Parlament hatte bereits vor einigen Wochen die Minister der Mitgliedstaaten aufgefordert, sich gegen den Genmais zu entscheiden. Bei den Abgeordneten herrschte deshalb gestern tiefe Enttäuschung über die Blockade einer Minderheit, die ausreichte, um sich gegen die Mehrheit durchzusetzen. Die Lebensmittelexpertin der sozialdemokratischen Parlamentsfraktion, Dagmar Roth-Behrendt, nannte den Vorgang schlicht „einen Skandal“.

Einigkeit im Saarland
 Selten waren sich CSU und SPD so einig: Lebensmittel auf Basis von Genmais „1507“ soll in deutschen Landen nicht auf den Tisch. Und selten hatte Hans-Peter Friedrich (CSU), inzwischen amtierender Bundeslandwirtschaftsminister, so viel Rückhalt im sozialdemokratischen Lager. „Wir unterstützen Minister Friedrich voll in seiner Forderung nach einer Ausstiegsklausel für die Bundesländer“, betonte gestern auch der saarländische Umweltminister Reinhold Jost (SPD) gegenüber der SZ. Jedes Bundesland solle selbst entscheiden können, ob es den Anbau zulasse oder nicht. Mit „wir“ meinte Jost freilich die saarländische Landesregierung und verwies auf den Koalitionsvertrag von SPD und CDU, in dem festgehalten ist, dass das Saarland „auch in Zukunft eine gentechnikfreie Anbauregion bleibt“. Bundeslandwirtschaftsminister Friedrich will notfalls mit einer Ausstiegsklausel den Anbau von Genmais auf deutschen Äckern verhindern.

 Und das will auch Jost: „Wir im Saarland bleiben bei unserer Linie, zumal wir stolz sind auf unser Markenzeichen ,gentechnikfreies Saarland'.“ Dies sei auch im Sinne der Konsumenten. Umfragen zufolge lehnten 80 Prozent Gentechnik in Lebensmitteln ab. Jost wies zugleich darauf hin, dass das Saarland das einzige Flächenbundesland sei, in dem bisher keine gentechnisch veränderten Pflanzen angebaut würden. Damit dies so bleibe, so der Umweltminister, sei die Landesregierung im vergangenen Jahr gemeinsam mit Rheinland-Pfalz dem Europäischen Netzwerk gentechnikfreier Regionen beigetreten.

 Verärgert zeigte sich der Umweltminister über die Uneinigkeit im Bundeskabinett: „Das Lavieren der Bundesregierung hat mit dafür gesorgt, dass der Weg für die Zulassung von Gentech-Mais frei ist.“ Nach wie vor seien die Auswirkungen der genmanipulierter Pflanzen noch nicht ausreichend erforscht, meinte Jost. Potenziellen Gefahren könne bislang nur vorgebeugt werden mit einem Verzicht auf den Anbau gentechnisch veränderter Organismen. ine

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Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

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