Grüne Europagruppe Grüne EFA

18.06.2013 Tagesspiegel - von Christopher Ziedler
Ein Freihandelsabkommen würde Europa und den USA Milliardengewinne bescheren. Doch es dürfte auch Verlierer geben.
Begleitet von großen Hoffnungen auf mehr Wachstum haben die EU und die USA am Montag offiziell die Aufnahme von Gesprächen über eine transatlantische Freihandelszone vereinbart. Zum Auftakt des G-8-Gipfels in Nordirland sagte US-Präsident Barack Obama, das Abkommen werde die transatlantische Beziehung weiter vertiefen, wenn es zustande käme: „Amerikaner und Europäer haben schon in der Vergangenheit zusammen Außergewöhnliches geleistet.“ EU-Kommissionschef José Manuel Barroso sagte in Enniskillen, die beiden größten Handelsblöcke würden nun die größte Freihandelszone der Welt schaffen: „Unsere Partnerschaft wird die Karten in der Weltwirtschaft neu mischen.

Alle verfügbaren Studien gehen von volkswirtschaftlichen Gewinnen für beide Seiten aus. Allerdings zeigt die große Bandbreite der Zahlen, dass die Ökonomen die Wirkung nur grob kalkulieren können. So rechnet etwa das Londoner Centre for Economic Policy Research damit, dass Europas Wirtschaft mit 119 Milliarden Euro im Jahr stärker vom Abbau der verschiedensten Handelshemmnisse profitieren kann als die amerikanische. Diese kann dem Institut zufolge mit einem Plus von 95 Milliarden Euro im Jahr rechnen. Dagegen prophezeit eine Expertise des Ifo-Instituts vom Montag ein umgekehrtes Verhältnis. „Langfristig“ würde das Pro-Kopf-Einkommen der US-Bürger um 13,4 Prozent steigen, während die Europäer durch den transatlantischen Freihandel nur mit einem Plus von fünf Prozentpunkten rechnen könnten. In Deutschland wären es 4,7 Prozent.

 Die Zustimmung Obamas ist gleichbedeutend damit, dass das eingeschränkte Verhandlungsmandat der Europäer für die Amerikaner offensichtlich gut genug ist. Im Vorfeld hatte es aus US-Regierungskreisen geheißen, ein Schutz von Europas Filmbranche könne zu Sonderwünschen Washingtons führen. Das war zumindest am Montag nicht der Fall. Jedoch läuft erst am heutigen Dienstag die Einspruchsfrist des US-Kongresses aus.

 Der Widerstand Frankreichs hatte am Freitag dazu geführt, dass die EU-Staaten die Kultur zumindest vorläufig aus den Gesprächen ausgeklammert hatten. Barroso sagte am Rande des Gipfels in Nordirland, es sei nie darum gegangen, die Radioquoten für einheimische Produktionen oder die Filmförderung abzuschaffen: „Wir sind rechtlich verpflichtet, sie zu schützen.“ Allerdings darf die Kommission auch über den audiovisuellen Sektor mit den Amerikanern Gespräche führen und Nachforderungen an die Mitgliedstaaten stellen – wenn es angesichts der Verhandlungen sinnvoll erscheint. Die Gespräche auf Expertenebene sollen am 8. Juli beginnen. Barroso wollte kein Zieldatum für einen Abschluss nennen: „Die Substanz ist wichtiger als Schnelligkeit“, sagte der Kommissionschef, dessen Behörde für die bald 28 Mitgliedstaaten verhandeln wird. Es werde aber sicherlich „mehrere Jahre“ dauern, da es sich um ein in dieser Bedeutung einmaliges Abkommen handele und „viele sensible Themen“ berührt würden.

 Während Befürworter wie der CDU-Europaabgeordnete Daniel Caspary das Freihandelsabkommen als „kostenloses Konjunkturprogramm“ sehen, weil „Zollsenkungen und die Abschaffung von Handelsbarrieren keinen Cent kosten“, sind im Detail viele heikle Fragen zu beantworten. Der Grünen-Europaparlamentarier Martin Häusling etwa sieht im „Bereich von Lebensmitteln, Verbraucherschutz und Landwirtschaft weit mehr Nach- als Vorteile auf Europa zukommen“. Die hoch industrialisierte US-Landwirtschaft und der sich auf nachhaltigere Produktion umstellende EU-Agrarsektor passten nicht zusammen: „Der europäische Verbraucher möchte keine mit Chlor behandelten Hähnchen, keine mit Hormoneinsatz produzierten Steaks und kein gentechnisch verändertes Brotgetreide.“ Zudem weist die Ifo-Studie darauf hin, dass Wohlfahrtsgewinnen in der EU und den USA „reale Einkommens- und Beschäftigungsverluste im Rest der Welt gegenüberstehen“. Barroso sagte, dass „wir deshalb unsere internationale Agenda nicht aufgeben“. Bei den Welthandelsgesprächen am Jahresende in Bali sei die EU bereit, Fortschritte zugunsten der Entwicklungsländer zu erzielen.

Video

Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

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