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11.07.13 euractiv.de
Die Fehlentwicklungen der bisherigen EU-Agrarkraftstoffpolitik sollen mit einem neuen Fokus auf Nachhaltigkeit korrigiert werden. Der Umweltausschuss des EU-Parlaments plädiert für eine Deckelung konventioneller Biokraftstoffe (Rapsöl, Palmöl) und für Anreize für die Markteinführung neuer Biokraftstoffe aus Abfällen, Algen und Bakterien.

Der Umweltausschuss des Europäischen Parlaments hat am Donnerstag (11. Juli) über die neuen EU-Regeln für Biokraftstoffe abgestimmt. Die Kommission hatte ihre Vorschläge im Oktober 2012 vorgelegt, um bisherige Fehlentwicklungen (Konkurrenz von Nahrungsmittel- und Biokraftstofferzeugung, Landnutzungsänderungen, negative Klimabilanz) zu korrigieren.

Der Umweltausschuss hat nun dafür votiert, die Verwendung konventioneller Biokraftstoffe auf 5,5 Prozent des Anteils erneuerbarer Energien im Verkehrssektor zu beschränken. Auch sollen die negativen Klimafolgen durch indirekte Landnutzungsänderungen (indirect land-use change, ILUC) durch die Biospritproduktion ab 2020 in die EU Richtlinie zur Kraftstoffqualität ab 2020 einbezogen werden.


Reaktionen
Jo Leinen (SPD): "Die Begrenzung der konventionellen Biokraftstoffe auf 5,5 Prozent soll helfen, diese Konflikte zu lösen: Wir beenden die Flächenkonkurrenz von Nahrungsmitteln und Treibstoffen und dadurch sinken die Treibhausgasemissionen. Zudem fördern wir so die Nutzung wirklich klimafreundlicher Biokraftstoffe der zweiten Generation. [...] Es gibt zahlreiche Alternativen, um unser Ziel zu erreichen, zehn Prozent Erneuerbare Energien im Transportsektor zu verwenden. Wir müssen nun verstärkt in Elektromobilität sowie nachhaltige Biokraftstoffe investieren."

Martin Häusling (Grüne): "Endlich hat die Einsicht obsiegt, dass es einen unheilvollen Zusammenhang zwischen der Erzeugung von Nahrungsmitteln und der Kraftstofferzeugung aus Palmöl, Raps oder Sojaöl gibt. Das alte Ziel, den Anteil bis 2020 auf zehn Prozent zu steigern, ist gekippt worden. Man kann nun darüber streiten, ob die neue Marge von 5,5 Prozent auch bereits zu hoch angesetzt ist. Wichtig aber ist, dass die frühere, viel zu hohe Vorgabe gestrichen und damit endlich der Tank-Teller-Konflikt von allen Parteien klar benannt wird."

Rebecca Harms (Grüne): "Die Begrenzung der Nutzung von Kraftstoffen aus Ackerpflanzen auf 5,5 Prozent ist ein Schritt in die richtige Richtung. Grundsätzlich sollte die Verwendung von Nahrungsmittelpflanzen für die Biokraftstoffgewinnung jedoch komplett vermieden werden. Der Umweltausschuss hat den Kommissionsvorschlag dahingehend verbessert, dass die Treibhausgasemissionen durch indirekte Landnutzungsänderung in die Berechnung der Treibhausgasemissionen in der Kraftstoffqualitätsrichtlinie einbezogen werden sollen. So können Investitionen in nachhaltigere Lösungen gesteuert werden. Dass ILUC-Faktoren in Zukunft auch in die Nachhaltigkeitskriterien zur Errechnung der CO2-Einsparung durch die jeweiligen Kraftstoffe mit einbezogen werden sollen, ist ebenfalls zu begrüßen."

Marita Wiggerthale (Oxfam Deutschland): "Auch nach der Entscheidung bleibt Biosprit ein Hungertreiber. Aber ein Worst-Case-Szenario konnte abgewendet werden, trotz des massiven Drucks der Biosprit- und Agrarlobby. Jetzt ist wichtig, dass das Parlament als Ganzes im September dafür stimmt, dass nicht noch mehr Essen in den Tank wandert. Angesichts von 900 Millionen Hungernden müsste die Förderung von Biosprit eigentlich komplett beendet werden."

Jenny Walther-Thoß (WWF): "Biosprit, so wie er heute hergestellt wird, muss an Europas Tankstellen ausgelistet werden. Ohne Biokraftstoffe wird der Verkehrssektor jedoch beim Klimaschutz seine Ziele verfehlen. Der Ausschuss hat durch die Deckelung des Einsatzes von landnutzungsbasierten Kraftstoffen den ersten grundsätzlichen Entschluss für mehr Nachhaltigkeit gefasst.

Johannes Erhard (WWF): "Die EU sorgt jetzt hoffentlich dafür, dass besonders problematische Biokraftstoffe zugunsten innovativer Alternativen ausgebremst werden. Nur so schaffen wir die Klimaziele im Verkehr." Der Vorschlag des Umweltausschusses bietet laut WWF jedoch noch einige Schlupflöcher, die die Erreichung des Klimaziels im Verkehrsbereich von zehn Prozent erneuerbarer Energie gefährdeten. So reiche es zum Beispiel aus, wenn Mitgliedsstaaten das allgemeine EU-Klimaschutzziel von 20 Prozent erneuerbarer Energien erreichten, ohne ihre Auflagen im Verkehrsbereich erfüllen zu müssen. Außerdem würden fortschrittliche Biokraftstoffe, z.B. aus Abfällen und Algen, mehrfach bei der Zielerreichung angerechnet. Was als Förderung für innovative Kraftstoffe gedacht sei, führe de facto zu einer Verwässerung des zehn Prozent-Ziels.

mka

Video

Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

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